Zurückweisungen

Das bedeutet der deutsche Asyl-Deal für Österreich

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Einigungspapier: "Auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich".

Nach wochenlangem Streit hat die deutsche Regierung ihren Streit über die Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutsch-österreichischen Grenze beigelegt. Die Spitzen von CDU, CSU und SPD einigten sich am Donnerstagabend auf ein zweiseitiges Papier, das aber weiterhin den von Wien bekämpften Plan enthält, von anderen EU-Staaten nicht gewollte Asylbewerber nach Österreich zurückzuweisen.

Der deutsche Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer zeigte sich hochzufrieden: "Das ist alles von A bis Z so, wie man sich das als zuständiger Bundesinnenminister wünscht." SPD-Chefin Andrea Nahles unterstrich, es werde keine nationalen Alleingänge und "keinerlei Lager" geben. Allerdings hieß es mit Blick auf Österreich: "In den Fällen, in denen sich Länder Verwaltungsabkommen über die direkte Zurückweisung verweigern, findet die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich statt."


ÖVP-FPÖ lehnte Rücknahme von Asylwerbern ab

Die türkis-blaue Bundesregierung hatte am Dienstag die Rücknahme von Asylbewerbern, für die andere EU-Staaten zuständig sind, kategorisch zurückgewiesen. Man werde keine Verträge zum Nachteil Österreichs abschließen, betonten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) in einer eigens einberufenen Pressekonferenz zum am Montagabend beschlossenen Asylkompromiss der Unionsparteien.
 
Seehofer versicherte nach einem Treffen mit der österreichischen Regierungsspitze am Donnerstag, Deutschland werde "weder jetzt noch in der Zukunft Österreich für Flüchtlinge verantwortlich machen, für die es nicht zuständig ist". Kurz betonte, man habe sich verständigt, dass Deutschland "keine Maßnahmen zum Nachteil Österreichs" setzen werde. Strache zeigte sich zufrieden, dass in dem Gespräch "gewisse Dinge, die im Raum gestanden sind, ausgeräumt wurden", und von Seehofer klargemacht worden sei, dass es zu keinen Maßnahmen zum Nachteil Österreichs kommen werde.
 
Das von den Koalitionsparteien beschlossene Papier enthält umfassendere Regelungen im Asylbereich. Statt von "Transitzentren" ist nun in dem Papier von "Transitverfahren" die Rede. Zudem sollen dieses nur jene Flüchtlinge durchlaufen, die bereits einen Asylantrag in einem anderen EU-Staat gestellt haben. Diese sollen in einen "Transferverfahren" innerhalb von 48 Stunden überprüft werden, heißt es. Dies soll in Grenznähe in bestehenden Räumlichkeiten der Bundespolizei stattfinden oder direkt nach einem Transport zum Flughafen München. Dabei handelt es sich laut Seehofer um höchstens fünf Fälle täglich. Auf die Frage, ob sich der ganze Streit deswegen gelohnt habe, sagte Seehofer am Donnerstagabend: An der Grenze werde nun der Rechtstaat durchgesetzt. "Da kommt's nicht auf die Masse an."


Strache bekräftigt: Keine Rücknahmen durch Österreich

Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hat nach der deutschen Asyleinigung bekräftigt, dass Österreich keiner Rücknahme von Asylbewerbern aus anderen EU-Staaten durch Deutschland zustimmen werde.

"Wir haben gestern sehr klar gemacht und mit dem deutschen Innenminister (Horst) Seehofer festgelegt, dass wir keine Rücknahmen vornehmen werden", sagte Strache vor einem Treffen mit der EU-Kommission am Freitag in Wien.

Strache verwies darauf, dass in dem von den deutschen Koalitionsparteien am Donnerstagabend beschlossenen Papier "sehr deutlich" drinstehe, dass Vereinbarungen mit anderen EU-Staaten gesucht werden. Der deutsche Innenminister Seehofer müsse nun versuchen, solche Abkommen mit Italien und Griechenland "zu machen".

Das von den Spitzen von CDU, CSU und SPD am Donnerstagabend angenommene Papier formuliert wörtlich folgendermaßen: "(Es) sollen künftig an der deutsch-österreichischen Grenze Personen, die bereits in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union einen Asylantrag gestellt haben, direkt in das zuständige Land zurückgewiesen werden, sofern mit diesem Mitgliedstaat ein Verwaltungsabkommen abgeschlossen oder das Benehmen hergestellt wurde, dass er die Antragsteller wieder zurücknimmt. In den Fällen, in denen sich Länder Verwaltungsabkommen über die direkte Zurückweisung verweigern, findet die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich statt."

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) äußerte sich bei seinem Eintreffen im Austria Center Vienna nicht vor den wartenden Journalisten.


Kurz verweist auf Zusicherungen Seehofers

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat nach der deutschen Asyleinigung neuerlich auf die gegebenen Zusicherungen des deutschen Innenministers Horst Seehofer verwiesen, wonach Berlin keine Flüchtlinge an Österreich zurückweisen werde, für die es nicht zuständig sei. "Er hat also ausgeschlossen, dass es zu dem kommen wird, was hier tagelang im Raum gestanden ist", sagte Kurz am Freitag in Wien.

"Darüber hinaus gilt festzuhalten, dass wir ohnehin nicht bereit gewesen wären, Verträge zulasten unseres Landes abzuschließen", bekräftigte Kurz die Position Österreichs. In dem am Donnerstagabend von den deutschen Regierungsparteien beschlossenen gemeinsamen Papier ist weiterhin die Rede davon, dass Deutschland Asylbewerber, für die andere EU-Staaten zuständig sind, an Österreich zurückweisen werde, und zwar auf Basis einer bilateralen Vereinbarung.

Seehofer habe dies am gestrigen Donnerstag nicht nur im Gespräch mit der Regierungsspitze in Wien gesagt, "sondern danach auch medienöffentlich versichert, dass es keine Zurückstellungen nach Österreich geben wird von Flüchtlingen, für die wir nicht zuständig sind", sagte Kurz. "Das ist gut und wichtig, weil wir haben kein Interesse an einer Überforderung Österreichs."

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte bei seinem Eintreffen beim Austria Center Vienna zum Thema nationale Alleingänge in der Flüchtlingspolitik: "Das ist nicht so mein Eindruck. Ich glaube, dass einige ihre Kopie revidiert haben gestern", so Juncker mit Blick auf das gemeinsame Papier der deutschen Regierungsparteien, das sich inhaltlich von dem Unions-Kompromiss am Montag unterscheidet.


Transferzentren ursprüngliche Forderung der Union

Ursprünglich hatte die Union gefordert, dass alle in anderen Staaten registrierten Flüchtlinge durch sogenannte Transferzentren geleitet werden - also auch die, die zwar registriert sind, aber noch keinen Asylantrag gestellt hatten. Für diese Gruppe von Flüchtlingen soll künftig ein besonderes, beschleunigtes Verfahren in den geplanten Anker-Einrichtungen gelten. Dabei werde aber nicht das Asylverfahren selbst gestartet, heißt es in dem Papier. "Es ist auf die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin-Verordnung beschränkt." Das Innenministerium soll "zeitnah" Vorschläge für ein beschleunigtes Vorgehen vorlegen. "Ziel ist der Abschluss eines Dublin-Verfahrens in wenigen Tagen."
 
Im Falle Spaniens und Griechenlands soll geprüft werden, wie von dort Flüchtlinge im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland kommen können. Dies gilt als Gegenleistung für die Zusage beider Staaten, dort registrierte Flüchtlinge von Deutschland zurückzunehmen. Zudem sagte Seehofer der SPD zu, dass er dem Kabinett bis Ende des Jahres ein Einwanderungsgesetz vorlegen werde. "Insgesamt haben wir also eine gute Lösung gefunden", sagte Nahles.
 
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer begrüßte die Einigung im Koalitionsausschuss. "Damit versammelt sich die gesamte Regierungskoalition hinter dem Ziel, Migration zu ordnen, zu steuern und zu begrenzen", sagt sie. Nun sei klar, dass Deutschland "nicht unilateral, unabgestimmt und zulasten Dritter", sondern mit den EU-Partnern handeln werde, sagte sie. "Diese Verständigung macht es möglich, dass Migrationspolitik wirksam ist, dass sie menschlich bleibt und dass sie gemeinsam gelingen kann."
 
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