Ringen ums Heer

Darabos: So feuerte er seinen Top-General

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3 Rapporte bei Minister. Er lehnt Zwangs-Pensionierung ab – und fliegt.

Verteidigungsminister Darabos zeigte Montag Härte und schickte seinen Generalstabschef in die Wüste. Der Machtkampf ums Heer ist voll entbrannt.

Der General beim Rapport – ein Bild mit Seltenheitswert. Montag passierte das gleich dreimal (!).

Die Vorgeschichte: Wie ÖSTERREICH berichtete, hatte sich der höchste Militär – Generalstabschef Edmund En­tacher – gegen das von Da­rabos geplante Freiwilligenheer ausgesprochen. Kurios: Entacher hatte am Konzept für das Bundesheer neu selbst mitgearbeitet. Da platzte Dara­bos der Kragen.

Akt 1
Montag 13.30 Uhr wurde Entacher in das Büro seines Ministers zitiert. Zu dem Zeitpunkt war SPÖ-intern abgemacht: Enta­cher muss gehen, ein General mit völlig anderen Ansichten zu einer solchen Schlüsselfrage wie der Wehrpflicht sei untragbar.

Zwei „Auswege“ waren vorbereitet: Sollte Entacher stur bleiben, stand eine Suspendierung im Raum. Oder – diese Variante wurde von Darabos präferiert – der streitbare 61-Jährige soll auf Urlaub gehen und dann um Pension ansuchen.

Entacher hatte sich allerdings akribisch auf das Duell mit seinem Chef vorbereitet: Das profil-Interview, in dem er die Freiwilligenheer-Pläne von Darabos zerlegt hatte, ließ der General sogar von seinem Anwalt auf mögliche Verfehlungen abklopfen, wissen Heeres-Insider. Entacher wies darauf hin, dass er ja nur Darabos’ Bedenken gegen ein Berufsheer zitiert habe – vor dessen Schwenk weg von der Wehrpflicht.

Kurz: Ihm, Entacher, sei keine Verfehlung nachzuweisen. Am späten Nachmittag verließ Entacher Darabos’ Büro wieder.

Akt 2
Um 17 Uhr saß der General wieder bei seinem Minister – doch auch diesmal wollte er nicht weichen. Zwar war die Rede von einem Interview-Verbot, knapp vor 19 Uhr ließ Entacher aber in Telefonaten verlauten: „Ich bin noch im Amt.“

Akt 3
Kurz nach 19 Uhr das dritte Treffen, das kürzeste: Darabos teilte dem General mit, dass er nach §40 des Beamtendienstrechts (dienstliche Gründe) abberufen werde.

Der „dienstliche Grund“ sei ein „Vertrauensverlust“ so Darabos’ Sprecher Stefan Hirsch. Entachers Job übernimmt vorerst sein Stellvertreter Generalleutnant Othmar Commenda.

Um 19.34 Uhr – während der ZiB 1 – machte Darabos den Rauswurf öffentlich: „Durch die öffentlichen Aussagen und den entstandenen Vertrauensverlust sah ich mich im dienstlichen Interesse veranlasst, den Generalstabschef abzuberufen." Die Opposition tobt. ÖVP („Kritiker werden mundtot gemacht“) bis FPK („Nordkorea-Stil“) wetterten – jetzt wird die Heeres-Reform zur Schlammschlacht.

Kanzler Werner Faymann hatte sich vor dem Rapport gegenüber ÖSTERREICH demonstrativ hinter seinen Minister gestellt. Dem Vernehmen nach soll man vor allem in der SPÖ auf eine Machtdemonstration durch Darabos gedrängt haben – dem gab der Minister am Ende nach. Ob Entacher gegen die Entscheidung rechtlich vorgehen wird, ist unklar.

Entacher: 'Verlierer ist österreichisches Volk'

Der Generalstabschef des Bundesheeres stolperte über ein Gespräch mit dem Magazin profil, in dem er die Heeresreform frontal angreift. Insider sind sicher: Er wusste, was er auslöste. Die wichtigsten Passagen:

Frage: Unsere Bedrohungslage hat sich radikal verändert. Was spricht gegen die Abschaffung der Wehrpflicht?
Edmund Entacher: Wir haben schon ein Mischsystem aus Berufsheer, Wehrpflichtigen und Milizsoldaten, mit dem wir bisher alle an uns gestellten Aufgaben gut bewältigen konnten … Beim neuen Modell gibt es dagegen viele offene Fragen.

Frage: Darabos hat Prämien angekündigt: 5.000 Euro für zwei Wochen Übungen pro Jahr sind ja recht ansehnlich.
Entacher: Ich habe große Zweifel, ob dieser Aufwand überhaupt möglich ist. Derzeit haben wir das Geld dafür nicht.

Frage: Das von Darabos bevorzugte Modell soll nicht mehr kosten als jetzt.
Entacher: Nur wenn man die Anforderungen drastisch herunterfährt, stimmt diese Berechnung. Es ist wie bei einer Diät. Sie können natürlich auf 400 Kalorien täglich runtergehen, aber innerhalb kurzer Zeit sind Sie dann wahrscheinlich tot.

Frage: Der Kommandant der Streitkräfte, Generalleutnant Günter Höfler, rechnet pro Jahr immerhin mit bis zu 3.000 Freiwilligen für das Heer.
Entacher: … Für die neuen Personengruppen braucht man ein neues Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrecht. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrungen im Heer bezweifle ich nachhaltig, ob der Wille dazu besteht, das alles politisch umzusetzen. Bisher ist noch jede Bundesheerreform daran gescheitert. Daher bin ich sehr skeptisch, ob diese Rahmenbedingungen erfüllt werden können. Noch dazu, wo es kein Zurück gibt, wenn man die Wehrpflicht aufgibt. Der große Verlierer ist dann nicht das Bundesheer, sondern das ­österreichische Volk.

Frage: Warum?
Entacher: Warum soll ich ein neues System einführen, das voller Risken steckt und bei dem es kein Zurück mehr gibt? Kein vernünftiger Mensch würde das tun. Unser derzeitiges System hat sich dagegen bewährt.

Frage: Sie sind auch Mitglied der SPÖ. Tut Ihnen der Richtungsschwenk der eigenen Partei nicht weh?
Entacher: Natürlich schmerzt mich das. Aber eine große Partei wie die SPÖ befasst sich eben nicht nur mit Wehrpolitik.

Frage: Haben sie jemals an Rücktritt gedacht?
Entacher: Dienstrechtlich gibt es keinen Rücktritt. Und als Generalstabschef kann ich nicht so einfach das Schiff verlassen. Da bin ich dem Bundesheer gegenüber viel zu loyal eingestellt

Offener Machtkampf um Heeres-Reform

Der SP-Verteidigungsminister kämpft seine härteste Schlacht – gegen seinen eigenen Apparat. In einem Job, den er nicht wollte.

Verteidigungsminister – das war für Norbert Darabos (46) ein Albtraumjob. Ex-SP-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer machte den Zivildiener dennoch dazu. Darabos fügte sich. Seit damals – 2007 – hat der studierte Historiker stets mit dem Heeres-Machtapparat zu kämpfen.

Jetzt ficht der 46-jährige Burgenländer freilich seine härteste Schlacht aus: Gegen seine Generäle, seine Offiziere und so manch einen eigenen Parteifreund.

Dabei verteidigt ihn die offizielle SPÖ zwar, wirkliche Verbündete hat der ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer in der roten Spitze dennoch nicht: SP-Bundeskanzler Werner Faymann ist mit dem Vertrauten Gusenbauers nie richtig warm geworden. Für die ÖVP ist Darabos ohnehin Feindbild par excellence.

Dabei ist Darabos – der lange aus Überzeugung gegen ein Berufsheer war – vor allem eines: ein treuer Parteisoldat. Im roten Regierungsteam versteht er sich vor allem mit SP-Infrastrukturministerin Doris Bures gut. Mit ihr managte er schließlich in harten Oppositionstagen die SPÖ. Aber Darabos hat auch mächtige Unterstützer: Wiens Bürgermeister Michael Häupl etwa oder der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl stehen hinter Darabos. Der jetzt allen beweisen will, dass er doch hart sein kann …

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