Wirbel wegen der Live-Übertragung der Nationalratssitzung am Mittwoch. Der ORF darf jetzt nur die "Aktuelle Stunde" übertragen.
Die Klubchefs beider Regierungsparteien sollen das Angebot gemacht haben, die volle Schaltung nur dann zu ermöglichen, sollten die Orangen dem Ratifizierungsfahrplan für die EU-Verfassung zustimmen. Seitens der Grünen wurde dies mehr oder weniger bestätigt. BZÖ-Chef Peter Westenthaler rief bei einer Pressekonferenz Bundespräsident Heinz Fischer um Hilfe an.
Einwendungsdebatte zu Beginn
"Das was mir heute passiert ist, ist
mir noch nie passiert", so ein empörter Westenthaler, der schwere Vorwürfe
gegen ÖVP-Klubobmann Wolfgang Schüssel und dessen rotes Gegenüber, Josef
Cap, erhebt. Hintergrund: Das BZÖ hatte eine Einwendungsdebatte zu Beginn
der Sitzung beantragt, da es den Petitionenbericht nicht erst am Ende der
Sitzung sehen wollte. Daraufhin soll es geheißen haben, man werde die volle
Sitzung nicht live übertragen lassen. Bei der daraufhin einberufenen
Sonderpräsidiale konnte sich das BZÖ auch nicht durchsetzen.
"Das ist Erpressung", so Westenthaler, "ich habe natürlich nichts unterschrieben". Nach wie vor stellt sich das BZÖ gegen das "Durchpeitschen" der EU-Ratifizierung.
Appell an Fischer
Als Konsequenz soll Nationalratspräsidentin
Barbara Prammer (S) Westenthaler mitgeteilt haben, die ORF-Live-Übertragung
der Sitzung zu untersagen. Tatsächlich soll nur die Aktuelle Stunde
übertragen werden, die am Mittwoch ohnehin dem BZÖ "gehört", das Bündnis
darf das Thema ("Teuerungsausgleich") vorschlagen. Westenthaler sieht sich
trotzdem als Oppositionspolitiker geknebelt und ruft Fischer auf, sich die
Sache anzusehen: "Das hat es in dem Land wahrscheinlich das letzte Mal in
den 30ern gegeben."
Kritik von den Grünen
Grünen Bundessprecher Alexander Van
der Bellen sah die Schuld an der Situation auf den verschiedensten Seiten.
Er erklärte in einer Aussendung, dass VP-Klubchef Schüssel in der
Sonderpräsidiale deutlich gemacht habe, einer TV-Übertragung nur zustimmen
zu wollen, wenn das BZÖ die Ratifizierung des EU-Reformvertrages nicht
blockiere. Dies sei "mehr als fragwürdig". Es sei aber selbstverständlich
ebenso inakzeptabel, dass das BZÖ als kleinste Fraktion im Nationalrat
versuche, den parlamentarischen Prozess zum Stillstand zu bringen, indem sie
die Behandlung des EU-Reformvertrages verhindern wolle.
Spindelegger weist Vorwürfe zurück
Der Zweite
Nationalratspräsident Michael Spindelegger (V) weist die Vorwürfe der Grünen
im Zusammenhang mit dem heutigen Streit in der Präsidiale zurück. Wenn Van
der Bellen von einem absurden Match zwischen den Klubobleuten Schüssel (V)
und Westenthaler (B) spreche, müsse man ihn daran erinnern, dass es einen
zwischen den Klubdirektoren aller fünf Fraktionen akkordierten und auch
unterschriebenen Fahrplan zur Ratifizierung des EU-Reformvertrages gegeben
habe.
Nur "Aktuelle Stunde" wird gezeigt
Der ORF teilte in
der "Zeit im Bild" mit, dass ursprünglich eine Live-Übertragung an beiden
Sitzungstagen des Nationalrats vorgesehen gewesen sei. Nach mehreren
Telefonaten habe Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (S) dem ORF
mitgeteilt, dass lediglich die Aktuelle Stunde Mittwoch vormittag und die
Fragestunde Donnerstag vormittag im Fernsehen gezeigt werden dürfen.
Keine Übertragung der Pflegedebatte
ORF-Informationsdirektor
Elmar Oberhauser stellte dazu fest, dass der ORF gerne seinem Auftrag in
vollem Umfang nachgekommen wäre. Durch die Entscheidung der
Nationalratspräsidentin werde es aber keine Übertragung der Pflegedebatte im
Fernsehen geben.