Versäumnisse und Planlosigkeit

Energieversorgung: Neuer Schlagabtausch zwischen SPÖ und ÖVP

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Die SPÖ wirft der Regierung Versäumnisse und Planlosigkeit  vor, die ÖVP spricht von "parteipolitisch motivierten Lügen" 

Die SPÖ hat der Bundesregierung am Samstag neuerlich schwere Versäumnisse und Planlosigkeit bei der Sicherung der Energieversorgung in Österreich vorgeworfen. Das sei auch der Grund, warum der Faserhersteller Lenzing seine Produktion in Heiligenkreuz im Südburgenland zurückfahren und Mitarbeiter im Kurzarbeit schicken müsse, sagte SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter am Samstag in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz.

Wegen der hohen Energiepreise sei eine kostendeckende Produktion für Lenzing an dem Standort nicht mehr möglich, sagte Matznetter. Am vergangenen Freitag sei alleine das Wartungsfenster für die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 der Grund für die "völlig exzessive Entwicklung der Preise mit Mondpreisen" gewesen, seit gestern (Freitag) sei bekannt, dass über Nord Stream 1 weiterhin kein Gas komme.

Regierung weiter untätig

Im Gegensatz etwa zum deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sei die österreichische Regierung aber immer noch untätig, "und das ist ein Zustand der lebensgefährlich ist, auch für ein Staatsschiff", sagte Matznetter. "Hätte diese Regierung, nachdem vor dem Sommer das Energiekostenbezuschussungsgesetz beschlossen wurde, die Richtlinien bereits erlassen, könnten die Unternehmen beantragen und könnten ihre Produktion aufrecht erhalten."Aber die zuständigen Minister Martin Kocher, Magnus Brunner (beide ÖVP) und Leonore Gewessler (Grüne) seien den Sommer über untätig gewesen.

Auf europäischer Ebene habe die österreichische Regierung jede Form von Markteingriffen blockiert, weil sie aus ideologischen Gründen der Meinung sei, dass der Markt immer recht habe.

Strompreisbremse 

SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll warf der Regierung vor, auch bei der "Strompreisbremse" säumig zu sein, die ja bis Ende August versprochen worden sei. Beim Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, das am 7. Juli 2021 beschlossen worden sei, würden nach wie vor Verordnungen fehlen. Das Energieeffizienzgesetz sei am 1. Jänner 2021 ausgelaufen und seither nicht in Kraft. Wegen des fortgesetzten Stillstands der Gaspipeline Nord Stream 1 sei mit einem weiteren Anstieg des Gaspreises zu rechnen, die Regierung habe dazu aber keine Strategie vorgelegt. Beim Anlegen der im März beschlossenen strategischen Gasreserve komme man auch nur langsam voran. "20 Terawattstunden wurden vom Parlament beschlossen", dem habe auch die SPÖ zugestimmt, "mit 24. August 2022, 6 Uhr, beträgt die Einspeicherung 1,931 Terawattstunden."

Matznetter verteidigte neuerlich die Termingeschäfte der Wien Energie, die seit einer Woche ausgesetzt sind. Die Wien Energie habe ihre Geschäfte 24 Monate im Voraus durchgeführt und könne die Termingeschäfte deshalb kurzfristig auch aussetzen, auf Dauer sei das aber nicht möglich, so Matznetter.

Wien-Energie-Geschäftsführers Michael Strebl erklärte heute (Samstag) per OTS, man habe bereits am 30. August kommuniziert, dass man den Verkauf von Strom am Terminmarkt - "im Sinne einer kurzfristigen Notfall-Maßnahme" - vorläufig aussetzen werde. "Der Handel am Spotmarkt und zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit geht selbstverständlich weiter." Generell müsse man für den Spotmarkt im Vergleich zum Termingeschäft weniger Sicherheiten hinterlegen, er biete allerdings deutlich weniger Preisstabilität. Strebl betonte auch, "dass wir mehr Strom erzeugen als wir verkaufen". Die kolportierten Mengen (16,88 TWh) erklärte Strebl damit, dass darin auch Handelsbewegungen für die Jahre 2022/2023 enthalten seien. Die 16,88 TWh würden auch konzerninterne Lieferungen enthalten.

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian forderte neuerlich preissenkenden Maßnahmen, "vor allem eine Entkoppelung des Strompreises vom Gaspreis". Den jetzt an die Öffentlichkeit gelangte Entwurf der Europäischen Kommission bezeichnet Katzian als "unzureichend und enttäuschend". Ähnlich äußerte sich auch die Arbeiterkammer.

ÖVP kontert

ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner warf der SPÖ "parteipolitisch motivierte Lügen" vor, mit denen nur vom eigenen Versagen abgelenkt werden solle. Zuvor hatte bereits ÖVP-Landesparteiobmann Stadtrat Karl Mahrer in den Raum gestellt, dass (nach Berichten, wonach die Wien Energie ihre Termingeschäfte schon vergangene Woche gestoppt habe) "der vielzitierte 'Verrückte Freitag' womöglich gar nicht der Grund für die Zuschussverpflichtung von mehreren Milliarden Euro" gewesen sein könnte. Die Wien Energie hätte sich "angesichts der angespannten Situation viel früher von hochriskanten Geschäften zurückziehen müssen".

Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp fordert unterdessen die "sofortige Offenlegung der Cash-Pooling Verträge" in der Causa Wien Energie. Die FPÖ habe aufgedeckt, "dass bereits im Laufes des Jahres zwei Milliarden Euro aus anderen Gesellschaften der Stadtwerke AG zur Wien Energie transferiert wurden". Wien Energie-Aufsichtsratschef Peter Weinelt habe "diese dubiose Vorgangsweise" - "nach einem heftigen Dementi der Wien Energie" - doch zugeben müssen. "Wir wollen sofort wissen, ob und in welchem Ausmaß etwa den Wiener Linien, den Wiener Netzen, der Bestattung Wien oder den Wiener Lokalbahnen hunderte Millionen Euro weggenommen wurden, um mit diesem Geld die Spekulationsgeschäfte der Wien Energie zu bedecken", so Nepp am Samstag.

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