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Wiens Bürgermeister

Ludwig über Song Contest: "Kein Boykott israelischer Künstlerin"

Wiens Bürgermeister war am Dienstagabend zu Gast bei Isabelle Daniel auf oe24.TV. 

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sprach sich im oe24.TV-Interview klar für eine Teilnahme der israelischen Künstlerin beim Song Contest in Wien aus. 

oe24.TV: Herr Bürgermeister, ich fange mit zwei Fragen jenseits der tagesaktuellen Politik an. Es gab letzte Woche einen Freispruch für eine Jugendbande, die wegen geschlechtlicher Nötigung bzw. Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung einer damals 12-Jährigen angeklagt war. Rund um das Urteil gibt es heftige Reaktionen. Wie sehen Sie das?

Michael Ludwig: Prinzipiell habe ich Vertrauen in die österreichische Justiz, aber natürlich bringt dieses Urteil eine Diskussion in Fahrt, wo man manche gesetzliche Rahmenbedingungen hinterfragen wird. Die Justizministerin hat ja schon angekündigt, hier auch eine Verschärfung des Sexualstrafrechts anzudenken. Dieser Fall zeigt eines wieder sehr deutlich: dass die Abschaffung des Jugendgerichtshofes durch die damalige Bundesregierung ein schwerer Fehler war. Ich bin überzeugt, dass auch dieses Verfahren im Rahmen eines Jugendgerichtshofes anders abgelaufen wäre. 

Ludwig
© oe24.TV

oe24.TV: Ein anderes Thema, das vor allem international emotionalisiert, ist der Song Contest, der in Wien stattfinden wird...

Ludwig: Erfreulicherweise.

oe24.TV: Ja, aber vielleicht ist der Rest nicht ganz so erfreulich. Es gibt ja jetzt eine hitzige Debatte, ob man die Künstlerin aus Israel am Song Contest in Wien teilnehmen lassen sollte. Sie ist ja nicht die Vertreterin der Regierung, sondern noch dazu eines regierungskritischen Senders. Jedenfalls wird es nun eine Abstimmung geben. Wie sehen Sie das?

Ludwig: Ich habe auch in der Öffentlichkeit kundgetan, dass ich dafür bin, dass diese israelische Künstlerin am Song Contest teilnimmt. Die möchte eigentlich den Song Contest wahrnehmen als ein internationales Fest des Friedens und des Miteinanders. Die Grundidee war ja auch, dass der Eurovision Song Contest die Menschen zusammenführt. Daher ist das Ausschließen einer Künstlerin meines Erachtens nicht sinnvoll und auch abzulehnen. Da habe ich mich klar deklariert.

oe24.TV: Sie sind ja auch Historiker. Was würde es bedeuten, wenn die European Broadcasting Union (EBU) sagt: Jetzt hat eine Mehrheit der Staaten gesagt, Israel solle nicht teilnehmen, eine israelische Künstlerin in Wien.

Ludwig: Ich glaube nicht, dass das stattfinden wird und ich bin auch überzeugt, dass viele Länder, die jetzt andenken, den Song Contest zu boykottieren, wenn es dann soweit ist, sich das anders überlegen. Die Bevölkerung in all diesen Ländern möchte eigentlich Frieden, möchte auch dieses Miteinander erleben und beim letzten Mal waren 170 Millionen Menschen weltweit beim Song Contest mit dabei und von daher sollte man das den Menschen nicht verwehren und auch nicht den Künstlerinnen und Künstlern, die ja gerne auch mitwirken wollen bei diesem Song Contest.

oe24.TV: Die Künstler sind ja auch keine Vertreter einer Regierung. 

Ludwig: Ja richtig. Das kommt ja auch noch dazu, dass ich generell den Boykott von Künstlerinnen und Künstlern, aber auch von Sportlern und überhaupt Menschen für sinnlos erachte. Man kennt ja gar nicht deren politischen Hintergrund. 

oe24.TV: Kommen wir noch zur klassischen Innenpolitik, zuerst nach Wien. Wie stark muss Wien denn noch weitersparen?

Ludwig: Ich habe für das laufende Budget eine Reduzierung von 500 Millionen Euro angekündigt. Das ist eine große Herausforderung, aber ich bin überzeugt, dass wir da auf einem guten Weg sind. Aber die Rahmenbedingungen sind sehr fordernd - für alle Bundesländer, für alle Gemeinden. 

oe24.TV: Es wurde auch eine Reformpartnerschaft zwischen Bund, Ländern und Gemeinden angekündigt. Laufen da schon die Gespräche? Es gibt einige, die behaupten, es würde gar keine Gespräche zwischen Bund und Ländern geben. 

Ludwig: Es gibt zu all diesen Themen-Schwerpunkten Arbeitsgruppen, die sich auch schon getroffen haben und wo es auch erste Überlegungen gibt, wie man hier weiterkommt. Und von daher wird es dann wichtig sein, in einem weiteren Schritt dann alle diese Ergebnisse zusammenzuführen und die Konsequenzen daraus abzuleiten. Aber es gibt da sehr intensive Gespräche. 

oe24.TV: Wie schaut es da aus, etwa beim Thema Gesundheit? Weil das ist natürlich allein schon aus demografischen Gründen ein sehr dringendes Problem.

Ludwig: Ja, Gesundheit ist eines der zentralen Schwerpunktthemen, zu Recht auch, denn Gesundheit ist für alle Menschen wichtig. Erfreulicherweise gibt es große Fortschritte in der Apparatemedizin, es gibt große Fortschritte in der Pharmazie, allerdings verbunden auch mit höheren Kosten. Mein Anspruch ist, dass alles, was es gibt, auch für alle Menschen unabhängig von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zugänglich gemacht werden muss. Aber das sind natürlich Kostensteigerungen, die für alle spürbar sind. Ich habe ja einen Vorschlag gemacht, auch stärker zu Gesundheitsregionen zu kommen. Das gilt insbesondere für uns im Osten mit Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. 

oe24.TV: Aber was heißt das konkret? Weil gleichzeitig hat Gesundheitsstadtrat Peter Hacker gesagt, er will eigentlich keine oder weniger Gastpatienten aus Niederösterreich aufnehmen. 

Ludwig: Es muss eine stärkere Abstimmung geben. Es gibt ja einen Gesundheitsplan auf österreichischer Ebene und ich glaube, den muss man stärker vorantreiben. Und es ist nicht so, dass wir keine Gastpatienten betreuen wollen. Wir haben nur einen sehr hohen Anteil und einen stark steigenden Anteil. 40 Prozent aller Gastpatienten in Österreich werden in Wien betreut, was dazu führt, dass es zum einen Wartezeiten für die Wiener Bevölkerung gibt und zum anderen eine stark steigende Kostenentwicklung. Nach Abzug aller Gegenverrechnungen, also dass auch Wienerinnen und Wiener in anderen Bundesländern betreut werden und dass wir auch einen Anteil bekommen für die Tätigkeit, gibt es einen Differenzbetrag von 610 Millionen Euro. Vor allem ist das mit einer starken Dynamik versehen. Das waren erst 400 Millionen Euro, jetzt sind es 610 Millionen und es ist davon auszugehen, dass das im nächsten Jahr noch mehr ausmacht.

oe24.TV: Und da muss man dann noch länger auf Operationen warten. 

Ludwig: Richtig. Und man muss bei all dieser Diskussion rund um die Gastpatienten immer deutlich machen: Es geht nie um Aktufälle, es geht nie um Akutoperationen. 

oe24.TV: Also nicht, wenn jemand einen Notfall in Wien hat...

Ludwig: Richtig, das wird sowieso immer behandelt und es geht auch nicht um jene Schwerpunkte, die wir auch bundesweit übernommen haben. Aber bei planbaren Eingriffen fragt man sich, warum man das in Wiener Spitälern absolviert und nicht im eigenen Bundesland. Und das ist eine Diskussion, die wir gerne führen wollen und deshalb habe ich ja auch die Landeshauptleute von Niederösterreich und Burgenland zu solchen Gesprächen eingeladen. 

oe24.TV: Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hat darauf ja bereits reagiert. Und Burgenlands Landeshauptmann?

Ludwig: Da habe ich noch keine Rückmeldung, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass auch das Burgenland erkennen wird, dass es Sinn macht, sich hier über die Bundesländergrenzen zu akkordieren. 

oe24.TV: Es gibt auch die Debatte zwischen Bund und Ländern, wo die Kompetenzen liegen sollen und wer das finanziert. Würden Sie Kompetenzen zum Bund abgeben, der dann auch die Kosten übernimmt?

Ludwig: Ich glaube, dass das Gesundheitswesen in Österreich noch etwas komplexer ist. Es gibt ja noch viel mehr Player außer jetzt Bund und Länder. Wir haben mit den Ärztekammern und mit der österreichischen Gesundheitskasse zusätzlich starke Player. Dann kommen noch andere auch, Privat- und Ordensspitäler, also da gibt es eine sehr komplexe Situation. Im Wesentlichen funktioniert ja vieles auch sehr gut. Also wir haben ja in Österreich ein gut funktionierendes Gesundheitswesen, insbesondere in Wien, weil sonst
hätten wir ja nicht so viele Gastpatienten.

oe24.TV: Naja, es könnte auch heißen, dass es woanders einfach noch viel schlechter ist. 

Ludwig: Es gibt schon gute Gründe, warum man ein Wiener Spital aufsucht. Ich glaube, dass wir wirklich gute Ärzte-Teams haben und sehr gute Pflegerinnen und Pfleger, die auch sehr qualifiziert sind. Wir haben gerade in der Pflege auch einen sehr starken Schritt gemacht in der Ausbildung. Wir haben die Ausbildungsplätze verdoppelt, auch mit dem Wiener Gesundheitsgeld, das wir hier eingesetzt haben. 

oe24.TV: Wir haben in Teilen schon, außer in der Notfallmedizin oder in der Akutmedizin, ein Zweiklassensystem. Wenn man eine Hand-OP braucht und privat versichert ist oder privat zahlt, kriegt man gleich eine Hand-OP. Wenn es öffentlich gehen muss, wartet man sechs Monate bis ein Jahr. Wie kann man das wieder drehen?

Ludwig: Es muss unser Ziel sein, dass alle Menschen gleich behandelt werden, unabhängig von ihrem wirtschaftlichen Hintergrund. Dass es hier auch Verzerrungen gibt, hängt sicher auch damit zusammen, dass es mehr Möglichkeiten gibt, die es früher in dem Ausmaß nicht gegeben hat. Das muss man auch sagen. Ich habe vor 20 Jahren niemanden gekannt mit einer Hüftoperation. Ich kenne jetzt ab einem gewissen Alter niemanden, der nicht schon eine Hüftoperation gehabt hat und bei Augenoperationen beispielsweise ist es genauso. 

oe24.TV: Sie haben vorhin ja auch die Verwaltungsreform angesprochen. Wir erinnern uns, es gab den Österreich-Konvent und Sonstiges. Wird es diesmal wirklich eine Verwaltungsreform geben?

Ludwig: Ich glaube, es gibt laufend Verwaltungsreformen. 

oe24.TV: Aber eine große?

Ludwig: Es gibt immer wieder, gerade auch durch die Einführung der Digitalisierung, Möglichkeiten, die es früher nicht gegeben hat. Wir haben erst jetzt die Webseite Stadt Wien völlig reformiert, mit großem Aufwand auch, wo wir nicht mehr ausgehen vom Organogramm
der Stadt Wien, sondern von den Bedürfnissen der Menschen. Also man sucht jetzt nicht mehr, wenn man Kindergartenplatz braucht, über die MR10 und handelt sich durch, sondern man sucht nach Kindergartenplatz und so könnte jetzt alle Themen durchgehen. Also wir versuchen auch den Einsatz von digitalisierten Möglichkeiten, KI so einzusetzen, dass es für die Menschen, für die Bürgerinnen und Bürger noch leichter wird, die Leistungen in Anspruch zu nehmen.

oe24.TV: Aber Sie planen auch eine Verwaltungsreform für Wien?

Ludwig: Ja, natürlich. 

oe24.TV: Kommen wir noch zur Bundespolitik: Die SPÖ ist ja in der Bundesregierung. Es gibt Teile ihrer Partei, die sagen, da merkt man aber nicht viel davon. 

Ludwig: Ein wichtiger Schritt der gesamten Bundesregierung, aber ganz besonders der SPÖ, ist, dass man Maßnahmen gegen die Teuerung setzt, weil das nicht nur den Wirtschaftsstandort einschränkt, sondern auch die Menschen, die Haushalte ganz massiv trifft. Von daher ist es eine wichtige Themensetzung und Vizekanzler Andreas Babler hat sich ja das Thema Wohnen vorgenommen. 

oe24.TV: Das Wohnen ist österreichweit immer teurer geworden. 

Ludwig: Ja, das ist richtig und darum ist es gut und richtig darüber nachzudenken, wie man hier preisdämpfend hineingreifen kann. 

oe24.TV: Wo sollte man Ihrer Meinung nach konkret eingreifen? Sollte man auch bei den Lebensmittelpreisen etwas machen?

Ludwig: Wir sind alle sehr verärgert darüber, dass es diesen Österreich-Zuschlag gibt. Das ist etwas, wo wir Druck machen, auch auf Ebene der Europäischen Union, aber ich halte es auch wichtig, dass man hier im ständigen Dialog ist, auch mit den großen Handelsbetrieben und auch gemeinsame Lösungen findet, hier diesen Österreich-Zuschlag zu reduzieren oder überhaupt wegzubringen. 

oe24.TV: Was vielfach auch in der SPÖ besprochen wird, ist, ob es nicht doch auch andere Einnahmequellen geben sollte. Da wird dann immer wieder von der Millionärssteuer geredet oder eine höhere Abgabe für Banken und Energiekonzerne. Wie sehen Sie das?

Ludwig: Die Bundesregierung hat sich im jetzigen Regierungsübereinkommen darauf festgelegt, hier keine Schritte zu setzen, was jetzt die Vermögens- und Erbschaftssteuer betrifft. Ich glaube, es wäre richtig, hier einen Schritt zu setzen, denn es werden derzeit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auch die Pensionisten, die in Ausbildung befindlichen Jugendlichen herangezogen und es wäre natürlich sinnvoll, auch die Einnahmen, die man aus der Vermögensentwicklung heranziehen kann, stärker zu berücksichtigen. Ist aber jetzt im Regierungsprogramm nicht vorgesehen, ist aber zu einem späteren Zeitpunkt sicher ein Thema, so wie auch in anderen Ländern.

oe24.TV: Zum Schluss noch: Wie sehen Sie denn Andreas Bablers Performance?

Ludwig: Er hat eine Themenzusammensetzung seines Ressorts, die auch eine sehr bunte ist, hat die Möglichkeit zu vielen Themen Stellung zu nehmen. Die Gefahr ist halt immer, dass man nicht so ein starkes Profil in einem Themenfeld entwickeln kann, aber er hat sich jetzt zum Thema Wohnen beispielsweise sehr stark eingebracht und ich bin überzeugt, dass das eine sehr stabile Bundesregierung ist, die jetzt eine schwierige Phase durchschreiten muss.

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