Im Streitgespräch

Strache attackiert jetzt Arigona

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FP-Chef HC Strache und Grüne E. Glawischnig über die Abschiebung Arigonas.

ÖSTERREICH: Frau Glawischnig, der Verfassungsgerichtshof hält die Abschiebung Arigonas für rechtens. Sie sind weiter gegen eine Abschiebung, oder?

Eva Glawischnig: Selbstverständlich hat ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof eine letztgültige Wirkung. Ich würde mir aber wünschen, dass das für alle Fragen gilt, also auch für die Ortstafeln. Im Fall von Arigona ist aber die Menschlichkeit unter die Räder gekommen. Hier wurde eine Familie durch die Härte der Innenministerin zerstört. Arigona wurde zum Spielball der Politik. Und ich sehe es als Verantwortung der Politik, dieser Familie zu helfen.

Heinz-Christian Strache: Es handelt sich um eine Familie, die illegal eingereist ist, die von Anfang an Asylmissbrauch betrieben hat. Da wurde der Rechtsstaat mit Füßen getreten. Und die Politik hat acht Jahre lang zugeschaut, wie man ihr auf der Nase herumgetanzt hat. Der Verfassungsgerichtshof hat unserer Linie recht gegeben.

ÖSTERREICH: Das heißt, Sie haben kein Mitgefühl mit Arigona? Sie sind für ihre Abschiebung?

Strache: Die Verantwortung lag bei den Eltern, die mit ihren fünf Kindern illegal eingereist sind. Natürlich muss diese Familie nach dem Asylmissbrauch abgeschoben werden.

Glawischnig: Wissen Sie, was wirklich Missbrauch ist? Wenn man russischen Oligarchen für Parteispenden Staatsbürgerschaften anbietet, wie Ihre FPK in Kärnten. Menschen wie Arigona, die gut ausgebildet und integriert sind, sollen gehen. Sie wollen eigentlich gar keine Ausländer. Das ist wirtschaftlich dumm. Und Sie stehen an der Spitze jener, die diese Blödheiten wollen. Die reichen Russen dürfen bleiben, aber die gut integrierte Familie Zogaj muss gehen?

Strache: Das ist Ihre Methode, Frau Glawischnig. Das ist Ihre Hetze und Lüge. Die FPÖ hat nie irgendwelche Gelder von Russen für Staatsbürgerschaften erhalten. Für diese Aussage werde ich Sie klagen.

Glawischnig: Sind Sie jetzt zu feig, um eine politische Auseinandersetzung zu führen?

Strache: Sie verbreiten Lügen und schützen kriminelle Elemente. Der Vater von Arigona und ihre Brüder waren kriminell.
Glawischnig: Sie unterstützen die Russenmafia! Nicht Arigona oder ihre zwei kleinen Geschwister sind kriminell, sondern diese Leute, denen das FPK Staatsbürgerschaften anbietet.

Strache: Auch für diese Aussage werde ich Sie klagen. Der einzige rechtskräftig Verurteilte ist Ihr Peter Pilz.

Glawischnig: Das ist jetzt wirklich klagbar. Hören Sie doch endlich auf zu jammern. Argumentieren Sie doch mal politisch. Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wie es im Kosovo ausschaut? Wissen Sie, welches Glück wir haben, dass wir in Österreich geboren wurden? In der Region, in die Arigona zurückmüsste, gibt es eine Jugendarbeitslosigkeit von 75 Prozent.

ÖSTERREICH: Herr Strache, was halten Sie vom Angebot von Innenministerin Fekter, wonach Arigona in den Kosovo zurückkehren und dann etwa ein Schülervisum beantragen solle?

Strache: Die Innenministerin hat schon völlig versagt und will dann auch noch gute Ratschläge erteilen? Da kann man sich ja nur auf den Kopf greifen. Arigona soll zurück in den Kosovo und dort die Schule fertig machen. Und Frau Glawischnig: In Spanien gibt es auch eine Jugend­arbeitslosigkeit von 25 Prozent. Wenn es nach Ihnen geht, würden Sie aus ganz Österreich ein riesiges Traiskirchen machen.

Glawischnig: Das stimmt überhaupt nicht. Verstehen Sie denn nicht, was man dieser Familie angetan hat? Dass sie bestens integriert ist und in eine schreckliche Lebenslage in den Kosovo zurückkehren müsste? Was für Ausländer wollen Sie denn?
Strache: Ich will die anständigen …

Glawischnig: Die Anständigen? So ein Quatsch …

Strache: Sie haben überhaupt kein Benehmen, Frau Glawischnig! Lassen Sie mich endlich ausreden. Und tun Sie nicht ständig so, als gäbe es im Kosovo noch einen Bürgerkrieg. Arigona kann dort ganz normal die Schule besuchen. Ihre Familie besitzt dort ein großes Haus.

Glawischnig: Das ist eine Bruchbude. Und es gibt dort keine vergleichbare Schule, in der Arigona ihre Ausbildung beenden könnte. Kapieren Sie das nicht?

ÖSTERREICH: Herr Strache, Sie sind also strikt gegen eine Rückkehr Arigonas?

Strache: Als großjähriger Mensch könnte sie irgendwann einmal einen Antrag für eine Arbeitsgenehmigung stellen. Aber jetzt soll sie zurück und im Kosovo ihre Ausbildung beenden. Wissen Sie, wie viel Geld Österreich in den Wiederaufbau gesteckt hat? Man kann dort bestens wieder leben.

Glawischnig: Na, dann übersiedeln doch Sie in den Kosovo, wenn das alles so lustig dort ist. Sie sind einfach nur zynisch und menschenverachtend.

Strache: Es ist wirklich unfassbar, was Sie da für einen Unsinn verzapfen.

Glawischnig: Sie kommen mir vor wie ein 18-Jähriger, der immer nur auf die Schwachen losgeht.

ÖSTERREICH: Was ist denn nun die Lösung? Wie wollen Sie Arigona helfen, Frau Glawischnig?

Glawischnig: Die Familie Zogaj hat kein humanitäres Bleiberecht erhalten, weil sie zum Spielball der Politik wurde, und das ist eine Sauerei! Jetzt sind alle politischen Kräfte, die diese Tragödie verursacht haben, aufgefordert, dieser Familie zu helfen.

Strache: Frau Glawischnig verteidigt halt immer die Rechtsbrecher. Die Familie soll im Kosovo zusammengeführt werden. Und in der Zukunft muss solch eine verfehlte Asylpolitik verhindert werden. Man darf den Staat Österreich nicht belügen.

Moderation: Isabelle Daniel

,Arigona braucht jetzt gute Schulnoten‘

Mittwoch früh, Landwiedstraße, Höhere Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe. Arigona Zogaj besucht hier die zweite Klasse des dreijährigen Jahrgangs: „Jetzt stehen die letzten Prüfungen an“, sagt Pfarrer Josef Friedl, einer der engsten Vertrauten der Familie: „Arigona möchte sich hundertprozentig auf den Unterricht konzentrieren“, sagt er, jede Diskussion störe sie dabei bloß.

Das Mädchen braucht einen positiven Abschluss der zweiten Klasse. Deshalb sei auch der Zeitpunkt der Urteilsverkündung „mit wenig Fingerspitzengefühl“ gewählt, sagt der Priester. Man hätte damit schon noch einige Tage warten können. Arigonas Geschwister Albin, 11, und Albona, 10, besuchen die Volksschule.

Der Pfarrer: „Ich rate zur freiwilligen Ausreise!“
„Ersatzvater“ Friedl hat am Dienstag spät abends die Familie in Frankenburg besucht, dem Wohnort der Zogajs. Pfarrer Friedl blieb bis Mitternacht, unterhielt sich ausführlichst mit Arigona und ihrer Mutter. Alle Punkte wurden diskutiert, auch jener der freiwilligen Ausreise. Pfarrer Friedl unterstützt diese Variante: „Ich rate Arigona dazu und werde die Familie dabei auch unterstützen“, sagt Friedl zu ÖSTERREICH.

Auch Arigonas persönlicher Flüchtlingsberater, Christian Schörkhuber von der Volkshilfe, befürwortet die Ausreise: „Vorausgesetzt, niemand legt ihnen bei der Wiedereinreise Steine in den Weg.“

Das allerdings ist der Knackpunkt. Arigona und ihre Familie haben keinerlei Sicherheit, dass ihre Ansuchen auf Wiedereinreise jemals positiv erledigt werden. Deshalb sind Arigona und ihre Berater auch mit allen Erklärungen extrem zurückhaltend: „Es bleibt ja noch einige Wochen Zeit, darüber nachzudenken, wie die nächsten Schritte konkret aussehen werden“, sagt Pfarrer Friedl. Bisher sei der VfGH-Beschluss der Familie auch noch nicht offiziell zugestellt worden. Friedl: „Die Kinder werden wohl in Ruhe ihr Schuljahr beenden können. Das ist derzeit das Wichtigste.“

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Mai 2002: Sein Asylantrag wird abgelehnt.

Mai 2001: Arigonas Vater reist illegal nach Österreich ein und stellt einen Asylantrag.

September 2002: Frau Zogaj und die fünf Kinder stellen Asylanträge.

November 2002: Das Asylverfahren wird für die ganze Familie in zweiter Instanz negativ entschieden. Herr Zogaj stellt einen zweiten Asylantrag.

Februar 2003: Der Asylantrag des Vaters wird abgelehnt, er erhält den Ausweisungsbescheid.

Dezember 2003: Der Verfassungsgerichtshof lehnt eine Asylbeschwerde ab.

April 2005: Die Bezirkshauptmannschaft (BH) Vöcklabruck fordert die Familie zur Ausreise auf.

Juli 2007: Die Zogajs legen beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde ein.

26. September 2007: Die Familie Zogaj wird von der Polizei abgeholt, Arigona verschwindet.

27. September 2007: Arigonas Mutter darf in Österreich bleiben, um nach ihrer Tochter zu suchen. Der Vater und die anderen vier Kinder der Familie werden in den Kosovo geflogen.

30. September 2007: Ein Brief von Arigona taucht auf. Sie droht mit Selbstmord.

10. Oktober 2007: Arigonas Aufenthalt bei Pfarrer Josef Friedl wird bekannt

Mai 2008: Mutter Nurie Zogaj unternimmt einen Selbstmordversuch.

Juni 2008: Arigona und Nurie Zogaj werden aufgefordert, Österreich zu verlassen.

23. Dezember 2008: Die vier Geschwister Zogaj versuchen, aus dem Kosovo nach Österreich einzureisen.

12. Jänner 2009: Drei der vier Geschwister sind illegal nach in Österreich eingereist.

18. September 2009: Die zwei Brüder Arigonas, Alfred und Alban, kehren freiwillig in den Kosovo zurück.

12. November 2009: Das Innenministerium verhängt aufgrund des negativen Asylbescheids die Abschiebung.

14. Juni 2010: Das Verfassungericht entscheidet: Die Abschiebung ist rechtens.

Grüne Vizeparteichef Werner Kogler: "Was die Frau Innenminister hier aufführt, halte ich für widerwärtig."

BZÖ-Generalsekretär Christian Ebner: Es darf keine "Sonderbehandlung für Flüchtlings-VIPs" geben

Vizekanzler Josef Pröll: "Recht muss Recht bleiben"

ÖVP-Innenministerin Maria Fekter: "Arigona darf legal einreisen"

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky: fürchtet "Kuhhandel"

Justizministerin Claudia Bandion-Ortner: "Entscheidungen sind anzuerkennen"

Nationalratspräsidentin Barbara Prammer: "Stellen wir die Sache auf neue Beine und dann ist Ruhe."

OÖ Landeshauptmann Josef Pühringer: "Kommentiere keine Einzelbescheide"

Pfarrer Josef Friedl: "Ich werde sie unterstützen, dass sie jetzt freiwillig ausreisen."

Linzer Bischof Ludwig Schwarz: "Gnade vor Recht" ergehen lassen