Mobilisierung

Expertin: Ibiza-Video wird langfristig FPÖ helfen

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Die Freiheitlichen können die Ibiza-Affäre für Mobilisierung nützen.

Die Sprachwissenschafterin Elisabeth Wehling geht davon aus, dass das Ibiza-Video der FPÖ langfristig helfen wird. "Ich halte die Einschätzung, dass dieses Video der Partei mittel- oder langfristig schadet, für eine völlige Fehleinschätzung", sagte sie am Sonntag im APA-Interview in Wien. "Jetzt ist es für sie hart, aber sie werden es extrem erfolgreich für die Mobilisierung nutzen."
 

Opferrolle

Die ersten Prognosen zur EU-Wahl attestierten der FPÖ trotz des Ibiza-Skandals lediglich leichte Verluste. "Innerhalb einer Woche haben sie es schon geschafft, die Geschichte derart zu interpretieren, dass sie zu einem Angriff auf Österreich geworden ist", erklärte die deutsche Forscherin, die im kalifornischen Berkeley arbeitet. Die Opferrolle des inzwischen zurückgetretenen FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache sei dafür der erste Schritt gewesen. Das Narrativ sei nun, dass die Freiheit der Österreicher von "irgendwelchen dunklen Mächten, also (dem ungarischen Milliardär George, Anm.) Soros, Geheimdiensten oder Ähnlichem, angegriffen wird, die da ein Video gedreht haben".
 
Durch diese vermeintliche Einmischung in die österreichische Demokratie falle die eigentliche Demokratiegefährdung, nämlich die von Strache im Video formulierten Pläne, unter den Tisch. Strache zeige darin ein "typisch autoritäres Weltbild". "Die freien Medien, soweit es geht, aufkaufen und mit politischen Interessen ausstatten, die öffentlich-rechtlichen Medien abschaffen, die übrigen Medien als Feinde des Volkes darstellen - das macht (US-Präsident Donald, Anm.) Trump gerade - und, wenn man sich das noch traut, auch das Fernsehen verstaatlichen", zählte Wehling auf. "Dass diese Gefahr für die Demokratie in diesen Tagen keine größeren Schlagzeilen macht, sondern dass die Gefährdung der Demokratie bei uns durch dunkle Mächte erfolgt, die bei uns Videos drehen, zeigt, wie gut die FPÖ solche Geschichten dreht", schlussfolgerte sie.
 

Dolchstoßlegende

Die "Dolchstoßlegende", dass Strache und der ehemalige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), die ja in die Regierung gewählt worden seien, durch vermeintliche Einflussnahme "dunkler, progressiver Mächte" die Regierung verlassen mussten, werde mittelfristig Wähler mobilisieren. "Den FPÖ-Wählern wird also suggeriert, dass ihr Wille mit Füßen getreten wird und sie sich das nicht gefallen lassen dürfen", sagte Wehling.
 
Den Erfolg der ÖVP bei der EU-Wahl führte die auf die Erforschung des politischen Denkens spezialisierte Wissenschafterin darauf zurück, dass die Partei ein großes politisches Spektrum abdeckt. "(Othmar, Anm.) Karas war der sichtbarste Kandidat", sagte sie. (Karoline, Anm.) Edtstadler, die als Abgesandte von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gelte, sei weniger präsent gewesen und habe eher den rechten Flügel der ÖVP bedient. Karas habe die Regierungskrise zudem geholfen. "Der Mensch wünscht sich in unsicheren Zeiten Beständigkeit und Autorität, also jemanden, der schon etwas mehr Lebensweisheit hat als man selbst. Das ist die ganz stereotypische Sehnsucht nach einem ruhigen Familienvater. Karas konnte das abdecken, da sein Wahlkampf auf seine Erfahrung in Brüssel ausgelegt war", analysierte sie.

 

Schwammige Themen

Das Problem der SPÖ und der NEOS seien hingegen die "schwammigen Themen" gewesen. "Wenn Menschen in Unsicherheit leben, (...) suchen sie etwas Verbindliches und Konkretes, und nichts Ungefähres", sagte Wehling. "Wenn ich durch externe Umstände verunsichert bin und Orientierung suche, will ich jemanden haben, der mir ganz klar und konkret etwas anbietet", fuhr sie fort. Ansonsten wisse man nicht, wen man vor sich habe. Der Inhalt bleibe darum oft auf der Strecke, da er nicht "heruntergebrochen und konkretisiert wird", erklärte sie und verwies darauf, dass in Österreich beispielsweise niemand das Thema Feminismus behandelt habe, obwohl dieses vom sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Frans Timmermans sehr erfolgreich bedient worden sei.
 
Die EU-Wahlkampf der FPÖ habe hingegen sehr gut funktioniert. "Die FPÖ spricht immer sehr klar über Werte und verwendet eine ideologische Haudrauf-Sprache", so Wehling. Die Partei habe damit geworben, die Österreicher vor zu starker Maßregelung durch Europa zu schützen. "Das ist ein klares Benennen von Werten. Die FPÖ hat die konkreten Dinge auf den Tisch gelegt und eine klare, oftmals polarisierende Stellung gezeigt", bemerkte sie.
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