Zehn Jahre danach

Der Tag, an dem Jörg Haider starb

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„Mythos“ oder „Brandstifter“? Jörg Haider war der erste Rechtspopulist Europas.

Um 1.15, in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2008 kam Jörg Haiders Phaeton auf einer Landstraße in Klagenfurt von der Straße ab. Wenige Sekunden darauf war jener Mann, der die heimische Politik seit 1986 in Atem gehalten hatte, tot.

Zehn Jahre nach seinem Tod ist seine Bilanz so umstritten, wie zu seinen Lebzeiten. Während seine Polit-Erben ihn als „Mythos“ ansehen, kritisiert das restliche Österreich den langjährigen FPÖ-Chef als „Brandstifter“, der sein Kärnten fast in den Konkurs getrieben hatte.

Seine Ausländerpolitik ist heute Realität geworden

1986 wurde Haider beim legendären „Putsch-Parteitag“ der FPÖ als Chef inthronisiert – von jenen stramm deutschnationalen Burschenschaftern, von denen er sich 2005 abspaltete.

Jörg Haider wurde 1989 der erste freiheitliche Landeshauptmann von Kärnten. 1991 wegen seinem Lob „für die ordentliche Beschäftigungspolitik“ der Nazis abgewählt, bevor er 1999 wieder Kärnten eroberte.

Mit seinem Anti-Ausländer-Volksbegehren spaltete er 1993 das Land. Heute sind neun seiner damals zwölf Forderungen Realität. Er führte die FPÖ 2000 in eine schwarz-blaue Koalition, bevor er diese selbst sprengte. Vor zehn Jahren drückte er aufs Gas und raste alkoholisiert in den Tod.

Jörg Haider
© oe24

Im ÖSTERREICH-Buch über Jörg Haider werden Aufstieg und Fall des ersten Rechtspopulisten beleuchtet.

Um 1.15 Uhr kommt der schwarze Phaeton von der Straße ab. Das Auto überschlägt sich. Der prominente Lenker ist tot. Es ist Jörg Haider, der in dieser Nacht zum 11. Oktober in Klagenfurt stirbt. Es ist ein Unfalltod, der immer wieder untersucht wurde. Mit 1,8 Promille im Blut hatte sich Haider in dieser Nacht im Oktober 2008 selbst ans Steuer gesetzt, zu viel Gas gegeben und sein Leben ausgehaucht. Ein Tod, der viele erschüttert hatte, ein Tod, der wie sein Leben viele Verschwörungstheorien heraufbeschworen hatte und bis heute heraufbeschwört.

„Habe mich verändert“. Es war ein ganz normaler 10. Oktober für den damaligen Landeshauptmann. Ein Tag, an dem die Kärntner der Volksabstimmung gedenken. Haider hatte diesen Tag schon oft als Landeshauptmann gefeiert. Ein wenig anders ist es diesmal. Wenige Tage zuvor hatte er erfolgreich den Sisyphos gegeben und sein BZÖ bei der Nationalratswahl 2008 auf 10 Prozent gepusht. Haider ist im Hoch.

Von Fest zu Fest. An diesem 10. Oktober 2008 wird er als Landeshauptmann überall freundlich begrüßt. Der Wahlkampf hat seine Spuren hinterlassen, er hatte wieder einmal eine One-Man-Show abgezogen. Und wie in fast jedem Wahlkampf der letzten Dekade hatte er großteils auf Alkohol verzichtet. Nach der Wahl kann er nun wieder loslassen.

Am Abend besucht er die Lokaleröffnung eines Freundes von ihm. Aber statt ins Bärental zu seiner Familie weiterzufahren, taucht er gegen 21 Uhr noch in der Diskothek Le Cabaret in Velden auf. Dort trifft er auch auf seinen damaligen Pressechef Stefan Petzner. Haider sei dann zurück nach Klagenfurt gefahren. Seinem Chauffeur – auch das war nicht unüblich für Haider außerhalb von Wahlkampfzeiten – hatte er längst freigegeben.

Haider besucht noch den Stadtkrämer, ein Schwulenlokal, das Haider bereits kennt. Dort trinkt er – zur Überraschung einiger Gäste – Wodka. Er wirkt alkoholisiert. Ein Gast sollte später dem Staatsanwalt schreiben, dass man ihm angeboten habe, ihn zu fahren. Haider wollte selbst fahren.

Der Stadtkrämer und jede Menge Wodka. Zehn Minuten nachdem er den Stadtkrämer verlassen hatte, war er tot.

Claudia Haider im oe24.TV-Interview: "Seine Ideen werden umgesetzt"

oe24.TV: 10 Jahre ist Jörg Haiders Tod her. Wenn Sie auf diese Zeit retour blicken, was ist das größte politische Vermächtnis von ihm?

Claudia Haider: Es ist unwahrscheinlich viel von meinem Mann geblieben. Es ist noch eine Liebe der Menschen da, es vergeht kein Tag, wo nicht irgendwer mich auf meinen Mann anspricht, mir Glück wünscht. Politisch hat er sehr viel hinterlassen, wenn ich die heutigen Zeitungen lese, sehe ich seine Ideen, die jetzt umgesetzt werden. Er war immer ein Visionär, die Um­setzung, die heute passiert, erfüllt mich mit großer Freude.

oe24.TV: War es so, dass er nach einem Arbeitstag mit seinen Ideen und Vorstellungen nach Hause gekommen ist? Wie kann man sich das Leben bei den Haiders vor­stellen?

Haider: Wir sind ein hoch politisches Haus und es wurde über Politik gesprochen. Mein Mann hat die Meinung von vielen Menschen gesammelt, um sich dann ein eigenes Bild zu machen, ich war eine von denen, mit denen er gesprochen hat.

oe24.TV: Hat Ihnen der Kult um Jörg Haider Angst gemacht? Wenn ihn so viele verehren und ihn viele aber kritisieren und Drohungen ausstoßen, wie schwierig war das Leben?

Haider: Ich bin überrascht, dass das Wort Kult im Zusammenhang mit meinem Mann kommt. Viele haben gesagt, „Er spricht endlich aus, was ich denke“, und das ist eine große Gabe und Fähigkeit.

oe24.TV: Was hat ihm – außerhalb der Familie – Kraft gegeben?

Haider: Sicher war der Sport eine große Quelle der Kraft. Seine Chauffeure waren verzweifelt, weil immer zwei, drei Sporttaschen gepackt im Auto sein mussten. Er war ein begeisterter Bergsteiger, hat in der Natur viel Kraft bekommen und war ein religiöser Mensch.

Claudia Haider
© TZOE/Raunig

Claudia Haider im Talk mit oe24.TV-Programmdirektorin Sabrina Blagojevic.

oe24.TV: Hat er regelmäßig gebetet?

Haider: Wir waren am Sonntag vor seinem Todestag in der Kirche, er hat die Kommunion empfangen, das war mir ein großer Trost.

oe24.TV: Wie haben Sie vom Tod Ihres Mannes erfahren?

Haider: Es war ein schöner Herbsttag. Als uns in der Früh die Staatspolizei die fürchterliche Nachricht überbracht hat, ist uns der Atem abhandengekommen und die Welt ist still gestanden. Unser persönliches Gefühl hat viele Menschen in diesem Land getroffen.

oe24.TV: Es gab dann eine große Beerdigung, wie war der Tag für Sie, als so viele Menschen dastanden?

Haider: Das war die offizielle Verabschiedung, da waren unendlich viele Menschen anwesend. Dann auch noch die Menschen auf der Straße – das war ein Gefühl, man ist nicht alleine mit seiner Trauer. Das hat mich sehr getragen. Die wirkliche Beerdigung hat im kleinen Familienkreis stattgefunden. Das war uns auch wichtig, dass wir das noch einmal für uns haben können.

(Interview geführt von Sabrina Blagojevic)

Claudia Haider
© TZOE/Raunig

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