Der Song "Linger" von den Cranberries ist nicht für Andreas und Wolfgang Linger geschrieben worden. Das Lied hat nichts mit den Rodel-Olympiasiegern von 2006 zu tun - er handelt von einer unglücklichen Liebe. Und das kann man für die Tiroler Brüder nicht behaupten. Sie erfüllten sich mit ihrer Liebe zum Rodelsport schon mehrere Träume, wurden 2003 Weltmeister und holten heuer auch den EM-Titel.
Im am Mittwoch beginnenden Doppelsitzerbewerb der XXI. Winterspiele peilen die Lingers deshalb wieder eine Medaille an. Die beiden Tiroler aus Absam haben - wie natürlich auch viele ihrer Rodelkollegen - schon vor Beginn eine Hochschaubahn der Gefühle hinter sich. Zunächst die Abreise mit all den Hoffnungen im Gepäck und den Erinnerungen an das Olympia-Gold vor vier Jahren, dann der furchtbare Unfall des georgischen Rodlers Nodar Kumaritaschwili und noch am gleichen Tag die prachtvolle Eröffnungsfeier.
Der 28-jährige Andreas war Fahnenträger bei der Eröffnung und teilte sich die Ehre auch brüderlich mit dem 27-jährigen Wolfgang, seinem Hintermann. "Ja, man freut sich auf Olympia, ist top vorbereitet, ist heiß auf das Rennen und dann der tragische Unfall. Da sind natürlich Momente gekommen, wo es einem, hart gesagt, total egal ist, wie schnell man fährt, ob man eine Medaille macht oder wie das Rennen ausgeht", meinte Wolfgang gegenüber der APA - Austria Presse Agentur. Doch so tragisch die Ereignisse auch waren, so sehr das nie hätte passieren dürfen, das Leben und der Sport müssten weitergehen.
Doch so einfach ist das nicht, denn die Trauer ist noch allgegenwärtig. "Es ist sehr schwierig für uns, die Stimmung an der Bahn ist auch sehr gedrückt. Es ist was sehr Schlimmes passiert. Aber so brutal es auch klingt, es muss weitergehen", sagte Bruder Andreas. Das Duo muss sich, ebenso wie der Rest des Feldes und auch ihre Teamkollegen Tobias und Markus Schiegl, an einen neuen Start gewöhnen. Der Rodelweltverband hat entschieden, das Rennen aus Sicherheitsgründen für Damen und Doppelsitzer an den Juniorenstart zu verlegen.
"Es weiß noch keiner, wie das jetzt speziell mit der schwierigen Startkurve sein wird", meint Andreas Linger und spricht die Kurve 6, die einen sehr stumpfen Winkel aufweist, an. "Da wird man schauen müssen, wie rund man das hinbringt und möglichst viel Schwung mit auf die Fahrt nehmen kann."
Fahrt aufgenommen haben sie schon mit 20 bzw. 21, als sie Weltmeister wurden. Darum sei Olympiagold 2006 dann auch nicht so überraschend gewesen, meint Andreas Linger vier Jahre später. "Wir haben für uns schon gewusst, wie schnell wir sind. Damals im olympischen Rennen ist alles für uns zusammengekommen." Nun habe das Duo als Titelverteidiger eine viel bessere Weltcupsaison hinter sich. "Wir sind Europameister geworden und wissen, dass wir uns eigentlich auf der Bahn hier wohlfühlen", sagte Steuermann Andreas.
Das Ziel? "Ja, natürlich eine Medaille - und welche am schönsten glänzt, brauchen wir nicht lange zu diskutieren." Da hat natürlich eine starke Konkurrenz - allen voran die zwei deutschen und die zwei italienischen Schlitten (Andreas Linger: "Die üblichen Verdächtigen halt") - sowie die Kanadier mit Heimvorteil, die USA und einer der lettischen Schlitten etwas dagegen. Und auch die Schiegls, die bei ihren fünften Spielen nach zwei vierten Plätzen auch so gerne einmal Edelmetall holen würden.
"Wir sind gut in Form und wir werden versuchen, so viel wie möglich davon ins Rennen zu bringen", verspricht Andreas. Um doch noch einmal an den verstorbenen Kollegen zu denken. "Es ist momentan nicht ganz so einfach, dass man den Kampf um Hundertstel und Tausendstel in den Vordergrund rückt."
(Schluss) gw/beg