ÖFB-Teamchef zeigt sch selbstkritisch: "Im Rückblick sind wir vielleicht ein bisschen zu früh 'all in' gegangen"
Der erstmalige Ausflug der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft in die Eliteklasse der Nations League hat mit dem sofortigen Abstieg geendet. Durch das 1:3 am Sonntag im Wiener Happel-Stadion gegen Kroatien muss die ÖFB-Auswahl als Gruppenletzter den Gang in die B-Liga antreten. Dabei wäre Endrang drei dank dänischer Schützenhilfe gegen Frankreich möglich gewesen, die dafür nötigen drei Punkte wurden aber nicht geholt.
Das lag an mangelnder Chancenauswertung, aber auch an missglückten Umstellungen von Teamchef Ralf Rangnick, wie der Deutsche gestand. "Im Rückblick sind wir vielleicht ein bisschen zu früh 'all in' gegangen mit den Wechseln, das würde ich - hinterher ist man immer schlauer - nicht mehr so machen", erklärte der 64-Jährige mit Blick auf seinen Dreiertausch nach einer Stunde samt Switch von Dreier- auf Viererkette.
Umstellung auf Viererkette
Man sei davor mit der Dreierkette gut gestanden, sagte Rangnick. Er habe sich deshalb zu den Wechseln entschieden, weil Christopher Trimmels Kräfte zu Ende gingen und Stefan Posch gelb-belastet war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Österreicher mit Ausnahme des Gegentores keine zwingende Chance der Kroaten zugelassen, dafür aber selbst zwei herausgespielt - die allesamt vernebelt wurden.
Bei Christoph Baumgartners Schuss fehlten Zentimeter, der neue alleinige ÖFB-Rekordinternationale Marko Arnautovic scheiterte an Dominik Livakovic. Der kroatische Goalie war später auch noch bei einem Kopfball von Michael Gregoritsch zur Stelle. "Wir hatten zwei riesige und eine gute Möglichkeit. Die kann man schon machen, muss man vielleicht auch, wenn man so ein Spiel gewinnen möchte", resümierte Rangnick. "Es ist schade, weil wir über 60 Minuten ein richtig gutes Spiel gemacht haben und, was die Torchancen angeht, das Spiel für uns hätten entscheiden können."
5 Spiele ohne Sieg
Am Ende setzte es die dritte Niederlage in Folge, zudem ist das ÖFB-Truppe seit fünf Partien ohne vollen Erfolg - eine derartige Sieglosserie gab es zuletzt 2011. Rangnick gewann nur eines seiner ersten sechs Matches als Teamchef, so wenig wie zuletzt Karel Brückner von 2008 bis 2009. Allerdings ging es in Rangnicks sechs Partien auch gegen den aktuellen Weltmeister (Frankreich), Vizeweltmeister (Kroatien) und EM-Semifinalisten (Dänemark).
Rangnicks Bilanz nach der Nations-League-Gruppenphase fiel zwiespältig aus. "Von sechs Spielen waren vier gut, da haben wir die Spiele über weite Strecken kontrolliert. In Dänemark und Frankreich haben wir verdientermaßen verloren, in den vier anderen Partien haben wir leider nur vier Punkte geholt."
Weiter geht es ab 14. November mit einem Trainingscamp in Marbella samt Testspiel am 16. November gegen Andorra. Den Abschluss des Lehrgangs bildet am 20. November ein Test im Happel-Stadion gegen Europameister Italien. Das Duell mit Andorra hätte sich Rangnick gerne erspart, doch der ÖFB ist aus vertraglichen Gründen verpflichtet, in dieser Woche zwei Matches durchzuführen. Gegen den Underdog würde der 64-Jährige gerne zur Pause die komplette Mannschaft durchtauschen, was ihm aber das Regulativ verbietet - nur fünf Wechsel sind laut Rangnick gegen Andorra erlaubt.
Bereits am 9. Oktober steigt in Frankfurt die EM-Qualifikations-Auslosung, bei der Österreich aus Topf zwei gezogen wird. Die Quali startet im kommenden März, das Ticket für die Endrunde 2024 in Deutschland ist das erklärte Ziel. "Wir müssen uns im Hinblick auf die Qualifikation weiterentwickeln und verbessern", forderte Rangnick.
EM-Quali als Ziel
Bei einem Sieg gegen Kroatien wäre die ÖFB-Auswahl bei der Auslosung aus Topf eins gezogen worden, doch auch als Topf-zwei-Team sollte es eine realistische Chance auf die EURO-Teilnahme geben. "Niederlagen fühlen sich nie gut an, trotzdem haben wir genug Selbstvertrauen, um uns für die EM zu qualifizieren, egal, ob wir in Topf eins oder zwei sind", meinte Rangnick. Man wolle in Deutschland dabei sein "und dann dort eine richtig gute Rolle spielen".
Um dies zu erreichen, sollten jedoch Partien, die wie jene gegen Kroatien auf Messers Schneide stehen, gewonnen werden. "Wir müssen solche Spiele auf unsere Seite ziehen. Das wird vor allem in Richtung EURO ganz wichtig sein", betonte Rangnick.
Die dafür benötigte Kaltschnäuzigkeit lässt sich nach den Angaben des Nationaltrainers nicht speziell trainieren. "Wenn ich jetzt anfange, mir mit einem Marko Arnautovic, der 33 Jahre alt ist und 104 Länderspiele gemacht hat, über Abschlüsse Gedanken zu machen - das macht glaube ich wenig Sinn. Er macht normalerweise solche Bälle schon."
Definitiv Gedanken machen muss sich Rangnick über die Außenspieler. "Wir haben viele gute Spieler im Abwehrzentrum und Mittelfeldzentrum, haben aber nach wie vor Probleme bei den Außenpositionen. Da müssen wir schauen, dass wir jeweils die beste Lösung finden", erklärte der frühere Manchester-United-Trainer.
Ein positiver Aspekt der Kroatien-Partie war für Rangnick die Leistung von Torschütze Baumgartner, den er in den vorangegangenen fünf Partien nur einmal von Beginn an und zweimal gar nicht gebracht hatte. "Er hat mir heute über 60 Minuten richtig gut gefallen, hat einen richtigen Fingerabdruck auf das Spiel hinterlassen. Wenn er seine technische Voraussetzungen mit Grundaggressivität und aggressivem Spiel gegen den Ball paart, ist er sicher einer, der in der Startformation steht", erzählte der Teamchef.
Gut gefallen hat Rangnick auch, dass die Arena im Prater mit 45.700 Zuschauern beinahe ausverkauft war. Die Mehrheit der Zuschauer war allerdings im Lager der Kroaten, was Rangnick nicht als Problem empfand. "Ich war froh, dass das Stadion richtig voll war", betonte der Nachfolger von Franco Foda.