Bundeskanzlerin Bierlein nimmt am Freitag am EU-Westbalkan-Gipfel teil.
Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein nimmt am Freitag am EU-Westbalkan-Gipfel in der polnischen Stadt Poznan (Posen) teil. Es handelt sich um die sechste Westbalkan-Konferenz im Rahmen des sogenannten Berlin-Prozesses, zu der Regierungschefs aus mehrerer EU-Ländern mit Amtskollegen der Balkanländer zusammenkommen. Der Gipfel beginnt am Donnerstag mit einem Treffen der Wirtschafts-, Innen- und Außenminister.
Bei dem Gipfel in Poznan ist auch ein Treffen von Organisationen der Zivilgesellschaft aus der Region Westbalkan geplant. Der Berlin-Prozess wurde von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel 2014 ins Leben gerufen, um den Westbalkan-Staaten ein positives Signal hinsichtlich der Erweiterungsperspektive zu senden. Seitdem versammeln sich EU-Spitzenpolitiker jährlich mit ihren Amtskollegen aus den Balkanländern, um weitere Schritte zur Annäherung an die Europäische Union zu besprechen. Nach dem ersten Westbalkan-Gipfel in Berlin (2014) fanden Treffen in Wien (2015), Paris (2016) , Triest (2017) und zuletzt in London (2018) statt.
Dem Berlin-Prozess gehören die ex-jugoslawischen (Teil-)Staaten Kosovo, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro, Serbien, Albanien sowie die EU-Mitgliedstaaten Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien, Polen, das Vereinigte Königreich und Slowenien an. Kernpunkt des Berlin-Prozesses stellt die Wirtschaftszusammenarbeit dar, vor allem im Bereich von Infrastrukturprojekten.
Bei der Beitrittsperspektiven geht es wegen Widerständen innerhalb der EU derzeit nicht so schnell weiter wie die Westbalkan-Länder wollen. Die Länder des westlichen Balkans "haben eine europäische Beitrittsperspektive", erklärte Merkel unlängst in einem Video-Podcast, betonte aber, dass der Weg noch steinig sei. Es müssten noch eine Vielzahl von Spannungen überwunden und Bedingungen erfüllt werden, so die deutsche Kanzlerin.
Es gebe aber auch positive Beispiele wie zum Beispiel die Lösung des Namensstreites zwischen Skopje und Athen. "Dieser Namensstreit hat jahrelang gedauert und durch politischen Mut - sowohl des nordmazedonischen Ministerpräsidenten Zoran Zaev als auch des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras - ist es gelungen, diesen Konflikt zu lösen." Dieses positive Beispiel sollte als Ermutigung zur Lösung von Problemen in Bosnien und Herzegowina oder aber zwischen Serbien und Kosovo dienen, meinte Merkel.
Die Situation im Kosovo-Konflikt ist allerdings verfahren. Ein Treffen Ende April in Berlin, bei dem Deutschland und Frankreich die Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Serbien und dem Kosovo erreichen wollten, brachte keine Ergebnisse. Größter Streitpunkt derzeit sind die Strafzölle, die der Kosovo gegen serbische Waren verhängt hat und erst aufheben will, wenn Serbien die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz anerkennt. Serbien weigert sich wiederum mit dem Kosovo zu verhandeln, solange die drastischen Zölle in Kraft sind.
Die Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo ist eine Bedingung für die Aufnahme Serbiens in die EU und das größte Hindernis. Und auch wenn mehr als die Hälfte der UNO-Staaten den Kosovo bereits anerkannt haben, hat Serbien bei seiner Weigerung zur Anerkennung der Unabhängigkeit immer noch den Rückhalt der UNO-Vetomächte Russland und China, aber auch von fünf EU-Mitgliedern.
Auch die Kandidatenländer Nordmazedonien und Albanien mussten zuletzt Enttäuschungen hinnehmen. Trotz einer positiven Empfehlung der EU-Kommission haben sich die EU-Außen- und Europaminister im Juni gegen den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen ausgesprochen. Grund war unter anderem die bisher fehlende Zustimmung des Deutschen Bundestages. Auch Frankreich, die Niederlande und Dänemark haben grundsätzliche Bedenken. Die Entscheidung wurde auf Oktober vertagt.
Außenminister Alexander Schallenberg hatte sich damals "Grünes Licht" für die Aufnahme der Beitrittsgespräche erhofft. "Nordmazedonien hat alles richtig gemacht, auch Albanien hat seine Hausübungen gemacht und wenn jetzt die Europäische Union die Achsel zuckt oder die kalte Schulter zeigt, wäre das ein desaströses Signal für die Region", hatte der Minister erklärt. Nun wird mit einem Startschuss für die Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien bis Jahresende gerechnet.
In Poznan wird Bierlein "entsprechend der österreichischen Tradition" für eine Anbindung der Westbalkan-Staaten an die EU eintreten, teilte ihr Sprecher Sven Wagner der APA mit. In Sachen EU-Erweiterung will die Übergangsregierung dem bisherigen Kurs Österreichs treu bleiben und die Heranführung der Länder Südosteuropas und des Westbalkans an die Union forcieren. Schallenberg kann aus "terminlichen Gründen" nicht beim Gipfel in Poznan dabei sein, was er bedauere, hieß es auf APA-Anfrage aus dem Wiener Außenamt am Mittwoch.