VP-Koordinator über die Arbeit in der Koalition

Blümel: "Habe vor den Grünen großen Respekt"

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Gernot Blümel ist nicht nur Finanzminister – er managt auch die Koalitionsarbeit.

ÖSTERREICH: Froh, dass das Jahr 2020 ­finanzpolitisch um ist? Was war für Sie im Pandemiemanagement bislang das Schwierigste?

Gernot Blümel: Es war aus budgetärer Sicht tatsächlich ein absolutes Auf und Ab, das mit einem großen Überschuss begann und mit dem größten Budgetdefizit der Zweiten Republik endete. Die größte Herausforderung aus meiner Sicht war, dass kein Benchmarking möglich war. Alles, was man macht, macht man zum ersten Mal. Auch international gibt es keinen, der so etwas schon einmal erlebt hat. Wir haben bei den Hilfsmaßnahmen permanent nachgearbeitet und versucht, immer wieder auf Kritik einzugehen und nachzubessern. Das waren schon sehr, sehr herausfordernde Monate.

ÖSTERREICH: Es wird die nächsten drei Monate nicht viel leichter werden. Wir ­haben hohe Infektionsraten, sind im Lockdown, oder?

Blümel: Ich bin sehr froh, dass wir jetzt die Impfung haben, die ein Sieg der globalisierten Wissenschaft und der Aufklärung ist. Es wird noch einige Monate dauern, bis genügend Menschen geimpft werden können, aber das gibt uns endlich eine Perspektive. Wir müssen parallel dazu alles machen, um die Infek­tionen unter Kontrolle zu halten, etwa durch regelmäßige Massentests. Das kommt günstiger als weitere Lockdowns.

ÖSTERREICH: In der Pandemie werden Differenzen zwischen ÖVP und Grünen häufiger. Wie erleben Sie das als Regierungskoordinator:

Blümel: Dass die Grünen und wir ideologisch sehr unterschiedlich sind, ist jetzt aber nicht die große Überraschung. Das wussten wir bereits in den Koalitionsverhandlungen. Für zwei so unterschiedliche Parteien funktioniert die Zusammenarbeit sogar sehr gut und effizient. Wir haben das ganze Jahr gemeinsam viele Maßnahmen beschlossen und einen guten Arbeitsrhythmus gefunden.

ÖSTERREICH: Aber gerade in Flüchtlingsfragen bezeichnete Vizekanzler Kogler die ÖVP als empathielos.

Blümel: Niemanden, der diese Bilder sieht, lässt das kalt. Deswegen leistet Österreich einen der international größten Beiträge. Alleine heuer haben über 5.000 Minderjährige in Österreich Aufnahme gefunden. Dass es immer wieder atmosphärische Herausforderungen gibt, liegt in der Natur der Sache. Ich habe größten Respekt davor, wie die Grünen das handhaben. Immerhin haben sie auch in ihrer Struktur andere Herangehensweisen, was die Entscheidungsfindung betrifft.

ÖSTERREICH: Wie lange wird die Republik sich die Wirtschaftshilfen wegen der Pandemie leisten können?

Blümel: Unsere Priorität war und ist, Leben zu retten. Lockdowns sind die Ultima Ratio, deswegen müssen wir jetzt Alternativen wie Massentests zumindest versuchen. Die Krise ist temporär, so wie die Wirtschaftshilfen. Wenn die Krise vorbei ist, dann müssen auch die Hilfen sukzessive auslaufen und die Budgetkonsolidierungen in Europa und Österreich Schritt für Schritt beginnen. Isabelle Daniel

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