Ex-FPÖ-Chef über seinen tiefen Fall

Strache: "Ich war zu naiv"

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Der Ex-Vizekanzler über private Ermittlungen, mögliches Comeback, EU-Mandat und Ex-Freund Gudenus

ÖSTERREICH: Wie geht es Ihnen persönlich? Haben Sie schlaflose Nächte?

Heinz-Christian Strache: Ich versuche nach besten Kräften, diese politische und zugleich persönliche Krise zu bewältigen. Meine Frau Philippa und meine Familie sind mir hierbei eine unersetzliche Stütze und geben mir genauso Kraft wie der unbedingte Wille, dieses auf mich verübte niederträchtige politische Attentat aufzuklären. Natürlich ziehe ich auch ungemeine Kraft aus dem enormen, mir zuteilgewordenen Wäh­lerzuspruch im Zuge der Europawahl, durch den ich ein Direktmandat für das EU-Parlament erlangen konnte.

ÖSTERREICH: Was haben Ihre Recherchen in Sachen Video ergeben? Gibt es neue Erkenntnisse über die Hintermänner? Wie sehr beschäftigen Sie sich mit den Ermittlungen? Von wo bekommen Sie Hinweise?

Strache: Die Aufklärung hat derzeit einzige Priorität für mich. Sie steht vor allem anderen und erfolgt nicht nur in meinem Interesse, sondern auch in dem der FPÖ und der aufgelösten Regierung und unseres Landes, die ein Interesse an lücken­loser Aufklärung haben müssen. Eine von mir eingerichtete Taskforce sowie ein Team von Beratern erlangen täglich neue Erkenntnisse. Diese stammen nicht nur aus der anerkennenswerten Aufklärung einiger Medien, sondern auch eigenen Ermittlungstätigkeiten. Der Informantenschutz, auf den sich die das illegal erstellte Video enthüllenden Medien berufen, erschwert natürlich die Aufklärung, macht diese aber keinesfalls unmöglich. Aus ermittlungstaktischen Gründen und um auch die Arbeit der ebenfalls ermittelnden Staatsanwaltschaften (Strafanzeigen wurden eingebracht) in Österreich und Deutschland nicht zu erschweren, möchte ich zu den Erkenntnissen noch nichts sagen. Wir wollen nicht spekulieren, sondern uns auf die Kommunikation gesicherter Erkenntnisse beschränken.

ÖSTERREICH: Wenn strafrechtlich nichts übrig bleibt: Sehen Sie dann trotz Ihrer bedenklichen Aussagen kein Hindernis für die Fortsetzung Ihrer politischen Karriere?

Strache: Ich bin ein leidenschaftlicher Vollblut-Politiker, dem seine Arbeit für die FPÖ und seine Wähler immer viel bedeutet hat. Das legt man nicht so einfach ab. Es ist jetzt aber nicht der Zeitpunkt, über meine politische Zukunft zu befinden. Die Aufklärung aller Vorgänge steht an erster Stelle. Ich habe mich immer korrekt, rechtsstaatlich, gesetzeskonform und auf Basis unseres FPÖ-Programmes verhalten. Und die letzten eineinhalb Jahre meiner Arbeit als Vizekanzler und Minister sind der beste Beweis dafür.

ÖSTERREICH: Halten Sie eine Neuauflage von Türkis-Blau für denkbar nach allem, was vorgefallen ist?

Strache: Meine Enttäuschung über den Wortbruch von Sebastian Kurz ist verständlicherweise groß. Dieser hatte mir angesichts meines ansonsten bedingungslosen Rücktritts und Verzichts auf alle Ämter und Funktionen zugesagt, dass er an der Koalition mit der FPÖ und ­damit erfolgreichen Regierungsarbeit festhalten werde, ohne Wenn und Aber. Daran hat er sich nicht gehalten. Dennoch, angesichts der erfolgreichen Zusammenarbeit ist eine Neuauflage natürlich denkbar, obgleich Vertrauen zerstört wurde und stets auch andere Bündnisse in Betracht kommen. Ich habe hier volles Vertrauen in den designierten FPÖ-Bundesobmann Norbert Hofer und sein Team.

ÖSTERREICH: Wie beurteilen Sie die neue Bundeskanzlerin Bierlein?

Strache: Ich schätze die VfGH-Präsidentin Bierlein fachlich und menschlich sehr.

ÖSTERREICH: Ist Rot-Blau eine Option? Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit von SPÖ und FPÖ in den letzten Tagen? Zweckgemeinschaft oder Option für die Zukunft?

Strache: Es gibt nunmehr eine unabhängige Beamtenregierung, welche unser Land bis zu einer NR-Wahl führt. Als Demokrat soll man Optionen nie ausschließen und inhaltliche Gemeinsamkeiten mit allen Parteien suchen und gute Inhalte für Österreich umsetzen.

ÖSTERREICH: Hat Sie das Vorzugsstimmen-Ergebnis überrascht? Was sagen Sie zum Ergebnis der FPÖ generell?

Strache: Das Ergebnis hat gezeigt, dass sich unsere freiheitlichen Wähler von dem politischen Attentat, das auf die bis zum 17. 5. 2019 erfolgreich arbeitende Regierung sowie meine Person und die FPÖ verübt wurde, nicht haben beeindrucken, beirren und täuschen lassen. Unsere Wähler sind nicht manipulierbar. Damit dürften die Hintermänner des kriminellen Video-Komplotts nicht gerechnet haben, wenngleich der verursachte Schaden enorm groß bleibt. Ich bin meinen Wählern, die mir ein Direktmandat erteilt haben und damit uneingeschränktes Vertrauen entgegenbringen, sehr dankbar und bin mir der damit übertragenen Verantwortung ­bewusst.

ÖSTERREICH: Wann werden Sie Ihre Entscheidung über das EU-Mandat treffen? Wozu tendieren Sie? Wozu rät Ihnen Ihre Frau?

Strache: Meinem Facebookposting ist hier nichts hinzuzufügen. Ich werde mich in Ruhe mit meiner Frau, Familie und engen Wegbegleitern beraten und in der Folge entscheiden. Jetzt steht die Aufklärung an oberster Stelle.

ÖSTERREICH: Steht Ihre Partei geschlossen dahinter, dass Sie das Mandat annehmen, oder gibt es auch Parteifreunde, die abraten?

Strache: Wir sind eine freiheitliche Familie. Und die direkte Demokratie ist für uns ein wesentlicher Grundpfeiler. Der Souverän – sprich der Wähler – hat entschieden. Und alle sind natürlich an der Aufklärung des Videos und der Hintergründe interessiert. Das ist oberstes Interesse.

ÖSTERREICH: Warum haben Sie das Posting vom Wahlabend sofort wieder gelöscht?

Strache: Das war ein technisches Missgeschick. Ich hatte spontan eine Erklärung verfasst, die ich meinen treuen Wählern zukommen lassen, aber zunächst als Entwurf speichern wollte. Versehentlich erfolgte die Verbreitung, die nach ­Bemerken sofort gestoppt wurde.

ÖSTERREICH: Ist mit Johann Gudenus eine Männerfreundschaft zerbrochen? Ist das Verhältnis wieder zu kitten?

Strache: Ich bin aus sicherlich nachvollziehbaren Gründen enttäuscht, dass er mich überhaupt mit diesen Personen, die sich als kriminelle Lockvögel entpuppten, zusammengebracht hat. Ich hatte darauf vertraut, dass ihm diese Personen gut bekannt waren und er wusste, mit wem wir dort den Abend verbrachten. Dieses vielleicht naive Vertrauen ist ein wesentlicher Fehler, den ich mir selbst vorwerfen muss.

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