Gusenbauer kritisiert "tägliche Haxelbeißereien" und "kleingeistige Angriffe"des Koalitionspartners. Die ÖVP will eine Klarstellung.
Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (S) hat eine scharfe Attacke gegen den Koalitionspartner geritten. Die Volkspartei sehe ihre Hauptaufgabe darin, die SPÖ schlecht aussehen zu lassen, sagte der Kanzler im Interview mit dem Nachrichtenmagazin "News". Größere Reformprojekte kann er bei der ÖVP nicht ausmachen - im Gegenteil: Es komme ihm so vor, als liege die Volkspartei "faul in der Hängematte" und beschränke sich "aufs Schimpfen".
"ÖVP arbeitet nur gegen SPÖ"
Die ÖVP werde
sich entscheiden müssen, ob sie "nur gegen die SPÖ arbeiten will,
oder ob sie endlich anfängt, für Österreich zu arbeiten",
sagte Gusenbauer. Über die schlechten Umfragewerte der Koalition wundert
sich der Kanzler nicht, sieht die Schuld dafür aber ausschließlich beim
Regierungspartner: "Was hier an täglichen Haxelbeißereien von der ÖVP
abgeliefert wird, ist ja unter jeglichem Niveau". Diese "kleingeistigen
Angriffe" würden niemanden interessieren.
SPÖ will "effektive Armutsbekämpfung"
Vor
inhaltlichen Auseinandersetzungen will Gusenbauer nicht zurückschrecken, so
stellt er sich etwa gegen VP-Wünschen nach steuerlicher Begünstigung von
Besserverdienern: "Das halten wir für den falschen Weg". Die
SPÖ wolle eine "effektive Armutsbekämpfung". So könne er
etwa einer Diskussion um eine einmalige finanzielle Maßnahme betreffend der
Teuerungsrate etwas abgewinnen. Die ÖVP setze hingegen weiter auf "den
neoliberalen, unsozialen Kurs von Schüssel", so der Kanzler.
Umfrage: Wenig Vertrauen in Koalitionspartner
In der Bevölkerung
wird Gusenbauers Einschätzung offenbar nicht ganz geteilt. Eine akuelle "market"-Umfrage
für "News" stellt zwar sowohl dem Kanzler wie auch auch
ÖVP-Chef und Vizekanzler Wilhelm Molterer ein schlechtes Zeugnis aus:
Demnach trauen 54 Prozent der Befragten keinem der beiden zu, sich für ihre
persönlichen Anliegen einzusetzen. Im direkten Vergleich hat Molterer
allerdings die Nase vorn. 23 Prozent halten den ÖVP-Chef für geeignet, sich
für ihre Anliegen einzusetzen, Gusenbauer wird diese Fähigkeit nur von 17
Prozent attestiert.
In Sozialfragen sehen die Österreicher hingegen die SPÖ vorne: 24 Prozent halten den Einsatz der SPÖ für groß, 18 Prozent jenen der ÖVP. Für die Mehrheit (52 Prozent) machen aber beide Regierungsparteien in diesem Bereich zu wenig.
ÖVP verlangt von Kanzler Klarstellung
Die Volkspartei
verlangt nach den Attacken von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (S) eine "Klarstellung",
ob dieser die Regierungsarbeit fortsetzen wolle oder nicht.
ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon fordert "die
Gusenbauer-SPÖ" per Aussendung dazu auf, ihren "persönlichen
Frust" nicht am Regierungspartner auszulassen. Für die schlechten
Umfragewerte des SP-Chefs seien interne Steitereien in der SPÖ
verantwortlich, Gusenbauer solle "vor seiner eigenen Tür kehren".
Ausstieg aus Koalition?
Wenn SPÖ-Landesspitzen einen Ausstieg
aus der Koalition überlegen, dann liege dies alleine in der Verantwortung
von Gusenbauer, so Missethon. Der VP-Generalsekretär verwies etwa auf
Aussagen des Landeshauptmanns der Steiermark, Franz Voves, ("Regierungsamt
weniger wert als Glaubwürdigkeit der Sozialdemokratie"), dessen
Stellvertreter Kurt Flecker ("im Notfall vom Regierungstisch weg bitten")
oder Oberösterreichs Soziallandesrat Josef Ackerl ("Konflikte
riskieren"). Diese "SPÖ-internen Streitereien" seien
eine Belastung für die Koalition.
Missethon: Unwürdige Anschüttungen des Kanzlers
Zu
Gusenbauers Äußerungen im "News"-Interview sagte
Missethon, diese "Anschüttungen" seien unwürdig und "einmal
mehr ein gebrochenes Versprechen". Denn Gusenbauer habe in der
Vergangenheit mehrmals betont, die Streitereien in der Koalition beenden zu
wollen.
Nicht nachvollziehen kann Missethon die Vorwürfe, die ÖVP liege faul in der Hängematte. Denn diese habe "zwei Drittel der gesamten bisherigen Regierungsarbeit" geleistet: Von 110 Gesetzen seien 70 von ÖVP-Ministern erarbeitet worden, aber nur 40 von jenen der SPÖ, so Missethon. "Wenn hier wer auf der faulen Haut liegt, dann die SPÖ-Minister".