Ex-Klimaministerin Leonore Gewessler wird nächste Grünen-Chefin - da ist ein Neustart notwendig.
Nicht nur die Frisur war neu. Spätestens als Leonore Gewessler mit keck zurückgebundenem Haar am Donnerstag erste Details ihrer Kandidatur für die Nachfolge Werner Koglers verkündete, war klar: Da versucht eine einen Neustart und erfindet sich neu. Die Statements sind - typisch für die 47-jährige Steirerin - genau überlegt, nichts wird dem Zufall überlassen. Sogar das neue Kostüm erstrahlt in Lindgrün. Am 29. Juni wird Gewessler - und daran besteht kein Zweifel - an die Grünen-Spitze gewählt werden.
Gewessler spricht von Demut, gibt zu, dass die Grünen im "Strudel des Regierens" schon mal den Kontakt zur Basis verloren haben. Und will jetzt genau "zuhören". Sogar eine Wirtshaustour plant die angehende Parteichefin, eine Einladung aus Vorarlberg habe sie schon. Damit soll den schlechten Umfragewerten der Grünen begegnet werden.
Die frühere Ministerin genießt seit ihrem umstrittenen Ja zur EU-Renaturierungsrichtlinie bei den Grünen Kultstatus. Vom Njet zum Lobau-Tunnel und Ja zur CO2-Steuer - was ihre Gegner zur Weißglut treibt, wird ihr beim Grünen Bundeskongress wohl eine satte Mehrheit bringen.
100 % werden es wohl trotzdem nicht, denn Gewessler hatte bei ihrem ZIB2-Antrittsinterview durchaus Tabubrüche auf Lager, die Altgrüne wohl vor gewisse Probleme stellen wird.
Die massive Aufrüstung der EU hält Gewessler für notwendig: "Wir müssen uns stark genug aufstellen, um den Frieden zu erhalten." Doch erstaunlich für eine Partei, die aus der Friedensbewegung entstanden ist.
Gewessler bleibt zwar bei ihrem Nein zum umstrittenen Mercosur-Abkommen mit Südamerika: "Hier stehen wir klar auf der Seite unserer Bauern und dürfen das Kind nicht mit dem Bad ausschütten", sagte sie. Aber sie lässt sich angesichts der Trump-Krise auch eine Hintertür offen, die Grünen seien nicht gegen Freihandel. Und gegen Trump müsse man als "geeinte EU auftreten".

Energieministerin Leonore Gewessler sowie Vizekanzler von Deutschland Robert Habeck (GRÜNE) am Dienstag, 12. Juli 2022, anl. des Foto- und Filmtermins "Besichtigung der Wärmepumpe im Kraftwerk Simmering" in Wien.
Das Vorbild Gewesslers ist klar, es ist der (abgewählte) deutsche Umwelt- und Wirtschaftsminister Robert Habeck, der die Grünen auf einen beinharten Realo-Kurs trimmte. Seine österreichische Freundin Leonore wird das in Österreich versuchen - mit dem Ziel, in Richtung Neos abgewanderte Bürgerliche zurückzuholen und eventuell auch bei ÖVP und SPÖ wählertechnisch zu wildern.