Gute Themenlage

Experten trauen FPÖ Sieg bei EU-Wahl zu

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Die FPÖ hat aus Experten-Sicht gute Chancen, bei der EU-Wahl am 9. Juni 2024 Platz 1 zu erreichen.

Sowohl Meinungsforscher Peter Hajek als auch Polit-Berater Thomas Hofer verwiesen im APA-Gespräch auf die für die freiheitliche Wählerschaft bei einer EU-Wahl ungewöhnlich hohen Mobilisierungsgrad. Den Grund dafür sehen beide in der internationalen Themenlage, die der FPÖ, aber auch anderen rechten Parteien in Europa, entgegenkomme.

Bisher seien viele freiheitliche Wähler aufgrund der EU-Skepsis gar nicht zu Europawahlen hingegangen, daher habe die FPÖ meist bei EU-Wahlen deutlich schlechter abgeschnitten als auf nationaler Ebene, so Hofer. FPÖ-Chef Herbert Kickl habe es aber geschafft, eine "gewisse Dringlichkeit" für die eigene Wählerschaft zu vermitteln, sagte Hofer mit Verweis auf die jüngste Umfrage von Peter Hajek von Anfang Dezember, die die FPÖ mit 30 Prozent deutlich vor SPÖ (24) und ÖVP (23) sieht.

EU massiv unter Druck

Laut Hofer sei es bisher für die Rechtsfraktionen europaweit schwierig gewesen, "so etwas zu zimmern wie eine 'nationale Internationale'". Aufgrund der internationalen Krisensituationen und aufgrund des Umstandes, "dass die EU massiv unter Druck ist", sei es den rechten Parteien nun aber gelungen, die Wählerschaft davon zu überzeugen, dass der Gang zur EU-Wahl relevant sei - und man "korrigierend eingreifen" müsse.

Kickl vermittelt Wählern Chance

Hofer nannte etwa den Ukraine-Krieg, die hohe Inflation, Migrationsströme, die Klimapolitik oder die Corona-Pandemie - Themen, bei der die FPÖ gegen das vermeintliche "Establishment" ankämpfe. Auch habe es Kickl offenbar geschafft, die Stimmung zu vermitteln, dass es "erstmals auch die Chance gibt, in Europa das Ding umzudrehen". Daher setzte der FPÖ-Chef auch stark auf Angriffe gegen internationale Organisationen - neben der EU etwa auch gegen die Weltgesundheitsorganisation WHO.

"Wir da unten gegen die da oben"

Hajek verwies darauf, dass die Stimmung gegenüber der EU laut Eurobarometer immer kritischer werde. "Dieses Themenfeld bespielt die FPÖ mit dem Elitenthema 'Wir da unten gegen die da oben'." Die EU sei in dieser Gemengelage der großen Krisen ein "wichtiger Player". "Dementsprechend ist sie viel deutlicher im Verständnis der Menschen verankert. Und diese politischen Strömungen, die wir in Österreich sehen, sehen wir in vielen andern europäischen Ländern auch", so Hajek, der die Migration nach wie vor als das Top-Thema für die FPÖ bezeichnete. Auch Hofer hält den "Frame des Bevölkerungsaustausches" für die FPÖ für wichtig, wenngleich die Partei mittlerweile auch andere Themen habe.

Die FPÖ zeichne stets das Bild des "Freiheitsframe versus des Unterdrückungsframe", so Hofer "Das dekliniert Kickl bei jedem Thema durch", sei es bei Covid, den Maßnahmen gegen den Klimawandel, den EU-Sanktionen gegen Russland, die die FPÖ für die Teuerung verantwortlich macht oder auch beim Thema der sogenannten "Wokeness". Mit all diesen Inhalten hätten die europäischen Rechten erstmals auch eine "gemeinsame Klammer", so der Experte, der unter anderem auch auf den gemeinsamen Auftritt von Kickl und der deutschen AfD-Chefin Alice Weidel in Österreich hinwies.

Opportunismus bei Blauen

Auch gehe es der FPÖ nicht unbedingt immer um Inhalt, sie beziehe vielmehr auch oft rein um der Unterscheidung Willen eine Gegenposition, so Hajek: "Die freiheitliche Partei ist nicht nur eine populistische, sondern zum Teil auch eine opportunistische Partei." So verwies der Meinungsforscher etwa darauf, dass Kickl zum Beginn der Corona-Pandemie für strikte Maßnahmen eintrat - dann aber eine Kehrtwendung vollzog, als die Stimmung in Teilen der Wählerschaft kippte und alle anderen Parteien noch für starke Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus eintraten.

Das große Problem der ÖVP

Die ÖVP, die von den ehemals 34,6 Prozent aus dem Jahr 2019 stark verlieren dürfte, habe das generelle Problem, dass sie "auf allen Linien massiv an Glaubwürdigkeit verloren hat", sagte Hajek. Noch dazu habe sich die Partei "ohne Not" in eine Spitzenkandidatendebatte hinein manövriert, verwies der Meinungsforscher auf die Entscheidung des langjährigen EU-Abgeordneten Othmar Karas, nicht mehr anzutreten. Dies sei "vollkommen unnötig" gewesen. Wenn man einen Kandidaten nicht mehr wolle, dann müsse man sich rechtzeitig um eine Alternative kümmern, so Hajek, der nach der Absage von Karoline Edtstadler keinen geeigneten Kandidaten verorten konnte.

Gusenbauer bremst SPÖ

Zur SPÖ sagte Hofer, diese versuche, ihren "Markenkern" wieder zu beleben, werde aber von Ereignissen wie der Verbindung von Ex-Parteichef Alfred Gusenbauer zur Signa-Holding oder dem Aufsehen rund um die Widmung von Schrebergartengrundstücken im Dunstkreis von SPÖ-Lokalpolitikern gebremst. Für Hajek steht die SPÖ derzeit für "nichts außer für die solidarische Gemeinschaft", außenpolitisch sehe man seitens der Sozialdemokratie wenig. Die SPÖ spreche zwar sozialdemokratische Kernthemen wie die Kinderarmut an, diese würden laut Hajeks Meinung aber seitens der Wählerschaft nicht als die größten Probleme wahrgenommen werden.

Ebenfalls noch auf der Spitzenkandidaten-Suche sind die Grünen. Für Hajek spielt diese Funktion bei der Öko-Partei ebenso wie bei den NEOS eine weniger entscheidende Rolle als bei FPÖ, SPÖ und ÖVP. Denn sowohl Grüne als auch NEOS seien Parteien mit einer klar proeuropäischen Haltung. Das Klimathema spiele laut Hajeks Aussagen eine geringere Rolle als gemeinhin angenommen: Dieses sei für die Wähler zwar wichtig, aber für viele nicht das wichtigste Thema.

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