Die Flüchtlingskrise an der EU-Außengrenze lässt die Auffassungsunterschiede der Koalitionspartner ÖVP und Grünen in diesem Punkt weiter offen zutage treten.
Wien. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erteilte dem Wunsch nach Aufnahme von Frauen und Kindern am Mittwoch erneut eine Absage. Die Grünen standen dazu, ebenso wie Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Die FPÖ rief zur Grenzverteidigung auf.
"Linie als Bundesregierung ist klar"
"Unsere Linie als Bundesregierung ist klar, nämlich keine zusätzliche freiwillige Aufnahme in Österreich", sagte Kurz bei einem Medientermin: "Es gibt kaum ein Land weltweit und schon gar nicht in Europa, das pro Kopf mehr Flüchtlinge aufgenommen hat." Insofern plädiere er dafür, zunächst jene gut zu integrieren, die jetzt schon hier seien. Er erinnerte hier an 30.000 arbeitslose Asylberechtigte im Lande.
Allein im letzten Jahr habe man über 10.000 Menschen aufgenommen, darunter einige Tausend Frauen und Kinder. In den vergangenen fünf Jahren seien es insgesamt 200.000 Asylanträge gewesen, argumentierte Kurz, unterstützt von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).
"Das ist unsere gemeinsame grüne Meinung"
Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) beharrte dennoch auf dem Standpunkt seiner Partei. "Das ist unsere gemeinsame grüne Meinung", sagte er am Mittwoch vor dem Ministerrat, die Auffassungsunterschiede zur ÖVP "kann man so stehen lassen". Zentraler Punkt sei, das sich die Bundesregierung auf erste Schritte bei der humanitären Hilfe in den betroffenen Gebieten geeinigt habe.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen bekräftigte am Mittwoch seinen Standpunkt, dass Österreich angesichts der aktuellen Flüchtlingskrise Kinder und Frauen aufnehmen sollte. "Wir erleben immer wieder, dass Kinder auf der Flucht sind - und zwar allein auf der Flucht", sagte er. Die erste Priorität müsse daher sein, "die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge aus den völlig überlasteten Lagern auf Lesbos und den griechischen Inseln herauszubekommen und diesen traumatisierten Kindern zum Beispiel in Österreich zu ermöglichen, ein neues Leben zu beginnen". In zweiter Linie denke er an Frauen mit Kindern aus Kriegsgebieten, wo der Mann oder Vater gestorben sei. "Das kann uns auch nicht kalt lassen."
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) kritisierte die türkische Flüchtlingspolitik scharf. Präsident Recep Tayyip Erdogan betreibe "Stimmungsmache" gegen Griechenland in Form eines PR-Krieges. Erdogans Vorgehen der vergangenen Tage bezeichnete Schallenberg als "zynisches, staatlich organisiertes Schlepperwesen".
An der verbalen Eskalationsschraube, was Österreichs Haltung zu Flüchtlingen betrifft, drehte die FPÖ. Klubobmann Herbert Kickl warnte vor illegalen Einwanderern, die alsbald Österreichs Grenze "attackieren" würden. Antworten will er mit Tränengas, letztlich aber "natürlich" auch mit Waffengebrauch. Das Asylrecht in Österreich solle temporär oder auch unbefristet ausgesetzt werden, forderte er.