Heftige Kritik übte der Kanzler an den Wirtschafts- und Steuerkonzepten von ÖVP und FPÖ.
Die SPÖ will die Steuern auf Arbeit um fünf Milliarden Euro senken, mehr Netto vom Brutto für Steuerzahler und weniger Lohnnebenkosten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern präsentierte am Freitag in Linz das entsprechende Steuerkonzept der SPÖ. Heftige Kritik übte der Kanzler an den Wirtschafts- und Steuerkonzepten von ÖVP und FPÖ.
"Diese Konzepte sind ganz eindeutig undurchführbar, unfinanzierbar und reine Ankündigungen, denen keine Taten folgen werden. Ich würde sagen, das ist Setzen, Nicht genügend." Vor allem das ÖVP-Modell hält Kern in puncto Gegenfinanzierung für unernst und unseriös. "Jeder, der einen Taschenrechner besitzt, wird ihnen nachweisen können, dass das ein Ding der Unmöglichkeit ist." In der SPÖ habe man sich jedenfalls entschieden, "nichts zu versprechen, was nicht auch tatsächlich von uns eingehalten werden kann".
"Gerechte Gegenfinanzierung"
Vorgabe war laut Kern eine "gerechte Gegenfinanzierung" ohne Sozialkürzungen. "Bei uns gehen zwei Drittel der Entlastung an die Mittelschicht. Im ÖVP-Konzept gehen allein 55 Prozent an das ober Einkommensfünftel." Die Lohnnebenkosten will der SPÖ-Chef durch eine Halbierung des Beitrags zum Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) senken. Der Beitrag soll ab 2018 von 3,9 auf 1,95 Prozent halbiert werden. Familienleistungen will die SPÖ nicht kürzen, der Einnahmenentfall im FLAF soll aus dem Bundesbudget kompensiert werden. Der von den Sozialpartnern vereinbarte Mindestlohn von 1.500 Euro soll durch eine Anhebung des Grundfreibetrags von derzeit 11.000 auf 13.150 Euro steuerfrei sein. Derzeit liegt die Steuerfrei-Grenze bei 1.255 Euro. Für die Pensionisten sollen künftig laut SPÖ-Steuerkonzept Pensionen bis 1.300 Euro (bisher 1.110 Euro) steuerfrei sein.
Ein KMU mit zehn Vollbeschäftigten à 2.000 Euro Bruttolohn würde sich so nach Berechnungen der SPÖ im Jahr knapp 5.500 Euro ersparen, das sind fast die ganzen Lohnnebenkosten eines Monats. Eine Vollzeit-Arbeitnehmerin mit einem Bruttolohn von 1.750 Euro käme auf eine jährliche Steuerersparnis von rund 540 Euro, und ein Pensionist könnte bei 1.200 Euro brutto eine Entlastung von 250 Euro - das entspricht einer durchschnittlichen monatlichen Lebensmittelrechnung - erwarten.
Die geplanten Entlastungen in Höhe von 5,3 Milliarden Euro im Jahr (2,3 Mrd. für den steuerfreien Mindestlohn und 3 Mrd. für die Senkung der Lohnnebenkosten) will die SPÖ durch ein Bündel an Maßnahmen gegenfinanzieren. 800 Millionen sollen durch "Selbstfinanzierung" durch steigende Einnahmen aus mehr Beschäftigung und sinkende Kosten aus geringerer Arbeitslosigkeit hereinkommen. 1 Milliarde soll die "Verschärfung der Konzernbesteuerung" bringen. Das SPÖ-Konzept nennt hier etwa eine Werbeabgabe auf Online-Werbung, einen Strafzuschlag für Gewinnverschiebungen oder digitale Betriebsstätten.
1,5 Milliarden will die SPÖ durch die Verbreitung der Bemessungsgrundlage für den FLAF beziehungsweise durch eine Wertschöpfungsabgabe auf Gewinne, Fremdkapitalzinsen, Mieten und Pachten aufbringen. Weitere 2 Milliarden soll eine Verwaltungs- und Förderreform liefern. Als Beispiele genannt: die Zusammenlegung von Bundesministerien und Förderstellen.
Steuern auf Erbschaften und Schenkungen
Weitere steuerliche Maßnahme im SPÖ-Konzept: die Einführung einer Steuer auf Erbschaften und Schenkungen über einer Million Euro. 500 Millionen sollen so für die Pflegefinanzierung hereinkommen. Den bis 2020 befristeten Spitzensteuersatz für Einkommensmillionäre will die SPÖ unbefristet verlängern. Volumen: 40 Millionen. Bei der kalten Progression schlägt die SPÖ vor, dass die Bundesregierung alle zwei bis drei Jahre bzw. ab 5 Prozent Inflation eine Steuerreform in Höhe von etwa 1 Milliarde Euro vorlegt, bei der untere Einkommensbezieher stärker entlastet werden. Für Mindestpensionisten soll es darüber hinaus eine Art Negativsteuer geben, die in Summe 30 Millionen Entlastung bringen soll.
Unterstützt wurde Kern bei der Präsentation des SPÖ-Steuerkonzepts von mehreren Experten. Heinz Zourek, ehemaliger Leiter der Generaldirektion für Steuern und Zollunion, bezeichnete die Vorschläge etwa als "Weichenstellung für ein gerechteres Steuersystem", der Wirtschaftsforscher Alois Guger sprach von einem "mutigen Gegenfinanzierungskonzept".