Die regierende Rathaus-Koalition könnte am Sonntag in Wien ihre Mehrheit verlieren. Trotzdem wird die SPÖ ihre Dominanz in der Bundeshauptstadt behalten.
Es sollte der Coup des Jahres werden: Als sich im vergangenen Jänner eine blau-schwarze Koalition im Parlament abzeichnete, sah Wiens Bürgermeister Michael Ludwig seine Stunde gekommen. Die seit 2020 regierende Koalition aus SPÖ und NEOS zog die für Herbst vorgesehene Gemeinderatswahl auf den 27. April vor, erklärtes Ziel: Das Gegenmodell zu einer Kickl-Stocker-Koalition auszurufen und so die Wahl durch Mobilisierung zu gewinnen.
1,1 Millionen können am Sonntag wählen
Nun, am Sonntag sind zwar 1,1 Millionen Wienerinnen und Wiener zur Wahl aufgerufen - die Umstände sind aber völlig andere: Blau-Schwarz ist an der Kompromissunfähigkeit Herbert Kickls gescheitert, das Land wird von einer Ampel unter SPÖ- und NEOS-Beteiligung regiert, und Ludwig ist im Wahlkampf der Gegner abhanden gekommen.
SPÖ bleibe die klare Nr. 1
Denn dass die SPÖ stärkste Kraft und Ludwig damit Bürgermeister bleiben wird, könnte so manchen SPÖ-Fan entweder zum Daheimbleiben oder gar zum Ankreuzen etwa bei den Grünen bewegen.
Und die FPÖ mit Dominik Nepp kommt zwar von 7 % - am Sonntag werden sie mit ihrem üblichen Rabiat-Populismus zwar über die 20-5-Marke springen. Eine Gefahr für die Roten sind Nepp & Co. - entgegen eigener vollmundiger Ansagen aber eher nicht. Alles über 25 % wäre eine Riesenüberraschung.
Den NEOS kommt Wiederkehr abhanden
Doch auch die NEOS wurden von der Regierungsbildung im Bund überrascht, mit Christoph Wiederkehr kommt ihnen auch noch ihr Spitzenkandidat abhanden, der Bildungsminister wird. Jetzt muss die bisher unbekannte Bettina Emmerling den Laden schupfen.
Ludwig hat deshalb im Wahlkampf wirklich zu kämpfen. Auf der einen Seite locken die Grünen in den westlichen Bezirken, in den großen Flächenbezirken Favoriten, Simmering, Donaustadt und Floridsdorf sehen sich die Freiheitlichen wieder im Aufwind: Jugendkriminalität, Asyl- und Sozialhilfedebatten bringen die SPÖ auf der rechten Seite unter Druck, der Lobautunnel auf der linken. In Simmering und Floridsdorf drohen die Roten gar ihre Mehrheiten zu verlieren, vor allem Simmering könnte wieder Blau werden.
Und so muss Ludwig um die rot-pinke Mehrheit zittern, laut der letzten oe24-Umfrage vor der Wahl wäre sie mit 49 Mandaten knapp weg. Ludwig wird es verschmerzen, stünden doch mit den Grünen und der ÖVP zwei Alternativen zur Verfügung, wobei die ÖVP mit Karl Mahrer wohl die für die SPÖ bequemere Variante wäre.
Nur mit den Blauen, da schließt Ludwig eine Koalition aus. Alles hat sich also nicht geändert, seit dem Scheitern von Schwarz-Blau auf Bundesebene...