Wahl-Insider von W. Fellner

Wer gewinnt? Wer mobilisiert? Wer regiert?

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Derzeit sieht es so aus, als ob Kanzler Kern die Stimmung im Wahlkampf nicht mehr drehen kann. Kurz hat das Momentum auf seiner Seite.

Die Frage, die ich gefühlte hundert Mal am Tag höre, lautet (no na): Na, wer gewinnt die Wahl, Herr Fellner?

Sie wollen meine Antwort:

Eindeutige Ausgangslage. Nach den Umfragen ist es eine klare Sache: Sebastian Kurz gewinnt mit 33 % überlegen, Heinz-Christian Strache wird mit 26 % Zweiter, Christian Kern mit 24 % nur Dritter. Aber Umfragen haben einen Nachteil: Sie stimmen am Ende des Wahltags meist nicht.

Wenn man die Umfrage-Abweichung bei der deutschen Wahl als Gradmesser nimmt – da lag die CDU in den Umfragen 3 % zu gut, die AfD um 2 % zu schlecht und die SPD um 2 % zu gut – dann müsste das Ergebnis bei uns lauten: Kurz 30 %, FPÖ 28 % und SPÖ 22 %.

Wie ist die Stimmung? Ähnlich würde eine Prognose lauten, wenn man sie nach dem derzeitigen Stimmungs-Barometer von „Research Affairs“ erstellen würde: Da ist die Stimmung für Kurz und Strache fast gleich gut, für Kern katastrophal. Auch das würde auf ein Kopf-an-Kopf-Duell von Kurz und Strache und auf einen Absturz für Kern hindeuten.

Wichtig: Auch die noch 30 Prozent, die noch unentschlossen sind, tendieren deutlich zu Kurz und Strache, nur wenige zu Kern.

Kanzler-Bonus? Bis vor Kurzem wäre meine These noch gewesen: Bundeskanzler Kern wird Kurz im Finish noch abfangen. Er holt sich die unpolitischen Unentschlossenen über die TV-Duelle, die weiblichen und älteren Unentschlossenen über den Kanzler-Bonus und zahlreiche zaudernde FPÖ-Wähler über sein Versprechen der Stabilität.

Stimmung gegen Kern. Aber die Realität sieht derzeit anders aus: Die Stimmung dreht nicht in Richtung Kern – eher gegen ihn. Die unpolitischen Unentschlossenen gehen zu Kurz, die Frauen sowieso, immer mehr Ältere auch. Und die Protestwähler, die immer mehr werden, werden alle Straches FPÖ  wählen.

Wenn ich also mutig sein soll und am heutigen Tag schon eine Prognose wagen soll, dann würde die folgendermaßen lauten:

Wie Kurz mobilisiert? Mit dem Zauber der Vorzugsstimmen

Zauberer. Mit ein Grund für den bevorstehenden Kurz-Wahlsieg könnte auch die Mobilisierungs-Idee des 31-jährigen Polit-Zauberers sein: Kurz hat in allen Wahlkreisen „Vorzugsstimmen-Systeme“ aufgezogen. Sprich: Wer die meisten Wähler mobilisiert, kommt in den Nationalrat.

Das setzt die ÖVP-Basis regelrecht unter Fieber. Alle wollen „ihre“ Kandidaten auf der Liste nach vorne, also ins Parlament bringen. Dieses System kann bei der Mobilisierung – vor allem der Jungen – Gold wert sein.

FPÖ mit Hänger. Diesen Vorteil hat die FPÖ nicht – sie hat zusätzlich das Problem, dass sie in Wien einen kompletten „Hänger“ hat. Das kann Stimmen kosten.

Bei der SPÖ ist die Mobilisierung die große Unbekannte: Bis jetzt hat der SPÖ-Apparat durch Mobilisierung der Pensionisten und der Wiener Parteimitglieder zumindest immer knapp 30 % der Stimmen geschafft. Ob das diesmal wieder gelingt, ist die Frage: Die Alten sind sauer, wollen nicht mehr. Und die Wiener Partei ist praktisch kaputt – ob sie in Wien die nötigen 40 % für den Wahlsieg schafft, ist mehr als fraglich.

Fazit: Die Mobilisierung läuft für Kurz. Und wenn die Wiener SPÖ versagt, fällt die Partei Richtung 20 %.

Regieren mit FPÖ? Eher Liebes-Ehe mit Doskozil

Schwarz-Blau? Eigentlich sollte bei einem Wahlsieg von Kurz und der FPÖ auf Platz 2 alles für Schwarz-Blau sprechen. Aber jene, die Kurz wirklich gut kennen, orakeln, dass er als Wahlsieger keine Koalition mit der FPÖ wagt.

Kurz will eine Koalition, in der er schalten und walten kann. Er hat enorme Bedenken vor dem Trio Strache-­Hofer-Kickl, das ihm in einer Koalition die Show stehlen und viele Kurz-Ideen blockieren könnte.

Kurz sieht Schwarz-Blau nur als letzte Alternative – seine Lieblings-Koalitionen sind andere:

Beste Köpfe. Liebste Idee wäre für Kurz eine ganz neue „Regierung der besten Köpfe“, in der jede Partei im weitesten Sinn zwei Ministerien bekommt – und dafür der Regierung 5 Jahre Arbeit ohne Misstrauensvotum garantiert.

Strolz könnte Bildungsminister, Griss Justizministerin, Strache Sozialminister, Doskozil Sicherheitsminister, Lunacek Umweltministerin werden. Oder sie könnten ihre besten Leute für das Amt nominieren und dieses Ressort samt allen Reformen dominieren.

Die FPÖ wird diesem Modell zwar auf keinen Fall zustimmen, aber wenn die SPÖ und ein oder zwei Kleinparteien mitgehen, könnte das für die Mehrheit komfortabel reichen.

Koalition neu. Ist die „Regierung der besten Köpfe“ nicht machbar, dürfte Kurz zu ­einer „Kaolition NEU“ tendieren – zu einer „Liebes-Ehe“ mit einer SPÖ ohne Kern, mit dem Kurz niemals wieder regieren will.

In diesem Fall würde Kurz gemeinsam mit seinem Lieblingspartner Doskozil eine ­Regierung mit völlig neuen Ressorts entwickeln. Mit Doskozil als „Sicherheitsminister“, mit Rendi-Wagner als „Lebensministerin“ für Gesundheit und Soziales usw.

Blau als Drohung. Es würde zu einer Weiterführung von Rot-Schwarz kommen – diesmal aber mit extrem selbstbewussten Schwarzen und schwer „gerupften“ Roten. Kurz weiß, dass er nach ­einem ÖVP-Wahlsieg von der SPÖ bei dieser Koalition jedes Zugeständnis bekommen würde, weil er immer mit Schwarz-Blau als Alternative drohen kann.

Deshalb ist die Regierung Kurz-Doskozil das logische Ergebnis vom 15. Oktober.

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