Der Akademikerbund, der der Volkspartei nahesteht, will die Abschaffung des Verbotsgesetzes und bringt damit die Partei in die Bredouille.
In der ÖVP brodelt es, seitdem ÖSTERREICH berichtet hat, dass sich der der Volkspartei nahestehende Wiener Akademikerbund für die ersatzlose Aufhebung des NS-Verbotsgesetzes einsetzt. Die Akademiker fordern außerdem die "generelle Beendigung der Einwanderung" und die Streichung des Gleichbehandlungsgesetzes.
Kaltenegger fordert von Fiedler Distanzierung
Für
ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger steht das Ansinnen "im
direkten Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen" der
Volkspartei. Er fordert daher den Obmann des Österreichischen
Akademikerbundes, Franz Fiedler, auf, "sich sofort und
unmissverständlich" von den Forderungen der Wiener Gruppe zu
distanzieren. "Mit derartigem Gedankengut hat die ÖVP nichts zu tun",
so der ÖVP-General.
Karl für Ausschluss der Wiener
Wissenschaftsministerin
Beatrix Karl, Obfrau des Steirischen Akademikerbundes, hat kein Verständnis
für die Landesgruppe und wird bei der Delegiertenversammlung am Freitag
deren Ausschluss verlangen. Die Steirer würden nicht zulassen, dass "das
Ansehen einer Vereinigung aufgeschlossener Akademiker durch wiederholte
rechtsextreme Ausritte einer politisch isolierten Landesgruppe nachhaltig
beschädigt wird", so Karl. Derartiges Gedankengut dürfe auch unter
dem Deckmantel der Meinungsfreiheit nicht geduldet werden.
Marek kündigt Beziehung auf
Die Wiener ÖVP Wien will dem
Verein den Status als Vorfeldorganisation aberkennen. Noch am Mittwoch soll
ein entsprechender Antrag an alle Funktionäre gehen, so Landesparteichefin
Christine Marek: "Ich will als Wiener ÖVP mit diesem Akademikerbund
nichts mehr zu tun haben." Den Chef der Wiener Akademiker, Josef M.
Müller, will Marek aus der Partei ausschließen - wegen parteischädigenden
Verhaltens. Der Wiener ÖVP-Klubchef Matthias Tschirf hat unterdessen seine
Mitgliedschaft beim Wiener AB gekündigt.
Hakl: "Schwanz wedelt nicht mit dem Hund"
Die
Abgeordnete Karin Hakl, Vorstandsmitglied des Tiroler Akademikerbundes und
Mitglied der Bundesleitung, lässt umgehend wissen, dass sich die Meinung der
Wiener in keiner Weise mit ihrer Weltanschauung und ihrer politischen und
persönlichen Meinung decke. Dieses Schreiben nehme den Akademikerbund und
seine Landesgruppen nicht in Mithaftung. Das wäre, als würde der Schwanz mit
dem Hund wedeln, so Hakl.
Bandion-Ortner will ermahnen
Für ÖVP-Justizministerin Claudia
Bandion-Ortner ist das NS-Verbotsgesetz "unverzichtbarer Teil unserer
Rechtsordnung". Sollte sich die briefliche Forderung bewahrheiten, will
die sie mahnende Worte an die Führung des Akademikerbundes richten. "Ich
werde mich erkundigen, wer diese Aussagen getätigt hat und wie",
kündigte Bandion-Ortner Recherchen an.
Rudas will Stellungnahme der ÖVP-Spitze
Aus der SPÖ kommen
natürlich auch sofort empörte Stimmen. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura
Rudas findet eine "offizielle Stellungnahme der ÖVP-Spitze mehr als
angebracht. Dass wichtige Errungenschaften der Republik in Frage gestellt
würden, sei untragbar. "Ich empfehle dem Akademikerbund sich
eingehend mit den Themen Nationalsozialismus und Gleichberechtigung
auseinanderzusetzen", so Rudas.
Glawischnig findet Brief "skandalös"
Die Grüne
Klubobfrau Eva Glawischnig schlägt in die gleiche Kerbe. Sie findet eine
klare Stellungnahme und Distanzierung seitens ÖVP-Chef Josef Pröll und
Klubchef Karl-Heinz Kopf von den Wünschen in dem "skandalösen Brief"
der Akademiker "unabdingbar". "Lückenhafte"
Einzeldistanzierungen seien nicht akzeptabel. Immerhin bedeute das Ende des
Verbotsgesetzes, dass Parteien nach dem Zuschnitt der NSDAP wieder erlaubt
wären.
Vassilakou: "Rechtsextreme Flecken"
Die Klubobfrau der
Wiener Grünen, Maria Vassilakou, bezeichnet den Wiener Akademikerbund als "Ort
extremistischer Strömungen". Das müsse der ÖVP bekannt sein, auch
weil es nicht das erste Mal sei, dass die Wiener in dieser Hinsicht
auffallen würden. Erst vor wenigen Monaten hätten sie einen Brief mit
rassistischem Inhalt verschickt, der auch Vassilakou zugegangen sei.
Spätestens hier hätte die ÖVP "begreifen müssen, dass es
einen rechtsextremen Fleck gibt". Die heutige Distanzierung käme daher
zu spät und wirke verlogen.
Pröll will "kategorische Bereinigung"
Um 12:51
ist endlich eine Stellungnahme der ÖVP-Spitze eingetroffen: "In
der Österreichischen Volkspartei gibt es keinen Platz für derartiges
Gedankengut. Wir distanzieren uns unmissverständlich von Forderungen des
Wiener Akademikerbundes, die u.a. auf die Aufhebung des NS-Verbotsgesetzes
oder die Abschaffung des Gleichbehandlungsgesetzes abzielen. Derartiges
Gedankengut wird von uns in der ÖVP nicht geduldet", so
Bundesparteichef Josef Pröll und Klubchef Karlheinz Kopf einhellig. Derzeit
werden alle rechtlichen und statutarischen Möglichkeiten geprüft, um in
dieser Angelegenheit für eine restlose und kategorische Bereinigung zu
sorgen.
Müller und Wiener rausgeschmissen
Diese "kategorische
Bereinigung" ist am Nachmittag vollzogen worden. Der Obmann des Wiener
Akademikerbundes Josef M. Müller wurde mit sofortiger Wirkung aus der ÖVP
ausgeschlossen. Das wurde durch einen Rundlaufbeschluss der Wiener
Landesgruppe im Eilverfahren erreicht. Zudem wird sich der Wiener
Akademikerbund zukünftig nicht mehr als ÖVP-nahe Organisation bezeichnen
können.
Fiedler distanziert sich von Inhalten
Der Präsident des
Österreichischen Akademikerbundes, Franz Fiedler, hat sich kurz darauf von
der Forderung seiner Wiener Landesorganisation distanziert. Der Wiener AB
sei aber ein eigenständiger Verein mit eigenen Statuten und Organen, so
Fiedler. Ein Ausschluss der Landesorganisation käme für Fiedler zu früh,
vorerst müsse abgeklärt werden, wer für den Inhalt des "ominösen
Briefs" verantwortlich sei.
"Der Wiener Akademikerbund ist eine von vielen Landesgruppen unter einem Dach", so Fiedler. Der ehemalige Rechnungshofpräsident will zuerst wissen, ob der Inhalt des Briefes eine Sache einzelner oder der ganzen Landesgruppe sei. Bei der Delegiertenkonferenz am Freitag werde man das Thema natürlich behandeln, auch einen Ausschluss der Wiener Organisation: "Vermutlich wird man die Sache diskutieren müssen."