Die Große Koalition von SPÖ und ÖVP ist seit einem Jahr im Amt. Die Österreicher stellen den Ministern ein schlechtes Zeugnis aus: Fast alle verspielten ihr Vertrauen.
Die Einjahres-Bilanz der Großen Koalition fällt nach Ansicht der Österreicher vernichtend aus. Im Umfrage-Vergleich zum Vorjahr sind fast alle Minister in der Gunst des Wahlvolks – zum Teil dramatisch – abgestürzt.
Kdolsky im Sturzflug
Große Verliererin der Umfragen, die das
renommierte Meinungsforschungsinstitut Gallup im Auftrag für ÖSTERREICH
durchgeführt hat, ist VP-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky. Sie startete
am 11. Jänner 2007 als neues, frisches Gesicht in der Volkspartei mit plus
sechs Prozent Vertrauenssaldo (Differenz zwischen positiver und negativer
Bewertung). Heute, ein Jahr später, liegt sie bei minus 20 Prozent. Dass sie
der Öffentlichkeit mehr über ihre Scheidung und die neue Liebe erzählt hat,
als diese jemals von ihr wissen wollte, schadete Kdolsky massiv. Politisch
nehmen ihr die Wähler übel, dass sie im Vorjahr kein neues Gesetz zum
Nichtraucher-Schutz zustande gebracht hat.
Buchinger verliert
Auch der zweite große Selbstdarsteller der
Regierung, SP-Sozialminister Erwin Buchinger, stürzte in den vergangenen
zwölf Monaten ab. Er hatte das ganze Jahr über zu den beliebtesten
Politikern gezählt. Doch die aktuelle Pflege-Debatte, die in seinen
Verantwortungsbereich fällt, brachte Buchinger allein im Vergleich zum
Vormonat ein Minus von 14 Prozentpunkten ein.
Schüssels Schatten
Auffällig: Bei den anderen Ministern,
die große Verluste aufweisen, sind vor allem die routinierten
Regierungsmitglieder der ÖVP zu finden: Allen voran Vizekanzler Wilhelm
Molterer (minus 22), Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (minus zwölf)
und Innenminister Günther Platter (minus elf). Sie waren vor einem Jahr mit
mehr Vorschusslorbeeren gestartet als die vergleichsweise unbekannten
SP-Minister. VP-Parteiobmann Molterer schadete zudem, dass es ihm im ersten
Jahr der Regierung Gusenbauer nicht gelang, aus dem langen Schatten seines
Vorgängers und Mentors Wolfgang Schüssel zu treten, der als VP-Klubobmann im
Parlament noch immer die Fäden im Hintergrund zieht.
Großes Plus für Gusi
Der überraschende Sieger des
Umfrage-Vergleichs heißt Alfred Gusenbauer. Zur Freude besteht für den Chef
der Regierung dennoch wenig Anlass, denn sein hoher Vertrauensgewinn (plus
15 Prozent) liegt vor allem daran, dass er von allen Regierungsmitgliedern
vom niedrigsten Niveau weg gestartet ist. Mittlerweile ist es ihm zwar
weitgehend gelungen, die gebrochenen Wahlversprechen vergessen zu machen und
das Umfaller-Image etwas auf Staatsmann aufzupolieren. Einen echten
Kanzlerbonus konnte er jedoch bislang nie aufbauen.
Kein Kanzler-Image
Gusenbauer ist daher wenig überraschend auch
jenes Regierungsmitglied, das die Erwartungen der Wähler am meisten
enttäuscht hat (46 Prozent). Er polarisiert allerdings wie kein anderer: 27
Prozent sehen ihre Erwartungen andererseits erfüllt – immerhin Rang fünf.
Gusenbauer steht somit nach dem ersten Viertel seiner Amtszeit exakt in der
Mitte zwischen top und Flop. Er muss also in den nächsten Monaten Power
zeigen, um das Ruder zu seinen Gunsten herumreißen zu können.
Die stabilen Minister
Für vier Minister änderte sich 2007 wenig:
VP-Außenministerin Ursula Plassnik hielt sich mit Sachpolitik konsequent an
der Spitze. Knapp dahinter steht VP-Umweltminister Josef Pröll, der als
Regierungskoordinator mit SP-Verkehrsminister Werner Faymann um inhaltliche
Arbeit bemüht ist. Am anderen Ende der Skala: SP-Verteidigungsminister
Norbert Darabos belegte abwechselnd mit Kdolsky den letzten Platz.
Eurofighter und Tschadeinsatz brachten in der Bevölkerung wenig Sympathie.
Wer enttäuschte die Wähler? Gusenbauer und Kdolsky Flop
A.
Gusenbauer: 46% der Österreicher vom Kanzler enttäuscht.
A.
Kdolsky: 41% sehen ihre Erwartungen nicht erfüllt.
N. Darabos: 40%
erwarteten vom SPÖ-Minister mehr.
W. Molterer: 39% sind mit dem
ÖVP-Spitzenmann unzufrieden.
E. Buchinger: 34% sind wegen
Pflege-Debatte verstimmt.
Wer erfüllte die Erwartungen? Plassnik und Pröll top
Ursula
Plassnik: 39% sind mit der routinierten Ministerin zufrieden.
Josef
Pröll:35% haben am ÖVP-Mann nichts auszusetzen.
Günther
Platter: Für 35% agiert der Innenminister wie vermutet.
Martin
Bartenstein: 27% sehen ihre Erwartungen von ihm erfüllt.
A.
Gusenbauer: 27% der Österreicher halten zum Kanzler.