ÖSTERREICH-Interview

Häupl: "Werde kein Balkon-Muppet sein"

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Am 24. Mai übergibt Michel Häupl das Bürgermeisteramt an Ludwig.

ÖSTERREICH: Haben Sie sich schon an den Gedanken des Abschieds gewöhnt?

Michael Häupl: Ich bin darauf vorbereitet. Genauso habe ich zum 40er das Rauchen aufgegeben. Vorbereitung ist alles. Aber natürlich: Wenn am 1. Mai Hunderttausend „Zugabe, Zugabe“ rufen, lässt das auch einen, der schon so lange im G’schäft ist, nicht kalt …

ÖSTERREICH: Woran sollen sich die Menschen in Zukunft erinnern, wenn Sie den Namen Häupl hören?

Häupl: Es ist ja so unwahrscheinlich viel passiert in diesen 30 Jahren, wenn ich meine Zeit als Stadtrat mit einrechne. Was sich allein technologisch getan hat! Damals hab ich ein riesiges C-Netz-Mobiltelefon im Auto gehabt, das schon in Purkersdorf nicht mehr funktioniert hat, heute kann ein Handy mehr als in den 80er-Jahren ein ganzes Zimmer voller Computer. Woran soll man sich erinnern? Sicher daran, dass es gelungen ist, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und mit dem Beitritt Wien in die EU zu führen. Wir sind ja damals praktisch  vom Blinddarm der Demokratie ins Zentrum Europas gerückt. Einiges sind wir wahrscheinlich zu forsch angegangen, wofür wir 1996 mit einer saftigen Wahlniederlage büßen mussten – wir haben’s also gleich kalt warm bekommen. Aber das war schon eine sehr spannende Zeit.

ÖSTERREICH: Die nächste Wahl, 2001, haben Sie dann fulminant gewonnen – auch weil Sie damals von einer schwarz-blauen Regierung profitiert haben. Geht das 2020 wieder?

Häupl: Das weiß ich nicht und füge hinzu: Das geht mich auch nix mehr an. Ich habe immer das Highlander-Prinzip vertreten: es kann nur einen geben. Und jetzt gibt es einen neuen Parteichef, der demnächst Bürgermeister wird. Dieser hat selbstverständlich meine Loyalität. Da gehört dazu, dass man nicht als Balkon-Muppet herunterredet.

ÖSTERREICH: Werden Sie diese Enthaltsamkeit lückenlos durchhalten?

Häupl: Ja, das habe ich vor. Nur wenn mir einer zu sehr mit Rot-Blau liebäugelt, werd‘ ich ihm auf die Finger klopfen.

ÖSTERREICH: Was ist der Unterschied zwischen Schwarz-Blau 1 und Türkis-Blau?

Häupl: Tendenziell wird es schlimmer. Schwarz-Blau 1 hat ja viele Dinge, die angekündigt waren, dann doch nicht durchgezogen. Auch weil der Koalition die Zeit gefehlt hat, da sie an ihren Widersprüchen zerbrochen ist. Wolfgang Schüssel ist ja ebenfalls der Nachweis nicht gelungen, dass man die FPÖ zügeln kann. Er hat sie fast zerstört, aber nicht gezügelt. Jetzt dürfte das etwas anders sein. Es läuft ruhiger und rationaler ab. Man hat Leute in die Regierung berufen, die politisch weder Hausmacht noch Gewicht haben, denen klar ist, dass sie sich zu fügen haben. Und der Kanzler spielt den Weltpolitiker. Man hat sich in dieser Regierung rasch auf eine Agenda und einen Hauptfeind einigen können. Das sind Wien und die Gewerkschaften. Begonnen hat man gleich damit, sich auf die Sozialversicherungen einzuschießen.

ÖSTERREICH: Das heißt, Sie glauben, dass Türkis-Blau länger hält als Schwarz-Blau 1?

Häupl: Ich fürchte es, ja.

ÖSTERREICH: Schwarz-Blau 1 ist an einer Revolte in der FPÖ zerbrochen. Besteht diese Möglichkeit wieder?

Häupl: Ich sehe die Persönlichkeiten nicht, weder in der Regierungsmannschaft, wo man Leute geholt hat, die von den Treueschwüren der Burschenschaften beseelt sind oder keine Hausmacht haben, noch bei den Gegnern. Aber natürlich: Wenn die FPÖ weiter die Zeche für die Regierung zahlt, insbesondere auch bei den Arbeiterkammerwahlen, dann werden auch dort einige unrund werden. Dazu kenne ich die Kollegen, insbesondere jene, die aus Wien kommen wie Herrn Gudenus, gut genug.

ÖSTERREICH: Hat er das Zeug zur Revolte?

Häupl: Man darf ihn nicht unterschätzen. Er ist ein gut ausgebildeter und gebildeter Mensch, der auch die nötige Härte hat. Er ist nur nicht wirklich massentauglich.

ÖSTERREICH: Wie sind Sie mit der Bundes-SPÖ zufrieden?

Häupl: Die SPÖ hat den politischen Turnaround von der Kanzler-zur Oppositionspartei ganz gut geschafft. Da wirft man dem Christian Kern vor, dass er in seinen Vergleichen gelegentlich überzieht. Ja, tut er. Ein Vergleich des Kanzlers Kurz mit einem seiner Vorgänger, Dollfuß, scheint auch mir ein wenig übertrieben zu sein, aber ein Oppositionsführer darf so was.

ÖSTERREICH: Kern betont zwar immer, er wolle in der Politik bleiben. Nur für den Fall: Würde Gerhard Zeiler im Bedarfsfall nach wie vor als SPÖ-Chef zur Verfügung stehen? Sie sind schließlich mit ihm befreundet …

Häupl: Ich könnte jetzt James Bond zitieren – aber nein: wir können zu 99% davon ausgehen, dass diese Sache erledigt ist.

ÖSTERREICH: Kommen wir zu Ihrem Nachfolger: Ist Michael Ludwig fähig, die Wiener SPÖ wieder zu einen?

Häupl: Erstens: Der Konflikt war kein inhaltlicher, es war ein persönlicher. Da gebe ich schon zu, dass es ich mit solch persönlichen Konflikten viel schwieriger ist. Es hat diese Doppelkandidatur gegeben und der Konflikt wurde in einer vernünftigen Form ausgetragen. Wer die Abstimmung gewonnen hat, ist der Chef. Ich gehe davon aus, dass das bei 98% in der Partei auch so gesehen wird. Ich hab auch immer 5% in der Partei gehabt, die mich nicht wollten.

ÖSTERREICH: Fürchten Sie, dass es am Parteitag Racheakte geben und Ludwig gar nicht gewählt wird, wie Gerüchte sagen?

Häupl: Gerüchte! Es gibt ein, zwei Komiker, die blöde Telefonate führen. Ich mache mir da aber nicht die geringste Sorge.

ÖSTERREICH: Es müssten nur vier gegen ihn stimmen …

Häupl: Jeder muss verstehen, dass das eine Selbstbeschädigung der Wiener SPÖ wäre, wie sie nicht einmal die FPÖ zusammenbrächte. Das wäre das Allerletzte und auch die Grünen müssen wissen, dass es das Ende der Koalition und ihr Ausscheiden aus dem Wiener Rathaus bedeuten würde.

ÖSTERREICH: Auch wenn Sie’s nichts mehr angeht: Hat Rot-Grün nach 2020 Zukunft?

Häupl: Für mich hatte es zwei Mal eine Zukunft. Natürlich ist es mit den Grünen nicht immer einfach. Stichwort Verkehr: Tut mir leid, aber in einer Zwei-Millionen-Stadt kann ich nicht alle Probleme mit dem Fahrradl lösen. Das ist absurd. 2018 haben wir 280.000 tägliche Einpendler. Sollen die alle mit dem Radl kommen?

ÖSTERREICH: Also Skepsis gegenüber einer rot-grünen Zukunft?

Häupl: Schaun wir mal, was wir zusammenbringen, falls es keine rot-grüne Mehrheit mehr gibt. Das Kernproblem der Grünen ist ja, dass niemand mehr genau weiß, wofür sie stehen. 

ÖSTERREICH: Ärgern Sie sich, dass Sie bei Missständen mit Islam-Kindergärten und zuletzt beim Kriegsspiel in einer Schule nicht vorab aktiv geworden sind?

Häupl: Von Islamisierung im Kindergarten hat immer nur Herr Kurz gesprochen, aber nie Beweise geliefert. Die Management-Probleme sind gelöst, ich habe ja auch dafür gesorgt, dass dort Personen ausgetauscht wurden. Was allerdings in der ATIB-Schule passiert ist, unterliegt nicht meiner Kontrolle, sondern dem Kultusamt des Bundeskanzlers. Es soll der Kanzler nicht mit dem nackten Finger auf mich zeigen, wenn er selbst bei der ATIB-Schule die Verantwortung hat. Es geht überhaupt nicht, dass man mit Kindern Krieg spielt. Diese Schule gehört sogar aufgelöst. 

ÖSTERREICH: Wie wird ein Tag im Leben des Pensionisten Häupl ablaufen?

Häupl: Ich werde öfter in das Haus meiner Frau ins Burgenland fahren, Sport machen, einkaufen und tratschen gehen, da ist dann der eine oder andere Spritzer drinnen. Ich werde natürlich auch weiterarbeiten, das erwartet auch meine Frau, die keinen lupenreinen Pensionisten daheim sitzen haben will. Ich werde zumindest als Präsident des Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds weitermachen, aber ich habe von den vielen weiteren Vorschlägen nur ganz wenige in Erwägung gezogen. Denn würde ich alle politischen Funktionen, die man mir angeboten hat, übernehmen, hätte ich gleich da weiterhackeln können. Und aus der täglichen 24-Stunden-Verfügbarkeit rauszukommen, darauf freu ich mich schon sehr. Es ist lang, wenn du das  35 Jahre machst.

ÖSTERREICH: Und was machen Sie konkret am 25. Mai, am Tag nach der Übergabe?

Häupl:Komisch wird das schon ein bisschen. Das ist ein Freitag und da ist Landtagssitzung. Ich werde aufwachen und mir denken: Ich muss ins Rathaus. Dann werd‘ ich aber draufkommen, dass das die erste Landtagssitzung seit 35 Jahren ist, die mich nichts mehr angeht. Also wird‘ ich mich umdrehen und weiterschlafen …

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