Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) drängt vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs auf rasche EU-Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien.
"Lassen wir uns nicht spalten, insbesondere nicht in einer Situation, wo ein russischer Angriffskrieg in der Ukraine tobt, wo Desinformation unsere Gesellschaft spalten soll", sagte Edtstadler nach einem Treffen mit dem nordmazedonischen Regierungschef Dimitar Kovačevski am Mittwoch in Skopje.
Es gebe nunmehr ein "Window of opportunity" (Zeitfenster), sagte Edtstadler anschließend in einem Telefonat mit der APA. Sie hoffe, dass es noch unter französischer EU-Ratspräsidentschaft in diesem Halbjahr zur Eröffnung konkreter EU-Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien komme. Allen Beteiligten sei "klar, dass man so nicht weitermachen kann nach dem russischen Angriffskrieg".
Nordmazedonien konnte wegen eines sprachlich-kulturellen Konflikts mit Bulgarien bisher noch keine EU-Beitrittsgespräche starten, obwohl die EU-Europaminister bereits 2020 grünes Licht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Skopje und Tirana gegeben hatten. Seit Übernahme der neuen bulgarischen Regierung von Premier Kiril Petkow hätten sich "die Dinge exorbitant zum Positiven verändert", sagte Edtstadler. Die bilateralen Gespräche zwischen Bulgarien und Nordmazedonien seien auf gutem Weg. Es gehe dabei um die Stellung der Minderheiten, die von Nordmazedonien in der Verfassung verankert werden sollen. Die Sprachenfrage sei Thema in Arbeitsgruppen.
Beide Balkanländer hatten zuletzt den Dialog vorangetrieben und eine direkte Flugverbindung wieder aufgenommen. Edtstadler hatte im Februar Bulgarien besucht, um eine Annäherung zu unterstützen.
"Es ist vor allem jetzt unsere Pflicht, als Europäische Union endlich zu erkennen, dass der Westbalkan eine Frage der Sicherheit für die Europäische Union ist, und auch eine Frage der Glaubwürdigkeit der Europäischen Union", sagte Edtstadler in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem nordmazedonischen Vize-Premier Bojan Marichikj. "Was möchte (Russlands Präsident Wladimir, Anm.) Putin erreichen? Er möchte spalten. Er möchte insbesondere hier auch im Westbalkan Unsicherheit schüren und (Länder, Anm.) stärker anbinden an ihn. Das werden wir hoffentlich gemeinsam zu verhindern wissen", so die Europaministerin.
"Wir haben keinen Zweifel, an welcher Seite wir stehen sollen", betonte Marichikj, der darauf hinwies, dass sein Land auch der NATO angehört. Im Hinblick auf die EU-Sanktionen gegen Russland betonte er, dass Skopje die gemeinsame Außenpolitik der EU zu hundert Prozent mittrage, nicht nur aufgrund der Verpflichtungen als Beitrittskandidat, sondern auch als seriöser Partner, der an der Seite der Ukraine stehe.
Marichikj verwies außerdem darauf, dass sein Land schon seit 2005 EU-Beitrittskandidat sei, in etwa so lange wie Kroatien, das aber schon seit neun Jahren EU-Mitglied sei. "Wir warten noch immer auf den Beginn der Verhandlungen."
Thema ihrer Gespräche in Skopje sei auch die Energieabhängigkeit von Russland, sagte Edtstadler. Nordmazedonien habe signalisiert, dass es zu hundert Prozent von russischem Erdgas abhänge. Die EU müsse daher auch für die Länder des Westbalkans Alternativen überlegen.
Österreich sei einer der größten Investoren in Nordmazedonien, betonte Edtstadler nach Gesprächen mit heimischen Unternehmern in Skopje. Das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern betrage 241,5 Millionen Euro.