Am Weltlehrertag am Freitag wenden sich wieder unzählige AHS- und BHS-Lehrer gegen eine Gesamtschule per Gesetz.
Der Weltlehrertag am Freitag steht unter dem Motto "Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Lehrer verbessert die Lernbedingungen für Schüler". An AHS und BHS finden Dienststellenversammlungen und gewerkschaftliche Betriebsversammlungen statt. Sprich: zwischen Wien und Vorarlberg probt die Hälfte der Pädagogen - also 20.000 - den Aufstand, Unterrichtsstunden fallen aus.
Warum die Lehrer streiken
Grund für die Aufregung ist die
Gesamtschule. Die Sozialdemokraten wollen Schulversuche für die "Neue
Mittelschule" per Gesetz regeln - die Volkspartei befürchtet dadurch
die Entmachtung der Schulpartnerschaft. Die Lehrer und ihre Gewerkschafter
proben den Aufstand. Der Schlagabtausch verlagert sich also in die Schule.
ÖVP-nahe Gewerkschafter stellen den Eltern Unterlagen zur Verfügung, in denen davor gewarnt wird, "Kinder als Versuchskaninchen eines unausgereiften Modells" zu benützen.
> Hier lesen: Die vernichtenden Kommentare der Gewerkschaft zur Novelle
Die konkreten Vorwürfe
- Die Lehrergewerkschaft betrachten die "Neue Mittelschule“ als "Gesamtschule unter neuen Namen"
- Mitbestimmungsrechte von Eltern, Lehrern und Schülern würden beseitigt
- Kritisiert werden auch Unklarheiten bei den Lehrplänen und beim Gehalt. Es drohe eine "erhebliche Mehrbelastung“ für die Lehrer ohne Abgeltung.
- Es wird das generelle Ende des Gymnasiums befürchtet. Denn die AHS sei neben der "Neuen Mittelschule" nicht mehr vorgesehen.
- Zudem seien die Schulversuche geografisch nicht begrenzt. Auch Bundesländer, die keine Modellregionen besitzen, würden gezwungen, Vorbereitungen für eine "Gesamtschule" zu treffen.
Was das für Schüler bedeutet
Nach den Schulstreiks am
Donnerstag steht der Höhepunkt am Freitag bevor. Die Lehrer-Streiks finden
in den letzten zwei Unterrrichtsstunden statt. Die Schüler können entweder
früher nach Hause gehen oder werden in den Schulen beaufsichtigt.
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Computer-Arbeitsplatz Wunschtraum
Auch kritisieren die
Lehrervertreter die Arbeitsbedingungen. "Um die Arbeitsbedingungen der
Lehrenden ist es in Österreich nicht gut bestellt", so Walter
Riegler, Vorsitzender der Arge Lehrer. So betrage die durchschnittliche
Arbeitsfläche im Konferenzzimmer 50 mal 50 Zentimeter. Viele Pädagogen
müssten sich diese Fläche auch noch mit anderen teilen. Von absperrbaren
Fächern zur Lagerung der Lehrmittel oder einem Computer-Arbeitsplatz könnten
viele Lehrer nur träumen.
"Jeden Radiergummi selbst kaufen"
Der Dienstgeber
zeige sich auch bei der Ausstattung der Lehrenden mit Arbeitsmitteln "äußerst
knauserig", so die Lehrervertreter. Sie müssten sich "jeden
Bleistift, Radiergummi, Kugelschreiber, etc." selbst zu kaufen. Das
real sinkende Schulbudget zwinge zur Kontingentierung der
Unterrichtsmaterialien. So hätten Lehrende nur ein bestimmtes
Kopienkontingent frei. Der Rest sei aus der eigenen Tasche zu berappen.
ÖVP hat Verständnis
Die ÖVP-Spitze zeigt Verständnis
für die Dienststellenversammlungen. Im Rahmen der Klubklausur in St.
Wolfgang meinte Parteiobmann Wilhelm Molterer, er verstehe gut, dass die
Pädagogen ihre Sorge zum Ausdruck brächten: "Ich teile sie."
Ungeliebte Gesamtschule
Sowohl Molterer als auch Klubchef
Wolfgang Schüssel wiederholten, dass es ohne Zustimmung der
Schulgemeinschaft keine Änderung des Schulsystems geben werde. Die
Einführung der Gesamtschule durch die Hintertür sei für ihn undenkbar, so
Vizekanzler Molterer.
Gegen Änderung per Gesetz
Auch die von
SPÖ-Unterrichtsministerin Claudia Schmied geplante Änderung des
Schulorganisationsgesetzes zur Erprobung der neuen Mittelschule lehnt die
Volkspartei ab. Der Schulversuch-Paragraph sei eine geeignete Grundlage,
befand Molterer. Sollte es einer Ausdehnung bedürfen, sei man
gesprächsbereit, versicherte Schüssel.
Laut Verfassungsexperten kann die Neue Mittelschule aber nicht über das Schulorganisationsgesetz realisiert werden.
SPÖ hat kein Verständnis
Unterrichtsministerin
Schmied, die mit ihrer "Neuen Mittelschule" in Modellregionen
nächstes Jahr starten will, kann der misstrauischen Haltung der Lehrer nicht
folgen. Wasser auf ihre Mühlen ist die jüngste EU-Bildungsstudie, wonach
Österreich (als Land ohne Gesamtschule) teilweise schlecht abschneidet.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina bezeichnet die Dienststellenversammlungen der Lehrer sogar als "inakzeptabel" und bekrittelt, dass die Lehrervertreter "auf dem Rücken der Schüler beinharte ÖVP-Parteipolitik in den Schulen betreiben".