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Nach Demo-Eskalation

Harter Schlagabtausch zwischen Nehammer und FPÖ

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Innenminister Karl Nehammer  warf der FPÖ vor, eine "Stimmung von Gewalt" aufbereitet zu haben.

Die am Samstagabend teils ausgeuferten Demonstrationen von Corona-Maßnahmen-Gegnern in Wien haben so viele Anzeigen und Festnahmen zur Folge wie bisher noch keine zuvor: 42 Festnahmen, mehr als 3.000 verwaltungsrechtliche und 60 Strafanzeigen meldete die Landespolizeidirektion am Sonntag. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) warf der FPÖ vor, eine "Stimmung von Gewalt" aufbereitet zu haben. Die FPÖ konterte, die Polizeiführung habe die Eskalation bewusst herbeigeführt.
 
Zur Eskalation kam es, als nach dem offiziellen Ende der FPÖ-Kundgebung im Prater - wo FPÖ-Klubchef Herbert Kickl mit einer zweiten scharfen Rede gegen die Corona-Politik die Stimmung angefeuert hatte - hunderte Maßnahmen-Gegner (darunter auch wieder Hooligans, Rechtsextreme und Identitäre) weiter durch die Leopoldstadt zogen. Am Donaukanal bei der Unteren Augartenstraße wurden sie von der Polizei eingekesselt und die Identitäten der Teilnehmer aufgenommen.
 
Video zum Thema: Demo gegen Corona-Maßnahmen: Statement von Herbert Kickl

Sturm auf Versicherungsgebäude

Nach vielen aggressiven Auseinandersetzungen schon vorher kam es in dieser Situation zur Eskalation: "Eine größere Zahl an Demonstrationsteilnehmern" drang, so die Landespolizeidirektion, in die Tiefgarage eines nahen Gebäudes (der Wiener Städtischen-Versicherung) ein. Laut APA-Beobachtungen waren es mehrere Dutzend Demonstranten, die durch das Tor stürmten. Ein dortiger Sicherheitsmitarbeiter wurde (mit Beinbruch) schwer verletzt. Die Polizei nahm 22 Personen wegen des Verdachts "diverser strafrechtlicher Delikte" (u.a. Hausfriedensbruch) fest. Vier Polizisten wurden bei ihrem Einsatz am Samstag verletzt.
Video zum Thema: Video zeigt Demo-Sturm auf Versicherungsgebäude
 
Insgesamt waren 37 Versammlungen für den Samstag angezeigt, zwölf hat die Polizei angesichts der epidemiologischen Gefahren im Sinn des Gesundheitsschutzes untersagt. Dennoch versammelten sich zu Mittag tausende Menschen am Ring auf Höhe des Äußeren Burgtors, diese Versammlung wurde am frühen Nachmittag von der Polizei aufgelöst. Im Bereich der Hofburg hielt Kickl unangekündigt eine Rede, in der er die Corona-Politik scharf kommentierte ("Corona-Stahlhelme in den Regierungsbüros", "Schmuddel-Typen" in den Ministerien). Anschießend zogen die Maßnahmengegner in mehreren Zügen in den Prater zu einer FPÖ-Veranstaltung. Sicherheitsabstände und Maskenpflicht wurden auch dort großteils ignoriert, nach Kritik von Kickl an Israel im Zusammenhang mit dessen Impfstrategie waren auch antisemitische Kommentare zu hören.
 

Kritik an der FPÖ

Für das Ausufern der Proteste nach der Prater-Veranstaltung machte Innenminister Nehammer die FPÖ mitverantwortlich: "In unserem demokratischen Österreich werden Konflikte nicht auf der Straße, sondern im Parlament ausgetragen. Eine in den Nationalrat gewählte Partei, und allen voran ein ehemaliger Innenminister haben gestern eine Stimmung der Gewalt und der Missachtung des Rechtsstaates aufbereitet", übte er in einer Stellungnahme scharfe Kritik. Es seien "Grenzen überschritten worden, wenn völlig unbeteiligte Sicherheitsmitarbeiter von einer aufgepeitschten Menschenmenge überrannt und schwer verletzt werden".
 
ÖVP-Sicherheitssprecher Karl Mahrer hatte Kickl schon am Samstagabend vorgeworfen, sich "mit seinem heutigen Demo-Auftritt selbst zum Rädelsführer der hartgesottenen Corona-Leugner ernannt" zu haben. "Mit seiner abscheulichen Rhetorik" habe der blaue Klubchef "offenbar mutwillig" rechtsextreme Ausschreitungen "erzwingen" wollen, meinte Mahrer in einer Aussendung. Die Polizei habe "alle Hände voll zu tun" gehabt, um diese zu verhindern. "Kickl führt die FPÖ immer mehr ins rechtsextreme Eck", befand Mahrer.
 

Vorwürfe an Polizei

FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer sah hingegen die Polizeiführung - namentlich Nehammer - verantwortlich für die "abendliche Eskalation gegen Besucher der gestrigen FPÖ-Kundgebung". In einer "völlig unnötigen Aktion am Ende eines durch und durch friedlichen Protesttags" seien "hunderte Menschen bewusst in eine Falle gelockt, eingekesselt und dort sogar mit Pfefferspray attackiert" worden, legte er in einer Aussendung seine Sicht dar. Den Menschen sei nach der FPÖ-Kundgebung der Heimweg "massiv erschwert" worden, weil die Polizei die Brücken über den Donaukanal gesperrt habe - was zu einem "gemeinsamen Spaziergang" geführt habe. "Mehrere Zeugen", auch FPÖ-Abgeordnete, hätten wahrgenommen, dass Polizisten an den gesperrten Brücken die Menschen dorthin geschickt hätten, wo sie dann eingekesselt worden seien. Deshalb seien Anzeigen wegen Teilnahme an einer nicht genehmigten Veranstaltung "absurd", ebenso wegen Verletzung der Abstandsregel, meinte Amesbauer - und kündigte eine parlamentarische Anfrage an.
 
Aus der FPÖ kam am Sonntag aber auch Dank an die Polizei: Generalsekretär Michael Schnedlitz bedankte sich per Aussendung für den "extrem professionellen Job", mit dem "die Sicherheit der friedlichen Teilnehmer zu jedem Zeitpunkt gewährleistet" worden und "Störversuche der regierungstreuen Gewalt-Antifa" verhindert worden seien. Aber auch er hielt "der Spitze des Innenministeriums" vor, am Ende "mit sinnloser Einkesselung und Pfefferspray-Einsatz" auf bewusste Eskalation gesetzt zu haben.
 
Kickl, aber auch andere FPÖ-Abgeordnete wurden übrigens - nach APA-Informationen - wegen Verstoßes gegen die Corona-Schutzmaßnahmen angezeigt. Martin Rutter, einer der Rädelsführer der Corona-Skeptiker, wurde am Samstag - vorübergehend - einmal mehr wegen Verwaltungsübertretungen festgenommen.
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