Vier Gegenstimmen

ÖVP nimmt Koalitionsverhandlungen mit SPÖ auf

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Der ÖVP-Vorstand ist mehrheitlich für Koalitionsgespräche, Schützenhöfer, Steindl, Hochmann und Bartenstein waren gegen Verhandlungen mit SPÖ.

Am 16. Tag nach der Wahl hat die ÖVP den Weg für Regierungsverhandlungen frei gemacht. Im VP-Vorstand am Dienstagabend wurde der designierte Parteichef Josef Pröll ermächtigt, Gespräche aufzunehmen - "ohne parteipolitische Präferenz", wie dieser betonte. Vier der 27 Vorstandsmitglieder stimmten gegen den Beschluss. Dem Verhandlerteam Prölls gehören unter anderem auch Vizekanzler Wilhelm Molterer und Außenministerin Ursula Plassnik an, die als Vertraute von VP-Klubchef Wolfgang Schüssel gelten. Der erste offizielle Verhandlungstermin mit der SPÖ dürfte am kommenden Montag stattfinden, Knackpunkt ist wohl das Thema EU.

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Gespräche mit SPÖ allein kein Garant für rot-schwarz
In der ÖVP war man nach der knapp dreistündigen Sitzung sichtlich bemüht, eine Festlegung auf eine Regierungszusammenarbeit mit der SPÖ zu vermeiden. Der Einstieg in Verhandlungen sei kein Präjudiz für den anschließenden Eintritt in eine Rot-Schwarze Koalition, sagte Pröll. Es gebe auch andere Optionen, die später vielleicht politisch möglich würden. Man werde Gespräche "ohne parteipolitische Präferenz" führen, aber "voraussichtlich zuerst mit der SPÖ" verhandeln, so der Parteichef. "Dieser Beschluss bindet mich nicht allein an Gespräch mit der SPÖ", betonte Pröll.

Steirer Schützenhöfer mit Vorbehalten
Unumstritten war der Beschluss für einen Eintritt in Koalitionsverhandlungen nicht: Neben dem steirischen Landesparteichef Hermann Schützenhöfer stimmten auch Burgenlands Landesparteichef Franz Steindl sowie mit Wirtschaftsminister Martin Bartenstein und Finanzlandesrat und Vizeparteichef Christian Buchmann zwei weitere Steirer gegen den Beschluss. Er stehe aber voll hinter Parteichef Josef Pröll, so Schützenhöfer.

Verhandlungsstart am Montag
Offiziell eröffnet werden dürften die Verhandlungen kommenden Montag. SPÖ-Chef Werner Faymann hatte diesen Termin Dienstagvormittag genannt. Ihm gegenüber sitzen werden neben Pröll, Molterer und Plassnik auch Innenministerin Maria Fekter, Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer, Staatssekretärin Christine Marek, Wirtschaftsbund-Generalsekretär Karlheinz Kopf, Wissenschaftsminister Johannes Hahn und Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber. Faymanns Team wird vermutlich erst am Donnerstag feststehen, wenn SP-Präsidium und -Vorstand tagen. Einzige Fixstarterin ist laut Aussagen des SP-Chefs Bundesgeschäftsführerin Doris Bures.

BZÖ und Grüne gegen Allparteienregierung
Aufhorchen ließ die ÖVP am Nachmittag mit der Idee nach Bildung einer Konzentrationsregierung (Allparteienregierung). Pröll hatte diesen Vorschlag des Grazer Bürgermeisters Siegfried Nagl (V) als "Option" bezeichnet. Die Realisierungschancen dürften gering sein: Während Faymann dazu lediglich ironisch anmerkte, eine solche Variante sei rechnerisch möglich, kam von BZÖ und Grünen strikte Ablehnung. Für die FPÖ ist die Variante vorstellbar. Aber auch in der ÖVP wurde der Vorschlag teilweise eher belächelt: Derartiges würde "von Leuten in die Welt gesetzt, die zwar Ideen haben, aber selten angehalten sind, Ideen umzusetzen", sagte etwa Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll.

"Österreich-Gespräche"
Besprochen werde könnte der Vorstoß bei der nächsten Runde der am Dienstagnachmittag erstmals abgehaltenen "Österreich-Gespräche" zwischen den Chefs der fünf Parlamentsparteien. Beim ersten Treffen, bei dem vorrangig die Finanzkrise und das geplante Konjunkturpaket Thema waren, wurde auch ein weiterer Termin angekündigt, dabei soll ein "Kassasturz" am Programm stehen.

Streitfaktor EU
Soll es eine Volksabstimmung über künftige EU-Verträge geben oder nicht - diese Frage gilt als die härteste Nuss der Koalitionsverhandlungen. Gestern beharrten beide Parteichefs jedenfalls noch auf ihren Standpunkten.

Hart auf hart
SPÖ-Chef Werner Faymann schloss gestern dezidiert aus, vom SPÖ-Ja zu einer Volksabstimmung abzurücken. Es sei "undenkbar“, dass ein Nein zu einer Volksabstimmung im Koalitionspakt festgeschrieben werden könnte. Wenn man keine Stolpersteine aufbauen wolle, könne jede Partei bei ihrer Meinung bleiben. Faymann erteilte damit seinem EU-Abgeordneten Hannes Swoboda eine Abfuhr, der vorgeschlagen hatte, die SPÖ sollte auf ihre Forderung nach einer Volksabstimmung verzichten. Pröll wiederum sieht ein Bekenntnis zur EU als klaren Bestandteil bei etwaigen Verhandlungen.

Kompromiss-Suche
Trotzdem wird in beiden Parteien schon ein Kompromiss gesucht. Und so könnte die goldene Brücke aussehen: Im Koalitionspakt soll ein Bekenntnis zu Europa samt Zusatz verankert werden, dass es an der EU sehr wohl einiges auszusetzen gebe. Eine Volksabstimmung soll nur im Einvernehmen der Partner angesetzt werden. Dies hatte Klubchef Josef Cap unmittelbar nach dem EU-Schwenk Faymanns im Frühsommer schon vorgeschlagen. Die Rechtslage ist allerdings eine andere: Schon ein Drittel der NR-Abgeordneten kann eine Abstimmung über grundlegende Änderungen der Verfassung durchsetzen. Und da hätte die SPÖ zusammen mit FPÖ und dem BZÖ alle Möglichkeiten, die ÖVP auszubremsen.

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