Nach anonymer Anzeige wird gegen den Ex-FP-Chef ermittelt. Er ist „fassungslos“.
Das Ibiza-Video hält Österreich weiter in Atem. Hinzu kam diese Woche eine „verwandte“ Affäre: Montagfrüh rückte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu einer Hausdurchsuchung u. a. bei Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus an. Denn auf Basis einer anonymen Anzeige wird gegen die Genannten und weitere Personen jetzt wegen Bestechung und Bestechlichkeit ermittelt. Bei der Razzia wurde u. a. Straches Mobiltelefon beschlagnahmt.
Polit-Deal bei Bestellung von Casinos-Vorstand?
Die Vorwürfe der Anzeige drehen sich um einen vermuteten Polit-Deal bei der Bestellung des FP-Manns Peter Sidlo zum Finanzvorstand der teilstaatlichen Casinos Austria. Sidlo sei mit Hilfe der Casinos-Miteigentümerin Novomatic in die Chefetage gehievt worden; Gudenus habe das auf den Weg gebracht. Im Gegenzug sei Novomatic „unter enger Abstimmung mit Strache wohlwollende Unterstützung“ etwa bei der Vergabe von Glücksspiellizenzen zugesichert worden. Ermittelt wird in der Causa auch gegen Ex-FP-Staatssekretär Herbert Fuchs. Alle weisen die Vorwürfe zurück; es gilt die Unschuldsvermutung.
Am Freitag ging Strache nun in die Gegenoffensive, empfing in der Kanzlei seines Anwalts Johann Pauer zum Interview. Der Ex-FP-Chef holte zum Rundumschlag aus. Die anonyme Anzeige sei „völlig substanzlos“, die Hausdurchsuchung „Willkür und ein Unrechtsakt“: „Ich bin entsetzt und fassungslos, was alles möglich ist“, so Strache.
Strache vermisst Ermittlungen gegen SPÖ & ÖVP
Und er geht die Justiz frontal an. In der Anzeige seien auch die SPÖ und ÖVP-Ex-Kanzler Sebastian Kurz erwähnt. Strache: „Wenn man die Anzeige ernst nimmt, müsste man auch gegen SPÖ und ÖVP ermitteln und dort Hausdurchsuchungen vornehmen.“ Da das nicht der Fall sei, sieht Strache nur ein Motiv hinter dem Ganzen: „Man will mich nachhaltig politisch beschädigen.“
In der Anzeige, die ÖSTERREICH vorliegt, heißt es u. a., dass Ex-FPÖ-Klubchef Gudenus kurz nach der Bestellung von Sidlo „in kleiner Parlamentarier-Runde“ gesagt habe: „Mit Peter [Sidlo] haben wir jetzt unseren Mann am Futtertrog. Der wird das richten.“ Laut Gudenus, so heißt es in der Anzeige weiter, könne man nach Ausscheiden des SPÖ-Casinos-Vorstands Hoscher „mit schwarzer schwesterlicher Hilfe die bisherigen roten Zuwendungen gut umleiten“. Das spielt wohl auf die Bestellung der damaligen ÖVP-Vizechefin Bettina Glatz-Kremsner zur Casinos-Chefin an.
Strache im Interview: "Man will mich politisch beschädigen"
ÖSTERREICH traf Strache zum 1. Interview nach der Razzia.
ÖSTERREICH: Wie ist die Razzia abgelaufen?
Heinz-Christian Strache: Es hat in der Früh geklopft, ich bin aufgestanden, habe gefragt, wer dort ist – die Kriminalpolizei. Ich war noch nackt, habe sie dann gebeten, noch etwas zu warten. Ich habe mich angezogen, dann kam eine Beamtenschar ins Haus. Es war ein echter Schock, so etwas privat zu erleben.
ÖSTERREICH: Wie kommen Sie mit all dem klar?
Strache: Ich bin froh, dass ich in dieser sicher größten Lebenskrise eine so starke Frau an meiner Seite weiß wie Philippa. Unser wundervoller Sohn, meine älteren Kinder – die Familie ist dann das, was zählt. Es ist ein Wechselbad der Gefühle. Es geht mir einen Tag gut, dann wieder schlechter, dann wieder besser – es ist eine Art Waschmaschine, in der man sich befindet.
ÖSTERREICH: Ihrer Ansicht nach ist die Hausdurchsuchung zu Unrecht erfolgt?
Strache: Ich bin entsetzt und fassungslos, was alles möglich ist. Das ist Willkür und ein Unrechtsakt. Es gibt eine anonyme Anzeige, die völlig substanzlos ist und nicht rechtfertigt, dass man bei einem ehemaligen Regierungsmitglied eine Hausdurchsuchung vornimmt und sein Handy beschlagnahmt. Da hat man schon das Gefühl, es mit einer Farce zu tun zu haben. In der Anzeige steht auch, dass es rote Zuwendungen gab, und es sind vier ÖVP-Politiker genannt, u. a. der Herr Kurz, der sich mit mir abgestimmt habe – ja, no na, was tut man in einer Bundesregierung: Sich bei Vorschlägen abstimmen. Wenn man die Anzeige wirklich ernst nimmt, müsste man auch gegen SPÖ und ÖVP ermitteln und dort Hausdurchsuchungen vornehmen. Dass das nicht der Fall ist, zeigt, dass es offenbar ganz andere Gründe gibt. Man will mich politisch nachhaltig beschädigen.
ÖSTERREICH: Gab es, wie die Anzeige behauptet, einen Deal zwischen FPÖ und Novomatic bei der Bestellung des Casinos-Vorstands?
Strache: Das ist völlig absurd. Würde jemand mit seinem Gesicht zu diesen Vorwürfen stehen, bekäme er eine Verleumdungsklage.
ÖSTERREICH: Was sagen Sie zu Vorwürfen, dass Sie im Ibiza-Video sagen, das Glücksspielmonopol aufbrechen zu wollen?
Strache: Dass wir als Freiheitliche Partei, die für Freiheit steht, alles, was mit Monopolen behaftet ist, aufbrechen wollen, ist ja kein Staatsgeheimnis, sondern unser Wahlprogramm. So gesehen finde ich es besonders lustig, daraus einen Vorwurf kreieren zu wollen.
ÖSTERREICH: Fürchten Sie sich vor dem Ibiza-Aufdeckerbuch der beiden „Süddeutsche“-Journalisten, das am Donnerstag erscheint?
Strache: Ich fürchte mich vor gar nichts mehr nach all dem, was ich da schon erleben musste.
ÖSTERREICH: Auch nicht davor, dass irgendwann neue Passagen des siebenstündigen Ibiza-Videos auftauchen?
Strache: Offen gesagt, haben wir die volle sieben Stunden bis heute nicht. Obwohl mein Anwalt die Journalisten sehr freundlich um Übermittlung einer Kopie gebeten hat – damit ich als Betroffener endlich weiß, was da gesagt wurde. Das lehnt man ab, und ich frage mich warum. Weil die Journalisten vielleicht eine doch sehr einseitige, zusammengeschnittene Sequenz gebracht haben, die zu meinem Nachteil ist. Wo etwas aus dem Gesamtkontext gerissen wurde. Wenn ich mich dort sehe, dann ist mir das nicht nur peinlich, sondern das bin auch nicht ich. Das sind Verhaltensmuster, die ich bei mir so nicht kenne, und das gilt es aufzuklären.
ÖSTERREICH: Die Staatsanwaltschaft untersucht einen möglichen Konnex zwischen Ibiza-Video und den von der ÖVP geschredderten Festplatten …
Strache: Bei einer davon hat es sich offenbar nicht um die Festplatte eines Druckers gehandelt. Denn da gibt es einen Hinweis, den wir erhalten haben: Eine Nachricht, wo ein ÖVP-Vertrauter schreibt, dass diese Festplatte aus einem Notebook war. Da geht es möglicherweise um Videos, die gespeichert worden sind. Also das ist schon aufklärungswürdig.
ÖSTERREICH: Planen Sie jetzt ein politisches Comeback?
Strache: Ich war immer ein politischer Mensch. Viele Menschen erwarten sich das und unterstützen mich auch. Wenn ich feststellen muss, dass man an der Aufklärung des Ibiza-Videos nicht interessiert ist, stelle ich mir schon die Frage, ob es nicht richtig ist, über ein politisches Comeback nachzudenken und die Bürger entscheiden zu lassen, wenn es das Rechtssystem und der Rechtsstaat nicht schaffen.
Philippa: "Hatten nichts zu verbergen"
Philippa Strache sprach mit oe24 über Hausdurchsuchung.
oe24.TV: Wie haben Sie die Hausdurchsuchung erlebt?
Philippa Strache: Wir haben natürlich kooperiert, wir haben nichts zu verbergen gehabt. Aber sicher ist das nicht angenehm, vor allem nicht, wenn man ein kleines Kind zu Hause hat, wenn in der Früh dann plötzlich die ganze Wohnung voller Menschen ist. Die Beamten haben sich aber sehr fair und ruhig verhalten.