Das sagt ÖSTERREICH

Wir sind eine Republik der Schande geworden

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Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.

Das völlig irre Ibiza-Video der beiden Amok-Politiker Strache und Gudenus hat ein Sittenbild dieser Republik gezeichnet, bei dem man sich als Bürger nur noch voll Verzweiflung und Grausen abwenden kann.

Was ist das für eine Republik, in der ein mit Wodka-Red-Bull und wohl auch Kokain vollgetankter späterer Vizekanzler und sein Politpartner Staatsaufträge an Oligarchen verhökern, aus Schwarzgeld stammende Parteispenden illegal an Rechnungshof und Steuer in dubiose „Vereine“ vorbeischleusen und die wichtigsten politischen Gegner (und späteren „Partner“) mit Pornovideos und -fotos ruinieren wollen?

Und was ist das für ein Land, in dem 50 % der Anteile der größten Tageszeitung wie auf einem orientalischen Basar gehandelt werden und der so wichtige ORF wie Politiker­eigentum abgezockt wird?

Das ist keine Bananenrepublik mehr. Das ist auch nicht mehr Albanien. Wir sind eine Republik der Schande geworden.

Schuld daran ist natürlich in erster Linie HC Strache, der sich – berauscht durch seine populistischen Wahlerfolge – in eine Art Cäsarenwahn hineingesteigert hat und der auf dem politischen Weg nach oben offenbar jede Form der Demut und des Augenmaßes verloren hat.

Schuld ist auch die Partei FPÖ, in der jede demokratische Kontrolle verloren gegangen ist und die – das war in den ersten beiden Regierungsjahren ja schon deutlich zu ­sehen – fast durchgängig zu einem Postenschacher-, Korruptions- und Nazi-Verein geworden ist.

Schuld an dieser Schande ist aber schon auch – wenigstens zu einem kleinen Teil – ein ohne Frage ex­trem talentierter, sehr erfolgreicher und unbestritten integrer junger Bundeskanzler, der in seinem Wunsch, dieses Land rasch und dynamisch zu reformieren, nicht erkannt hat, dass jene „Partie“, mit der er das Land neu aufbauen wollte, nicht partnerfähig, nicht anständig und vor allem nicht staatstragend war.

Wer mit Hunden ins Bett geht, darf sich nicht wundern, wenn er nach eineinhalb Jahren mit Nazi-Flöhen aufwacht.

Und schuld an dem Desaster sind wohl auch die drei schwächsten Oppositionsparteien, die dieses Land je hatte – die es in 17 Monaten nie geschafft haben, die „Strache-Partie“ zu entlarven.

Diese Republik hat durch das Ibiza-Video Totalschaden erlitten.

Der knallblaue FPÖ-Ferrari ist mit Red-Bull-Höchstgeschwindigkeit gegen die Wand gekracht. An die Wand gekracht ist aber wohl auch jedes Vertrauen in die Anständigkeit der Politik, in die Ehrlichkeit einer Regierung. Der Schaden für unsere ­Demokratie ist nicht absehbar. Wie sollen Jugendliche, die dieses zugekokste Video gesehen haben, noch jemals für Politik und Parteien begeistert werden? Und wie soll es mit unserem Land weitergehen, das von der Vorzeigerepublik in Rekordgeschwindigkeit zum Gespött und Schmuddelkind geworden ist?

Die Entscheidung des Kanzlers zu Neuwahlen war die einzig richtige. Diese Republik braucht jetzt einen Neustart – aber einen sauberen und ehrlichen.

Sebastian Kurz hat mit seiner Regierung in den ersten 17 Monaten im Prinzip gute Arbeit geleistet. Familienbonus, Steuerreform, auch mehr Kontrolle bei der Zuwanderung, mehr Sicherheit, mehr Digitalisierung, mehr Dynamik für die Wirtschaft – die Richtung hat gestimmt. Nur der Partner war nicht regierungsfähig und nicht staatstragend.

Jetzt muss Kurz diese Suppe, die er uns eingebrockt hat, alleine auslöffeln. Kurz muss unserem Land sehr rasch wieder seine Ehre, seine Selbstwertgefühl, aber auch seine Anständigkeit zurückgeben – und er muss Österreich eine Perspektive jenseits der Bananenrepublik geben, eine Perspektive für ein modernes Land ohne Nazis, ohne Korruption, ohne soziale Kälte, ohne Flüchtlings-Verfolgungswahn.

Für Kurz können die Neuwahlen ein Segen sein. Wenn es ihm gelingt, den Weg vom Rechtsaußen-Rambo, zu dem ihn die FPÖ drängen wollte, zurück zum menschlich-sympathischen Staatsmann der Mitte zu finden, kann er die Neuwahl (trotz des Koalitions-Totalschadens) vielleicht sogar zu einem persönlichen Triumph jenseits der 40 % machen.

Dafür muss Kurz mit seiner ÖVP aber wohl auch schon die EU-Wahl am nächsten Sonntag gewinnen. Denn kommenden Sonntag gibt es keine Europawahl mehr, sondern eine „Testwahl“ für die politische Zukunft dieser Republik.

Interessant wird nicht nur, wie viele Polit-Scherzbolde kommenden Sonntag noch FPÖ wählen werden – oder wie viele Polit-Romantiker in diesen emotionalen Zeiten zu den Grünen zurückkehren, …

… sondern vor allem, wer in dieser Republik die Mehrheit bekommt:

Kann Kurz die ÖVP-Position mit neuen Stimmen aus dem FPÖ-Lager ausbauen, …

… oder schafft Rendi mit der jetzt möglichen Mobilisierung der roten Basis und der frustrierten Arbeiter und Angestellten die rote Wende?

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