Tschechiens Premier in Wien

Necas: Kein Atom-Ausstieg

Teilen

Petr Necas traf mit Präsident Fischer und Kanzler Faymann zusammen.

Just am Tag, an dem Bundeskanzler Werner Faymann (S) mögliche rechtliche Schritte gegen den Ausbau des tschechischen Atomkraftwerks Temelin angekündigt hat, besucht der tschechische Premier Petr Necas Wien. In einem Gespräch traten am Dienstag die "völlig gegensätzlichen" Meinungen erneut zum Vorschein. Faymann warnte angesichts der Atomkatastrophe von Japan vor den Gefahren der Atomenergie. Tschechien denke nicht an Ausstieg, sagte Necas. Er forderte den gleichen Respekt, den sein Land der Haltung Österreichs entgegenbringe.

Österreich für EU-weites Atom-Aus
Die österreichische Regierung hatte zuvor einen Aktionsplan für einen EU-weiten Atom-Ausstieg beschlossen. Im Zusammenhang mit dem Ausbau von Temelin behalte sich Österreich "alle rechtlichen Schritte" vor, hatte Faymann am Dienstag in der Früh erklärt. Er verlangte Parteienstellung für österreichische Nichtregierungsorganisationen nach Abschluss der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Necas betonte in der gemeinsamen Pressekonferenz am Nachmittag, dass NGOs bereits in das UVP-Verfahren einbezogen seien. Mit den rund 7.500 Bemerkungen würde sich Tschechien "ernsthaft auseinandersetzen".

Necas beschwichtigt
"Man muss das Thema ausgewogen betrachten", sagte Necas. Man dürfe einerseits nicht auf die Atomlobby hören, andererseits auch nicht der "Anti-Atom-Hysterie" verfallen. Ohne Atomenergie sei es Tschechien nicht möglich, wirtschaftlich unabhängig zu bleiben und Treibhausgase zu reduzieren. Aber, so betonte Necas: "Die Sicherheit der Atomkraftwerke ist Priorität Nummer Eins." Die tschechische Regierung "wird es keine Sekunde lang zulassen, dass ihre Bürger durch den Betrieb von Kernkraftwerken bedroht würden".

Faymann: "Risiken nicht beherrschbar"
Faymann konterte, dass "auch die japanische Regierung sicher nicht die Absicht gehabt hat, jemanden zu gefährden". Und das sei auch keine Frage von Respekt: Atomenergie sei einfach "nicht beherrschbar" und berge "hohe Risiken". Das zeige sich etwa darin, dass niemand die Haftung übernehmen wolle. Auch für die Endlagerung von atomaren Brennstäben wolle keiner Verantwortung übernehmen. "Die Bilder aus Japan müssen uns mahnen, dass wir die Gefahren und Risiken der Atomenergie niemals unterschätzen und dass wir der Atomlobby nicht glauben dürfen." Deswegen werde gemeinsam mit anderen europäischen Regierungen und NGOs über eine Initiative auf europäischer Ebene die Forderung nach einem Atomausstieg Europas erhoben.

Tschechien stimmt AKW-Stresstests zu
Necas sprach sich dafür aus, die Vorkommnisse in Japan gründlich zu analysieren und dann Lehren daraus zu ziehen, etwa höhere Sicherheitsstandards. Schon zuvor habe die tschechische Regierung ihre Bereitschaft signalisiert, die AKW Temelin und Dukovany Stresstests zu unterziehen.

Temelin-Erweiterung nicht vom Tisch
Tschechien plant das südböhmische Kernkraftwerk Temelin um zwei weitere Reaktorblöcke zu erweitern. Der Ausbau, der ursprünglich bis 2020 erfolgen sollte, wird sich nach heutigem Stand bis 2025 verzögern. Der Energiekonzern CEZ nannte die sinkende Strom-Nachfrage als Hauptgrund für die Verschiebung. 2008 hatte CEZ beim Prager Umweltministerium die UVP beantragt. Ende Juni 2010 veröffentlichte das tschechische Ministerium ein Expertengutachten, wonach der Ausbau des AKW weder die Umwelt noch die Gesundheit der Bevölkerung negativ beeinflussen werde. Österreich sieht das anders. Das österreichische Umweltministerium übermittelte Prag eine Fach-Stellungnahme, die laut Ministerium zahlreiche Mängel aufzeige.

Treffen auch mit Bundespräsident und Außenminister
Necas traf am Dienstag auch Bundespräsident Heinz Fischer und Außenminister Michael Spindelegger (V). Fischer betonte, dass im Lichte der Ereignisse in Japan der Sicherheit von Kernkraftwerken besondere Priorität eingeräumt werden müsse. "Es gibt nicht nur das Recht der einzelnen europäischen Staaten, über ihre Energiepolitik selbst zu entscheiden, sondern es gibt auch das Recht der europäischen Bevölkerung auf Sicherheit vor Gefahren und ungelösten Problemen der Kernkraftnutzung."

Anti-Atom-Protest auf der Ringstraße
Am Weg zu seinen Gesprächspartnern fuhr Necas in seinem Konvoi an Anti-Atom-Protesten vor dem Parlament vorbei. Die Demonstranten, die u.a. Schilder wie "Stopp Temelin" hochhielten, erkannten Necas nicht. Der tschechische Premier blieb ebenfalls ruhig. "Ich habe sie bemerkt", sagte er tschechischen Journalisten. "Ich habe sie erwartet."

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.