Laut einer Gallup-Umfrage für ÖSTERREICH schieben 35% der Menschen der Volkspartei die Schuld für das Scheitern wichtiger Projekte zu.
Sogar SPÖ-Scharfmacher Josef Kalina wird plötzlich süßlich, wenn es um den Koalitionspartner geht. Der rote Bundesgeschäftsführer lobte gestern trotz gescheiterter Projekte wie Schulreform und Tabakgesetz die „gemeinsamen Erfolge“ mit der ÖVP und schlug sanfte Töne an: „Angesichts der Bilanz nach einem Jahr kann man wirklich zufrieden sein.“ Keine Rede mehr von Neuwahlen.
Kuscheln beim Italiener
Der Grund: Der neue „Kuschelkurs“ der
Regierungspartner, besiegelt bei einem Treffen unter acht Augen am
Mittwochabend im Wiener Nobel-Italiener Fabios – ÖSTERREICH berichtete
exklusiv. Kalinas ÖVP-Gegenüber Hannes Missethon zeigte sich allerdings ob
der plötzlichen Zuneigung noch etwas misstrauisch. Er ließ prompt
verlauten, dass die Umsetzung des Regierungsprogrammes zwar eine
„Gemeinschaftsleistung“, die ÖVP aber die „treibende Kraft“ in der Regierung
sei.
Blockierer ÖVP
Diese Einschätzung wird von der Bevölkerung
allerdings ganz und gar nicht geteilt – im Gegenteil: Laut einer exklusiv
für ÖSTERREICH durchgeführten Gallup-Umfrage schieben 35 Prozent der
Befragten der ÖVP die Schuld für das Scheitern wichtiger Projekte zu. Nur 19
Prozent finden, dass die SPÖ dafür verantwortlich ist. Besonders beim großen
Streitthema Neue Mittelschule trägt für die Befragten ganz klar die ÖVP die
Schuld am Stillstand: Die Mehrheit glaubt, die ÖVP habe die Schulreform
verhindert. Die Folge dieses Blockierer-Images: In der Sonntagsfrage
verlieren die Schwarzen einen Prozentpunkt und liegen damit erstmals seit
sieben Wochen wieder gleichauf mit der SPÖ, die stabil bei 35 Prozent
bleibt.
Trotz des Blockierer-Images der ÖVP finden 46 Prozent der Befragten, dass es die Aufgabe von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) ist, die Koalition aus der Krise zu führen. Nur 19 Prozent sehen die Verantwortung dafür bei Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP). In der Kanzlerfrage liegen die beiden Parteichefs fast gleichauf: 36 Prozent würden Gusenbauer bei einer Direktwahl ihre Stimme geben, Molterer käme auf 34 Prozent.
Kein lachender Dritter
Die Opposition kann von den vielen
Streitereien der vergangenen Wochen kaum profitieren, die Koalition hält
eine stabile Zweidrittelmehrheit. Gallup-Chef Fritz Karmasin erklärt das so:
„Die Regierungsparteien übernehmen ja selbst die Rolle der Opposition.“ Aber
auch mehr Harmonie würde beiden Parteien nützen.
Grünen-Chef Alexander Van der Bellen glaubt im ÖSTERREICH-Interview aber nicht, dass der Kuschelkurs von Dauer ist: „Ich glaube nicht, dass die Koalition bis 2010 hält.“