Sommer-Interview

Strolz: "2015 wird es tuschen"

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"Die Politik ist was für Dauerläufer", erklärt der NEOS-Boss.

In Wien wählten ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner und NEOS-Chef Matthias Strolz für das Sommergespräch ein ungewöhnliches Ambiente: Die Rückbank eines Fiakers. Gerade als Strolz über seine Wunsch-Koalition in einer nächsten Regierung sprach, kam der Polit-Fiaker vor dem Kanzleramt am Ballhausplatz an. Symbolisch?

ÖSTERREICH: Ihr Resümee nach dem ersten Jahr Politik?
Matthias Strolz: Ich bin zufrieden. Als Schulnote würde ich ein "Gut" geben. Wir sind als ernst zu nehmende Größe in der Politik angekommen. Wir konnten die ersten Themen mittreiben: Pensionsprivilegien abschaffen, Bildung als Thema etablieren. In der Politik brauchst du einen langen Atem. Das ist keine Disziplin für Sprinter, sondern für Dauerläufer.
ÖSTERREICH: Jetzt kommt Ihr Jahr der Bewährung?
Strolz: Genau. Wenn es gut läuft, werden die NEOS Ende 2015 völlig anders aussehen: Dann sind wir in 5 Landtagen vertreten und haben 100 Gemeinderats-Mandate.
ÖSTERREICH: Werden die Landtagswahlen zu politischen Erdbeben werden?
Strolz: Sie haben das Potenzial dazu. Die Nervosität bei den Regierungsparteien ist enorm hoch. Bei der ÖVP ist schon Feuer am Dach - Spindi ist weg, das kam viel schneller als ich gedacht hätte. Als Nächster wackelt Faymann vor dem Parteitag. Die schlechte Konjunktur, die blockierte Steuerreform - da braut sich was zusammen.
ÖSTERREICH: Sie wollen bei allen 4 Landtagswahlen antreten?
Strolz: Unbedingt. Ich glaub', dass wir im Burgenland reinkommen, in Oberösterreich, in der Steiermark und in Vorarlberg sowieso.
ÖSTERREICH: Dort gibt man Ihnen bis zu 20 %.
Strolz: Verrückt! Wir sind mit 8 %zufrieden. Das wäre Rekord für eine neue Partei. Wir wollen kein Strohfeuer sein, das explodiert und gleich wieder erlischt.
ÖSTERREICH: Und in Wien?
Strolz: Auch da geb' ich uns 8 bis 10 %. Wir wollen in dieser großartigen Stadt die Erneuerungskraft werden.
ÖSTERREICH: Sie könnten nach der Wahl in Wien das Zünglein an der Waage sein und Häupl stürzen, wenn Rot-Grün unter 50 % bleibt.
Strolz: Natürlich wäre das ein Erdbeben für dieses Land, wenn wir in Wien die Roten aus dem Sattel heben. Eine größere Erschütterung für Österreich kannst du dir nicht vorstellen.
ÖSTERREICH: Und? Würden Sie Strache in Wien zum Bürgermeister wählen?
Strolz: Nein, da liegen wir viel zu weit auseinander. Strache persönlich würden wir NEOS nicht wählen. Aber eine kreative Lösung mit einem unabhängigen Bürgermeister, die könnte ich mir gut vorstellen, dazu wären wir bereit. Nur glaube ich nicht, dass die FPÖ dazu bereit ist.
ÖSTERREICH: Rechnen Sie mit Neuwahlen vor 2018 für ganz Österreich?
Strolz: Glaube ich schon. Nach den fünf Landtagswahlen wird diese Regierung -inklusive Mitterlehner - entzaubert sein. Dann tuscht's im Koalitionsgebälk.
ÖSTERREICH: Nach Neuwahlen wollen Sie in die Regierung?
Strolz: Wir stehen bereit.
ÖSTERREICH: In welcher Koalition - sprich: mit wem?
Strolz: Da habe ich eine klare Präferenz: Ich glaube, dass eine Konstellation mit einer erneuerten ÖVP -etwa dann dem Sebastian Kurz -und den Grünen mit Eva Glawischnig die größte Erneuerungskraft hätte für dieses Land.
ÖSTERREICH: Warum wollen Sie lieber mit der ÖVP als mit der SPÖ regieren?
Strolz: Weil sie mehr Unternehmer-Gen hat. Und wir wollen eine Regierung mit Unternehmergeist. Aber wir sehen uns als Zentrumspartei -als Partei, die auch zur SPÖ verbinden kann.
ÖSTERREICH: Also wäre auch eine Koalition mit Faymann denkbar.
Strolz: Also mit Faymann eher nicht, weil er einfach nichts anpackt. Faymanns Motto ist: "Nur kane Wellen schlagen", alles soll so bleiben, wie es ist. Das druck i net durch!
ÖSTERREICH: Sondern?
Strolz: Ein Politiker muss eine Hebamme für das Neue sein. Helfen, dem Neuen zum Durchbruch zu verhelfen. Das muss der Job eines Politikers sein. Und nicht wie Faymann nur die Futtertröge verwalten.
ÖSTERREICH: Welchen Minister würden Sie in einer Koalition gern übernehmen?
Strolz: Den Bildungsminister! Manche warnen mich und sagen: Tu das ja nicht, da verbrennt sich jeder die Finger. Aber ich will mir die Finger verbrennen! Ich will zeigen, dass die Bildungswende möglich ist.
ÖSTERREICH: Und wie soll die Bildungswende aussehen?
Strolz: Vor allem wirkliche Schul-Autonomie -für jeden Direktor. Dann eine neue gemeinsame Mittelschule der 10-bis 15-Jährigen -aber der Vielfalt. Jede Schule soll den Weg, wie sie die Kinder zur Reife bringt, frei wählen dürfen. Das soll ein Wettbewerb der besten Schulen und besten Lehrer werden.
ÖSTERREICH: Was ist Ihnen für 2015 noch besonders wichtig?
Strolz: Vor allem: sofortige Steuerreform. Runter mit dem Eingangssteuersatz auf 25 %, kalte Progression entschärfen.
ÖSTERREICH: Und wie soll das finanziert werden?
Strolz: Dringend die Subventionen durchforsten und dort 3 Milliarden einsparen. Dann ein Best-practice-Modell für die Länder einführen - in jedem Bundesland müssen die Werte des jeweils bestgeführten Landes erreicht werden - bei Verwaltung, Gesundheit, Kinderbetreuung. Bringt 4 Milliarden. Und dann natürlich: endlich eine große Pensionsreform!
ÖSTERREICH: Damit machen Sie sich ja wenig Freunde.
Strolz: Gott sei Dank. Diese Pensionisten-Dinos wie Khol und Blecha gehören ja endlich aufgeweckt, die sind ja unpackbar, die blockieren alles! Wir brauchen endlich ein gleiches Pensionsalter für Frauen und Männer. Und wir brauchen ein flexibles Pensionsalter. Jeder soll in Pension gehen, wann er will.

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