ÖVP-Chef Karl Nehammer hat am Freitag vor rund 2.000 Unterstützern in Wels seinen Nationalratswahlkampf gestartet und sich dabei zum einzigen Gegner von FPÖ-Chef Herbert Kickl stilisiert, ohne ihn namentlich zu nennen.
"Es wird die Entscheidung sein zwischen ihm und mir als Bundeskanzler von Österreich", sagte er und versprach ein Jahr der Bewährung und Wehrhaftigkeit. Punkten will Nehammer mit seinem "Österreichplan". Kein Wort verlor er zum Zeitpunkt der Wahl.
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"Es wird ein Jahr der Entscheidungen sein zwischen demjenigen, der sich in der dunklen Vergangenheit verliert und lieber an Verschwörungen glaubt", so Nehammer, "und es wird die Entscheidung sein zwischen ihm und mir als Bundeskanzler von Österreich, der an die Zukunft dieses Landes und die Zukunft der Menschen in diesem Land glaubt." Die Frage für Nehammer lautet: "Gestalten oder Spalten?"
Bereits im Vorprogramm hatte es Angriffe vor allem gegen die FPÖ, aber auch die SPÖ und Klimaaktivisten gesetzt. Speziell Generalsekretär Christian Stocker und Klubchef August Wöginger schossen sich auf Kickl ein, Stocker nannte den Freiheitlichen-Chef gar einen Versager. Eingespielt wurden auch Videos, die etwa Kickls früheres Plädoyer für Lockdowns zur Corona-Zeit zum Inhalt hatten.
Das ist Nehammers Österreichplan
In seiner knapp 40-minütigen Rede breitete Nehammer dann jene Inhalte aus, die bereits in den vergangenen Tagen Medien zur Verfügung gestellt worden waren. Nehammer will etwa Wohnungseigentum stärken. Eine halbe Million mehr Eigentümer soll es bis 2030 geben, was zu stehenden Ovationen im Auditorium führte. 800 neue Kassenstellen will er in diesem Zeitraum, die Lohnnebenkosten senken, mit dem "Regulierungswahnsinn" aufhören, alle Steuern auf Überstunden abschaffen und jene mit 1.000 Euro belohnen, die Vollzeit arbeiten.
Ökologie will Nehammer mit Ökonomie vereinen. Der Straßenbau soll dabei nicht zu kurz kommen. Denn irgendwo müssten die Autos neuer Technologien ja fahren. Weiterer Schwerpunkt ist die Sicherheit - von erhöhtem Verteidigungsbudget bis Terror-Bekämpfung. Sozialleistungen für Zuwanderer soll es erst nach fünf Jahren geben und was er von diesen erwartet machte der Kanzler auch klar. "In meinem Verständnis ist Integration Anpassung", auch wenn die FPÖ diese Idee für sich reklamiere.
Die Wichtigkeit des heurigen Jahres betonte der ÖVP-Chef schon in seinen einleitenden Worten: "Dieses Jahr 2024 ist das Jahr der Entscheidung." Er stehe für Gestaltung und damit entgegen denjenigen, die für Zerstörung stünden.
Attacken gegen Kickl
Damit angesprochen war wohl FPÖ-Obmann Herbert Kickl, dessen Partei schon im Vorprogramm Ziel von Attacken speziell von Generalsekretär Christian Stocker und Klubchef August Wöginger war. Stocker nannte den Freiheitlichen-Chef gar einen Versager. Eingespielt wurden auch Videos, die etwa Kickls früheres Plädoyer für Lockdowns zur Corona-Zeit zum Inhalt hatten.
Auch sonst wilderte der Kanzler in freiheitlichem Territorium, sprach er sich doch für Asylverfahren an den EU-Außengrenzen sowie in Drittstaaten und generell für eine Neukonzeption des europäischen Asylsystems aus. Doch auch hier, so betonte Nehammer, gebe es "eine klare Abgrenzung zu den Rechtsextremen". Die ÖVP sei nämlich nicht gegen eine geordnete Zuwanderung in den Arbeitsmarkt und Erleichterungen bei der Rot-Weiß-Rot-Card. Auch den Leitkultur-Begriff reklamierte er für sich, weder von "den Radikalen" noch von "linken Träumern" dürfe man sich das wegnehmen lassen.
Plakolm gegen "sinnlose Kleberei"
Bebildert wurde auch die Kritik an SPÖ-Chef Andreas Babler, indem dessen Sager, Marxist zu sein, zu Gehör gebracht wurde. Ihr Fett ab bekamen schließlich die Klimakleber, derer sich Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm annahm: "Diese sinnlose Kleberei muss ein Ende haben."
Schweigen zu Wahltermin
Keinerlei Äußerung gab es von Nehammer zur Frage einer allfällig vorgezogenen Neuwahl. Zuletzt hatten sich die Hinweise verdichtet, dass in der ÖVP jene die Oberhand gewinnen, die die eigentlich erst Ende September fällige Nationalratswahl mit der EU-Wahl am 9. Juni zusammenlegen wollen. Den ÖVP-Spitzenkandidaten für die Europawahl lobte Nehammer ausdrücklich. "Danke, dass du dir das antust", sagte er zu Reinhold Lopatka.
In die Welser Messe gekommen waren ein großer Teil der schwarzen Regierungsmannschaft und fast alle Landeshauptleute aus den Reihen der ÖVP, aber auch Parteiprominenz von früher: Von Ex-Parteichef Josef Pröll über die Ex-Präsidentschaftskandidaten Andreas Khol und Benita Ferrero-Waldner bis hin zu den Alt-Landeshauptleuten Erwin Pröll, Josef Pühringer und Waltraud Klasnic.
Zum Auftakt begrüßte Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer die Gäste, lobte Nehammer als Staatsmann und Umsetzer und formulierte eine Absage an "unrealistische Träumerleins mit Umsetzungsschwächen" ebenso wie an "verbitterte Hetzer". "Darum bist du der Bundeskanzler", so Stelzer, "und es soll auch kein anderer werden."
Babler ortet "Verarschung"
Die Reaktionen der Opposition fielen ablehnend aus. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker ortete ein "großes Bürgertäuschungsmanöver eines notorischen Krisen-Leugners, der als Bundeskanzler keine Zukunft mehr hat". Das ÖVP-Establishment fürchte sich vor Kickl offenbar dermaßen, dass er der heimliche Stargast der Veranstaltung gewesen sei.
SPÖ-Chef Andreas Babler sah eine Verhöhnung, ja gar eine "Verarschung" der Bevölkerung. Türkis-Grün sei Geschichte und die ÖVP habe einen Heiratsantrag an die FPÖ gestellt, meinte er. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger hatte bereits am Vormittag die ÖVP als müde und korrupt bezeichnet und sich für eine baldige Neuwahl ausgesprochen.