Mobilisieren bei der richtigen Zielgruppe. VdB war diesmal auch ein ÖVP-Kandidat.
Wer den Wahlkampf von Alexander Van der Bellen auch nur halbwegs verfolgt hat, fragte sich: Tritt da überhaupt noch ein Grüner an? Da stapfte der Wahltiroler und Professor bei jeder Gelegenheit vor prächtigen Gebirgspanoramen über Almwiesen, stets dabei Hündchen Juli. Kein Bierzeltfest war sicher vor dem 78-Jährigen, dazu Plakate in Rot-Weiß-Rot, Fotos im Fußball-Nationaldress. Ein Wahlkampf, wie manche spitz anmerkten, wie in Hintertupfing.
Wahlkampfleiter Martin Radjaby
Regisseur der Kampagne ist Martin Radjaby, einstiges Ö3-Mastermind, später grüner Kampagnenleiter und Werbeagentur-Chef. Bei ihm ist nichts Zufall – er trimmte den grünen Professor in Windeseile in einen ÖVP-Kandidaten um – denn diskret angefertigte Umfragen sagten ihm: Grüne und SPÖler hat der Präsident sowieso – jetzt kommt es auf die ÖVP-Wählerinnen und Wähler an, sie werden den Ausschlag geben.
Perfekter Wahlkampf für ländliche Bevölkerung
Zeltfeste. Und Van der Bellen zog die Sache durch, ließ sich gutmütig nicht selten flankiert von Mädchen im Dirndl von einem ländlichen Termin zum andern karren: In Wien hatte er nur Wahlkampf-Start -und Finale sowie einen – erraten – Weinwander-Termin. Ansonsten kämpfte der an sich urbane Professor am Land. Und ließ sich nie in den Infight der Konkurrenz ziehen: Eine Teilnahme an den TV-Duellen scheute VdB wie der Teufel das Weihwasser.
Politische Signale wurden gezielt in Richtung ÖVP-Klientel gesetzt: So hielt sich VdB – sehr zum Ärger grüner Sympathisanten – mit Kritik an der ÖVP in Sachen Korruption zurück. Nicht einmal die Schmid-Chats regten ausgerechnet jenen Präsidenten, der drei ÖVP-Kanzler ernennen musste, besonders auf. Radjabys Kalkül: Rot und Grün wählt ihn sowieso. Einziges Signal an SPÖ-Wähler war die Unterstützung der ÖGB-Demo gegen die Teuerung.
Pogo. Ins Wanken geriet die Strategie zwar, als Bier-Partei-Chef Dominik Wlazny auftauchte – doch Radjaby zog die Sache durch. Am Schluss dann noch Dramatisierung angesichts einer angeblich sinkenden Wahlbeteiligung – und fertig war der Wahlsieg VdBs. Etwas mehr als 56 % sind zwar kein Triumph, aber genug für 6 Jahre Hofburg.