Ein Kommentar von Gerald Grosz zum Papst-Tod.
Er war den Menschen zugekehrt, nicht nur der Tradition. Seine Aufmerksamkeit galt dem Nächsten, nicht nur der Schönheit einer Liturgie. Er vertrat den Glauben, nicht nur die Lehre. Er überzeugte durch Gesten, nicht nur durch Worte. Er erkannte in jedem Menschen Gott, nicht nur in den Gläubigen. Er handelte als fehlbarer Mensch, nicht nur als unfehlbarer Papst. Nicht immer im Pontifikat von Papst Franziskus hielten sich Menschenliebe und Tradition, Glaube und Lehre, Gesten und Worte die Waage.
Ja, auch er machte Fehler, er hielt sich aber selbst, im Gegensatz zu vielen anderen im Klerus, nicht für fehlerlos. Er war den sogenannten Konservativen, den wohl eher scheinkonservativen Heuchlern ebenso ein Gräuel wie jenen sogenannten Progressiven, die das Christentum und den Glauben aus Gründen der "Vernunft" ablehnen oder gar bekämpfen. Ein wahrer Konservativer erkennt auch in Papst Franziskus den Segen. Er beschämte die Welt durch Bescheidenheit und Demut, er beschämte seine Kritiker durch Gleichmut, er beschämte Politiker durch Mut, er beschämte die Unversöhnlichen durch Vergebung.
Er war kein Politiker, seine Botschaft hingegen wurde politisch gewertet. Sein einziges Credo war die Barmherzigkeit, auch wenn sie an die Grenzen der Vernunft und der Realität stieß. Er trug sein Kreuz bis zum Schluss und der, an den er so innig glaubte, nahm es ihm zu Ostern ab. Mit Papst Franziskus verlieren wir weniger einen großen Papst, mehr noch einen guten Menschen. Einen Menschen, der sich durch unverbrüchliche Liebe und aufopfernde Zuwendung zu seinen Nächsten auszeichnete.
Seine Kirche war eine Kirche der Armen, der Ausgegrenzten, der Verzweifelten und Suchenden und nicht nur eine Kirche der Christen, der Unfehlbaren und Schönen. Seine Kirche war nicht nur eine Kirche der Frommen, sondern auch eine Kirche der Sünder, der Abgefallenen, der Zurückgelassenen. Seine Kirche war nicht exklusiv. Er riss die Tore auf, machte die Kirche universell, wie Johannes Paul es forderte. Seine Kirche war eine Kirche der absoluten Liebe und Wahrheit, wie es Benedikt predigte. Die letzten drei Päpste waren kein Widerspruch, objektiv betrachtet wohl eher drei unterschiedliche Personen, die mit unterschiedlichen Akzenten, durch unterschiedliches Auftreten auf dasselbe Zentrum hinsteuerten.
Gott! Johannes Paul erinnerte uns, an was wir glauben. Benedikt sagte uns, warum wir glauben. Franziskus zeigte uns, wie wir glauben. Zu Johannes Paul fuhr man, um ihn zu sehen. Zu Benedikt fuhr man, um ihn zu hören. Zu Franziskus fuhr man, um ihn zu spüren. Mögen wir in diesen Zeiten des Werteverlustes, des Identitätsverlustes, des Relativismus, des Egoismus, der Lüge und der Kriege ein Oberhaupt der katholischen Kirche bekommen, das diesen Weg fortsetzt.