Grasser im Interview:

"Es gibt nichts, was illegal war"

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Sechs Monate hat Karl-Heinz Grasser geschwiegen – jetzt nimmt er in einem ausführlichen Interview mit ÖSTERREICH zu seinem Verfahren Stellung.

Es war ein ungewöhnliches Interview. Nach langer Zeit spricht Karl-Heinz Grasser wieder öffentlich zu seinem – mittlerweile schon über 25 Monate laufenden – Ermittlungsverfahren.
In mehr als 25 Klagen hat KHG gegen ÖSTERREICH prozessiert, weil er sich ungerecht kritisiert und vorverurteilt fühlte.
ÖSTERREICH hat ganz bewusst zugestimmt, Grasser ausführlich Raum für seine Darstellung der Sachverhalte zu geben.
Es gehört zu den Grundzügen eines Rechtsstaates, dass ein Beschuldigter mindestens so viel Raum für seine Darstellung der Vorgänge haben muss wie die ermittelnden Staatsanwälte, deren Akten ständig in Zeitungen und Magazinen auftauchen.
Grasser hat die Einstellung aller Verfahren beantragt
Über zwei Stunden lang hat Grasser mit ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner über seine Sicht des Verfahrens gesprochen. Er hat mittlerweile Einstellungsanträge für alle sechs gegen ihn laufenden Verfahren eingebracht – eine Richterin dürfte noch vor Weihnachten entscheiden, ob die Ermittlungen tatsächlich eingestellt werden. Grasser betont, dass er mittlerweile „mehrere Hunderttausend Euro“ an Kosten für Anwalt und Gericht habe, dass er keinen Job und keine Aufträge mehr findet – und ein langes Verfahren auch wirtschaftlich nicht durchstehen würde.
Ein Interview in 4 Teilen – über zwei Stunden lang
In vier Teilen bringt ÖSTERREICH das Grasser-Interview. Teil 1 erschien gestern und brachte Grassers Anklage gegen das „Komplott“, das er hinter seinem Verfahren sieht. Grasser kritisierte den wiederholten Rechtsbruch durch die ständige Veröffentlichung von einseitig ausgewählten Akten in Medien und die für ihn unzumutbare Verschleppung des Verfahrens, das sich nun schon 25 Monate zieht.
Heute nimmt Grasser zu den Vorwürfen bei Buwog und rund um seine Kontennetzwerke Stellung.
Morgen spricht er über ein mögliches Polit-Comeback, wie er die Euro-Krise sieht, warum er Griechenland in die Pleite schicken und den Euro auf eine Kernzone reduzieren würde.
Mittwoch in Teil 4 spricht Grasser über sein Leben unter ständigem Druck und über seine Familie.

ÖSTERREICH: Herr Grasser, Sie haben bei Gericht Einstellungsanträge für alle Ihre Verfahren gestellt.
Karl-Heinz Grasser: Ja, weil eine Einstellung aller Verfahren gegen mich die einzige Entscheidung ist, die gerechtfertigt ist. Die Staatsanwaltschaft hat 25 Monate – über 2 Jahre – jedes Sandkorn, das sie gegen mich gefunden hat, dutzendfach umgedreht – und es gibt nichts, was eine Anklage rechtfertigt. Deshalb gibt es ja keine. Aber statt das Verfahren einzustellen, wird jede Woche völlig gesetzwidrig eine neue Vermutung, eine neue Unterstellung gegen mich in Zeitungen lanciert.
ÖSTERREICH: Zum Beispiel wird Ihnen vorgeworfen, dass eines der drei Konten, auf die Ihr Freund Meischberger Teile der 10-Millionen-Provision für das Buwog-Geschäft überwiesen hat, Ihnen zuzurechnen sei.
GRASSER: Das ist in höchstem Ausmaß skurril und definitiv falsch. Aus den Akten weiß ich, dass Meischberger dieses angebliche Konto bereits im Jahr 2001 eröffnet hat. Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass der Herr Meischberger 2001 ein Konto eröffnet und damals schon weiß, dass er im Jahr 2004 ein Buwog-Lobbying machen wird, dafür 2006 eine Provision kassieren wird und diese dann 2007 angeblich – was ja nicht stimmt – an Freunde verteilen wird. Gibt es irgendjemand auf der Welt, der ein Konto sechs Jahre früher eröffnet, damit er sechs Jahre später dem Grasser eine Provision auszahlen kann? So ein Schwachsinn.
ÖSTERREICH: Denkbar wäre, dass Meischberger als Ihr bester Freund Konten für Sie eröffnet hat.
GRASSER: Ganz sicher niemals! Ich weiß nicht, welche Konten Walter Meischberger hat – es hat mich auch nie interessiert. Ich habe mit Meischbergers Konten nichts zu tun und verwahre mich aufs Schärfste gegen die Erfindungen zu meinen Lasten.
ÖSTERREICH: Sie geben aber zu, dass die ganze Buwog-Privatisierung eine sehr schlechte Optik hat.
GRASSER: Da widerspreche ich entschieden. Buwog-Privatisierung ist professionell und mit einem sehr guten Ergebnis für die Republik und Steuerzahler umgesetzt worden. Und es ist mittlerweile aus allen Zeugenaussagen erwiesen, dass ich den Betrag, den die Bieter für die Buwog geboten haben, beim besten Willen nicht kennen konnte – der lag in einem versiegelten Kuvert beim Notar. Es ist also völlig ausgeschlossen, dass ich dem Meischberger irgendeine Information über den Bieterbetrag geben konnte – weil ich ihn nicht kannte. Auch der jetzige Chef der Immofinanz, Doktor Zehetner hat gesagt, dass damals etwa 100 Leute die Informationen hatten, die auch Walter Meischberger hatte. Dass ein privates Unternehmen wie die Immofinanz einen erfolgsabhängigen Provisionsvertrag mit Peter Hochegger und Walter Meischberger abgeschlossen hat, habe sicher nicht ich zu verantworten.
ÖSTERREICH: Nur war halt der Meischi Ihr bester Freund.
GRASSER: Das ist zugegeben die einzige schlechte Optik bei dem Ganzen. Aber dass ich mit dem Ganzen was zu tun hatte, weise ich dezidiert zurück.
ÖSTERREICH: Der Mann war Ihr Trauzeuge?
GRASSER: Deshalb habe ich auch vollstes Verständnis, dass meine Rolle untersucht wird. Aber ich habe kein Verständnis, dass diese Untersuchung nach 25 Monaten noch immer nicht abgeschlossen ist. Mein Problem ist ein verteufeltes: Ich kann natürlich nicht beweisen, dass etwas nicht stattgefunden hat. Ich kann nicht beweisen, dass ich dem Meischberger keine Information gegeben habe. Etwas, was nicht stattgefunden hat, können Sie nicht beweisen.
ÖSTERREICH: Welcher Teufel hat Sie denn geritten, ausgerechnet mit Meischberger und Hochegger gemeinsam nach Ihrem Ausscheiden aus der Politik eine Firma, die „Valora Solutions“, zu gründen?
GRASSER: Ich bin in die „Valora Solutions“ eingetreten, weil ich mit zwei Bekannten ein Beratungsunternehmen starten wollte. Wir wollten PR- und Wirtschafts- und Finanzberatung von höchster Qualität anbieten. Und ich hatte damals keine Ahnung, dass die beiden in ein Buwog-Lobbying verstrickt waren.
ÖSTERREICH: Und warum haben Sie auch noch eine gemeinsame Firma mit dem Herrn Plech, der ebenfalls in den Buwog-Skandal verstrickt sein soll?
GRASSER: Weil ich mit einem anerkannten Profi auch Immobiliengeschäfte machen wollte. Aus beiden Firmen bin ich seit Langem ausgestiegen. Ich hab dort nie Geld verdient und bin zu Meinl Power gegangen.
ÖSTERREICH: Aber die Optik ist doch fatal, wenn Sie sowohl mit den Buwog-Lobbyisten als auch mit dem Buwog-Aufsichtsratschef eine Firma gründen?
GRASSER: Also ich sehe da gar keine schlechte Optik. Der Aufsichtsrat der Buwog hat die Bietersumme ganz sicher nicht gekannt. Der konnte sie nicht wissen, weil das in einem versiegelten Kuvert beim Notar gelegen ist und Ernst Plech nicht einmal der Vergabekommission angehört hat. Der neue Chef der Immofinanz hat ja gesagt, er wird die Herren Hochegger und Meischberger auf Rückzahlung der Provision klagen, weil damals seiner Meinung nach über 100 Personen in Wien den Bieterbetrag wussten – alle Anwälte, Berater, sogar ­Sekretärinnen.
ÖSTERREICH: Trotzdem hat Ihr Freunderl-Netzwerk offenbar kräftig bei den Privatisierungen abkassiert.
GRASSER: Sie können doch mich als Ex-Politiker nicht strafrechtlich für die Geschäfte meiner Freunde verantwortlich machen. Viele Politiker haben Probleme mit angeblichen Freunden. Franz Vranitzky hatte Flöttl als Freund und von ihm einen Millionenauftrag erhalten. Alfred Gusenbauer war bei Peter Hochegger auf der Payroll – wird gegen die ermittelt?
ÖSTERREICH: Aber kaum ein Politiker hat ein so kompliziertes Geflecht an ausländischen Konten und Stiftungen wie Sie.
GRASSER: Da ist gar nichts kompliziert. Ich habe alle meine Konten, alle Zahlungsbewegungen dem Staatsanwalt schon im Oktober 2010 freiwillig offengelegt. Ich selbst habe eine Stiftung gegründet und bin bei zwei Stiftungen der wirtschaftlich Berechtigte. Ich habe nichts zu verstecken, ich hab alles transparent gemacht. Bei den betreffenden Stiftungen haben zwei Rechtsanwälte, die hoch angesehen sind, schriftlich bestätigt, dass auf den Stiftungskonten ausschließlich Geld aus meiner Tätigkeit bei Meinl Power eingezahlt worden ist. Kein anderes Geld. Und der Herr Staatsanwalt weiß mittlerweile ganz genau, dass von den etwa 9 Millionen, die Meischberger und Hochegger an Provision für die Buwog erhalten haben, kein einziger Euro an mich geflossen ist.
ÖSTERREICH: Der Staatsanwalt unterstellt aber, dass eines der drei Meischberger-Konten zu Ihnen führt.
GRASSER: Das ist Science-Fiction. Bei meiner ersten Einvernahme wurde ich gefragt, ob mir die Zahlenkombination 15444 was sagt. Ich hatte keine Ahnung.
ÖSTERREICH: Von dem Geld wurde in Ihre Firmen investiert?
GRASSER: Nicht in meine Firmen, sondern Walter Meischberger hat Aktien gekauft. Und wissen Sie warum? Weil ich damals jedem – gerade auch dem Meischberger – gesagt habe, wenn ich Geld hätte, würde ich es in Meinl-Power-Aktien geben, weil die so krass unterbewertet waren, dass man damit viel Geld verdienen konnte. Ist ja logisch, dass mein damals bester Freund sein ­eigenes Geld dort anlegt, wenn ich ihm sage, da ist viel drin. Aber er hat – wie ich heute weiß –auch in ­Vöest und zig andere Aktien investiert, mit denen ich nichts zu tun hatte.
ÖSTERREICH: Ist es nicht ungewöhnlich, wenn ein Finanzminister 500.000 Euro in Cash aus dem Ausland abholt und sagt, die seien von seiner Schwiegermutter?
GRASSER: Das war nicht ungewöhnlich, sondern legal. Es war Wochenende, ich war bei der Mutter meiner Frau in der Schweiz, sie wollte, dass ich ihr Geld anlege. Und ich habe sogar extra im Finanzministerium angerufen, um zu fragen, ob ich das Geld nach Österreich einführen darf oder ob ich es beim Zoll deklarieren muss. Die Antwort war: völlig legal. Das war hochoffiziell versteuertes Geld, das ich völlig legal nach Wien gebracht habe.
ÖSTERREICH: Aber die Optik ist äußerst schräg?
GRASSER: Überhaupt nicht. Zeigen Sie mir einen Geschäftsmann, der noch nie mit Bargeld unterwegs war.  Ich habe etwas völlig Erlaubtes getan. Und ich lasse mir von niemandem im Land sagen, die Optik wäre schlecht, wenn ich etwas völlig Legales mache. Illegal ist das, was gegen mich getan wird: Alle für mich negativen Aktenbestandteile werden gezielt der Öffentlichkeit zugespielt, die Medien werden zur Hausdurchsuchung eingeladen, mein Verfahren wird nicht eingestellt. Das ist ein Skandal und daher hoffe ich, dass die Staatsanwaltschaft die Größe haben wird, dieses zu beenden. Sie haben alles kontrolliert, nichts gefunden. Die Strafprozessordnung verpflichtet die Ermittler zur Objekti­vität. Daher hoffe ich auf Fairness und Gerechtigkeit und die baldige Einstellung dieser Verfahren.

 

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