Die Kärntner Freiheitlichen konnten auf einen schier kometenhaften Aufstieg seit den 1980er-Jahren zurückblicken.
Unter Jörg Haider wurde man im zuvor roten Bundesland stärkste Kraft, Rückschlägen und einer Parteiumbenennung folgte der Gipfel der Macht mit knapp 45 Prozent im Jahr 2009. Der Absturz vier Jahre später schien die Partei hinter der SPÖ einzuzementieren - dennoch macht man sich derzeit auch angesichts der politischen Bundes-Wetterlage Hoffnungen auf mehr.
Kärnten als erste der VdU-Landesgruppen zur "Freiheitspartei"
Am 5. Juni 1955 hatte in Klagenfurt die Gründungsversammlung der "Freiheitspartei" Kärntens stattgefunden, die aus dem "Verband der Unabhängigen" (VdU) hervor gegangen war. Als erste der VdU-Landesgruppen waren die Kärntner einen Monat zuvor zur "Freiheitspartei" übergetreten. Am 3. November 1955 wurde bundesweit die "Freiheitliche Partei Österreichs" (FPÖ) ins Leben gerufen. Bei den folgenden Nationalratswahlen 1956 erzielten die Kärntner Freiheitlichen mit 15,1 Prozent das beste Ergebnis aller Bundesländer.
1983 wurde Jörg Haider - seit 1976 Parteisekretär - Landesrat und noch im gleichen Jahr auch Parteichef. Bei der Landtagswahl 1984 holten die Blauen - nach zuvor lange nur elf bis zwölf - knapp 16 Prozent. 1986 wurde Haider auch Bundesparteichef, drei Jahre später brach die FPÖ bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit der Kärntner SPÖ und errang 29 Prozent. Haider wurde mit Hilfe der ÖVP Landeshauptmann, verlor die Funktion zwei Jahre später allerdings aufgrund seines Ausspruchs zur "ordentlichen Beschäftigungspolitik" im Dritten Reich wieder.
Es ging trotzdem weiter nach oben: 1994 erzielten die Freiheitlichen in Kärnten 33,3 Prozent, fünf Jahre später wurden sie schließlich mit 42,1 Prozent stärkste politische Kraft des Landes, und an der neuerlichen Wahl Haiders zum Regierungschef führte kein Weg mehr vorbei. Eine Bestätigung des Erfolges gab es 2004 mit 42,4 Prozent und der Wiederwahl Haiders. Am 4. April 2005 gab Haider die Gründung des BZÖ bekannt. Die "Freiheitlichen in Kärnten" trennten sich auf einem außerordentlichen Parteitag von der FPÖ. Bei der Nationalratswahl 2008, bei der die nunmehr orange Partei gegen die verbliebene FPÖ unter Heinz-Christian Strache kandidierte, erreichte das BZÖ mit Haider als Spitzenkandidaten knapp elf Prozent.
Am 11. Oktober 2008 verunglückte Haider bei einem Autounfall südlich von Klagenfurt tödlich. Er hatte 1,8 Promille Alkohol im Blut. Uwe Scheuch wurde zum Obmann des Bündnisses in Kärnten gewählt. Die darauffolgende Landtagswahl verlief erfolgreich: Am 1. März 2009 erreichte die FPK knapp 45 Prozent. Gerhard Dörfler, der bereits seit Haiders Ableben dessen Funktion an der Regierungsspitze übernommen hatte, blieb Landeshauptmann.
Die Freiheitlichen blieben nach Haiders Tod aber nicht lange orange: Am 16. Dezember 2009 kehrten die "Freiheitlichen in Kärnten" zur Bundes-FPÖ zurück. Das BZÖ gründete sich zwar neu, kam 2013 auch mit zwei Mandaten (6,4 Prozent) wieder in den Landtag, ist inzwischen aber bedeutungslos. In den Reihen der Freiheitlichen gab es unterdessen Korruptionsaffären, Ermittlungen und später auch Strafprozesse. Scheuch trat 2012 zurück, ihm folgte sein Bruder Kurt. Nach dem Totalabsturz bei der Landtagswahl 2013 - die Blauen verloren 28 Prozentpunkte beziehungsweise elf ihrer zuvor 17 Mandate - trat auch dieser zurück, es folgte Christian Ragger.
Im Mai 2016 musste Ragger für Gernot Darmann Platz machen. Bei der Wahl 2018 gewannen die Freiheitlichen - wohl auch wegen des implodierenden BZÖ, dessen sechs Prozentpunkte fast 1:1 zum freiheitlichen Ergebnis hinzukamen - deutlich dazu, stabilisierten sich bei 22,96 Prozent. Doch erstmals seit langem blieb die Partei ohne Landesratsposten, in den Jahren zuvor war nämlich das Proporzsystem abgeschafft worden, ab 2018 regierte eine Koalition aus SPÖ und ÖVP.
Am 1. Juni 2021 gab es schließlich die nächste Rochade an der Parteispitze: Darmann blieb weiter Klubobmann im Landtag, machte die Parteispitze aber frei für den Bürgermeister von Mühldorf (Heimatgemeinde der Scheuch-Brüder, Anm.) und Nationalratsabgeordneten Erwin Angerer. Dieser wurde wenige Monate später mit mehr als 95 Prozent der Stimmen als Parteichef bestätigt und meldete im aktuellen Wahlkampf auch gleich den Anspruch auf den Landeshauptmannsessel an. Auftrieb ortet Angerer durch die aktuell guten Werte für die FPÖ auf Bundesebene und das Wahlergebnis in Niederösterreich. Diese Voraussetzungen will man nun im Wahlkampf zu Ergebnissen verwandeln. In diesen steigt die FPÖ am kommenden Freitag offiziell ein - mit Unterstützung durch Parteichef Herbert Kickl.