AKWs bis 2022 sperren

Merkel dreht Atomstrom ab

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Bis 2022 sind alle AKWs vom Netz. Lässt sich Deutschland Hintertür?

Deutschland steigt aus. Bis spät in die Nacht zum Montag hatte sich die schwarz-gelbe Koalition in Angela Merkels Kanzleramt beraten, dann stand der spektakuläre Entschluss fest, ab 2022 aus der Atomkraft auszusteigen. Der Stufenplan:

  • Die acht ältesten AKWs in Deutschland, die bereits abgeschaltet wurden, bleiben vom Netz.
  • Sechs weitere Meiler werden bis 2021 abgedreht.
  • Die modernsten drei Kernkraftwerke sollen, falls noch ein "Puffer" nötig ist, 2022 vom Netz gehen.

Deutschlands Umwelt­minister Norbert Röttgen (CDU) am Montag: "Es ist definitiv. Das späteste Ende für die letzten drei Atomkraftwerke ist 2022." Ein altes AKW bleibt auf Stand-by.

"Hintertür?"
Das bedeutet, dass die acht ältesten Atommeiler, inklusive des pannenanfälligen AKW Krümmel, ab sofort stillgelegt sind. Ausnahme: Eines dieser Kernkraftwerke bleibt bis 2013 auf „Stand-by“, um auf plötzlich auftretende Energieengpässe reagieren zu können. Vor allem im Süden Deutschlands wird im Winter mit Stromknappheit gerechnet.

Die Opposition hat nicht zuletzt deshalb die Pläne kritisiert und spricht von einem "Ausstieg mit Hintertürchen".

SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach zwar von einem "großen Tag für alle Atomkraftgegner", ätzte aber, er kenne kein Kraftwerk, das man als "Kaltreserve" fahren könne. Der Grüne Jürgen Trittin warnte: "Die Hintertüren sind noch nicht zu."

Industrie tobt über Atom-Entscheidung
Umweltminister Röttgen beruhigt: "Es gibt keine Revisionsklausel", der Prozess sei unumkehrbar.

Kein anderes Land hat nach der Atomkatastrophe von Fukushima einen so weitgehenden und für eine Industrienation radikalen Schritt gesetzt. Dementsprechend empört reagierte die Industrie. Daimler-Chef Dieter Zetsche in der Bild: "Die Abkehr von einer bezahlbaren Energieform ist ein Risiko für den Industriestandort."

Und Industrie-Boss Hans-Peter Keitel: "Der fatale und irreversible Schlusspunkt der Nutzung der Kernenergie erfüllt mich mit Sorge." Der Energiekonzern RWE, bei dem Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel im Aufsichtsrat sitzt, prüft rechtliche Schritte gegen Merkels Entscheidung.
 

Wegen Atomausstiegs: Strompreis wird deutlich steigen

Die nötigen hohen Investitionen in neue Energiequellen verteuern den Strom.
Wien. Für die Konsumenten, auch in Österreich, wird der deutsche Atomausstieg höhere Strompreise bringen. Unmittelbar rechnet die heimische Regulierungsbehörde E-Control aufgrund der langfristigen Einkaufspolitik der Energieversorger zwar nicht mit einer Verteuerung. Schon die Diskussion über den Ausstieg habe aber "einen Preisanstieg am Großhandelsmarkt" gebracht.

Rund 15 Prozent mehr
In Deutschland liegen die Expertenschätzungen hinsichtlich einer Verteuerung des Stroms ohne Kernenergie derzeit bei rund 15 Prozent, wobei es auch niedrigere und noch höhere Berechnungen gibt. Da der Strommarkt europäisch organisiert ist, werden auf Österreich mittelfristig ähnliche Belastungen zukommen. Hierzulande sind derzeit rund sechs Prozent des verbrauchten Stroms aus importierter Kernenergie. Die zu ersetzen ist nicht problematisch – aber der Atom-Verzicht bringt generell Verschiebungen am Strommarkt.

Hohe Investitionen
Fakt ist, dass der Ausstieg Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe in alternative Energieerzeugung und das Netz erfordert. Es müssen neue Wind-, Solar- und Gaskraftwerke gebaut sowie das Leitungsnetz angepasst werden. Auch die Konsumenten, und zwar europaweit, werden das mitzahlen müssen.

Kontrolle
Die E-Control betont, dass man streng kontrollieren werde, dass es nicht zu ungerechtfertigten Preisanstiegen kommt.

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