Kanzler spricht Machtwort

Nehammer gegen Entminungshilfe für Ukraine: Kein Soldat betritt Kriegsgebiet

Teilen

In der Debatte über eine mögliche Unterstützung Österreichs bei Entminungsarbeiten in der Ukraine hat sich Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) klar gegen eine österreichische Beteiligung ausgesprochen. 

Er sprach sich laut einer Pressemitteilung gegen eine österreichische Beteiligung aus, solange in der Ukraine Krieg herrsche, und ortete bei einem solchen Einsatz Probleme mit der Neutralität. Der ukrainische Vizeaußenminister Andrij Melnyk zeigte sich in Ö1 enttäuscht vom Vorgehen Österreichs.

"Es wird kein österreichischer Soldat für so einen operativen Einsatz ukrainischen Boden betreten, solange das ein Kriegsgebiet ist", hieß es in Nehammers Stellungnahme. "Wer österreichische Soldaten in ein Kriegsgebiet schicken will, der riskiert, dass sie nicht mehr lebend zurückkommen", so der Kanzler, der betonte, dass er einen solchen Einsatz "auch im Hinblick auf Österreichs Neutralität als problematisch" sehe. Österreich prüfe derzeit eine finanzielle Beteiligung an so einer Initiative.

Vorstoß des Bundespräsidenten

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte sich hingegen zuletzt für eine österreichische Unterstützung bei der Entminung ziviler Bereiche in der Ukraine starkgemacht: "Ich verstehe nicht, warum die Bundesregierung bei der Frage der Entminung immer noch zögert. (...) Unterstützung bei der Entminung ziviler Bereiche wie Wohnhäuser, Schulen, Kindergärten oder landwirtschaftlicher Gebiete widerspricht sicher nicht der österreichischen Neutralität, sondern ist eine humanitäre Angelegenheit", sagte er im Rahmen des am Mittwoch zu Ende gegangenen Europarats-Gipfels in Reykjavik.

Ukrainischer Vizeaußenminister Melnyk erwartet sich mehr Hilfe von Österreich  

Auch der ukrainische Vizeaußenminister Melnyk appellierte am Freitag im Ö1-"Mittagsjournal" an Österreich, Entminungshilfe als "humanitäre Geste" zu leisten. Er forderte dazu auf, Van der Bellens Bitte zu unterstützen, da diese der Neutralität nicht widerspreche. 30 Prozent der Fläche der Ukraine - darunter ganze Dörfer und Felder - seien wegen der Okkupation Russlands vermint worden, so Melnyk. Und das auch in Gegenden, in denen es seit über einem Jahr keine Kampfhandlungen mehr gegeben habe.

   Das Vorgehen Österreichs bezeichnete Melnyk als "sehr enttäuschend", die österreichische Neutralität als "aus der Zeit gefallen". Als Ukrainer könne er es nicht verstehen, in einem Krieg, in dem es um die "Vernichtung des ukrainischen Volkes" gehe, neutral zu bleiben - vor allem im Hinblick darauf, dass Österreich im Bereich der Entminung "weltweit federführend" sei.

Bundesheer sieht sich in Bezug auf Entminungsarbeiten gut gerüstet  

Tatsächlich wäre das Bundesheer laut Major Heinrich Lindner aufgrund seiner Erfahrungen bei der Entminung am Westbalkan gut gerüstet. Er sagte gegenüber Ö1, dass Österreich im internationalen Vergleich über "sehr umfassende Fähigkeiten" verfüge und "am Stand der Technik" sei.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) hatte den Vorstoß des Bundespräsidenten am Donnerstag gegenüber Ö1 abgelehnt. Sie betonte, dass es aktuell nicht möglich sei, in der Ukraine "zwischen einer humanitären und einer militärischen Entminung unterscheiden zu können". Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl sprach sich mit Verweis auf die österreichische Neutralität dagegen aus. Der Sicherheits- und Verteidigungssprecher der NEOS, Douglas Hoyos, unterstützte hingegen die Aussagen Van der Bellens. Der Völkerrechtler Ralph Janik sah zuletzt durch den EU-Ratsbeschluss über die Unterstützung der Ukraine Hilfe bei der Entminung verfassungsrechtlich gedeckt.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.