Zug nach Nirgendwo

Britischer Premier Sunak schwer unter Druck

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Wären demnächst Wahlen, würde Rishi Sunak wohl seinen Job verlieren (Von Julia Kilian/dpa)

Selbst die Anreise läuft nicht ohne Probleme. Die britischen Konservativen treffen sich zu ihrem jährlichen Parteitreffen in Manchester - und ausgerechnet vorher streikt die Bahn. Premierminister Rishi Sunak hatte bereits angekündigt, er werde wohl mit dem Auto kommen. Seit 13 Jahren regieren die konservativen Tories in Großbritannien. Doch in den Umfragen sieht es für sie seit Monaten schlecht aus.

Wenn voraussichtlich im nächsten Jahr ein neues Parlament gewählt wird, dürfte es für Sunak eng werden. Umfragen von YouGov und Ipsos sehen seine Partei derzeit etwa 20 Prozentpunkte hinter Labour. Im Podcast "The News Agents" wurde bereits diskutiert, ob Sunak vielleicht nur noch die Sonnenliegen auf der Titanic umräumt, während das Schiff längst sinkt - wie man im Englischen sagt. Der 43-Jährige trifft manche Entscheidung, für die er auch beim bis Mittwoch dauernden Parteitreffen Gegenwind bekommen könnte.

Klimapolitik

Wie in anderen Ländern wird auch in Großbritannien diskutiert, wie die Klimawende zu schaffen ist und wer sie bezahlt. Im Wahlkampf könnte das eine zentrale Frage werden. Sunak hat angekündigt, der Umstellung mehr Zeit geben zu wollen. Neuwagen mit Verbrennermotoren sollen länger verkauft werden dürfen als geplant, nämlich noch bis 2035 statt 2030. Die Umstellung von Gas- und Ölheizungen auf Wärmepumpen soll ebenfalls länger möglich sein. Zudem genehmigte eine Aufsichtsbehörde gerade umstrittene Pläne zur Ausbeutung des Ölfelds Rosebank auf dem Grund der Nordsee.

Sunak argumentiert unter anderem, Familien sollten keinen unerschwinglichen Preis zahlen müssen, um die Klimaziele zu erreichen. Klimaschützer finden die Pläne unverantwortlich. Auch der Autohersteller Ford warf Sunak vor, mit seinen neuen Vorgaben zum Verbrenner-Aus die Bedürfnisse der Industrie zu missachten.

Dass der Parteitag ausgerechnet in Manchester stattfindet, hat eine gewisse Ironie. Denn dorthin soll eigentlich ein großes neues Bahnprojekt führen, das Sunak nun in Teilen auf den Prüfstand stellt. Die Schnellzugverbindung HS2 soll London und Birmingham verbinden - und dann eigentlich weiterführen bis nach Manchester. Diese Verlängerung aber könnte Medienberichten zufolge wegen gestiegener Kosten nun gestrichen oder über Jahre aufgeschoben werden. Sunak hat das bisher weder dementiert noch bestätigt.

Manche Medien gehen von einer Verdreifachung der Kosten auf rund 100 Milliarden Pfund (aktuell 115,66 Mrd. Euro) aus. In einem BBC-Interview reagierte Sunak ausweichend auf Nachfragen, sprach stattdessen darüber, dass die meisten Leute im Norden mit dem Auto unterwegs seien und man sicherstellen müsse, dass es keine Schlaglöcher auf den Straßen gebe. Später kündigte die Regierung an, mehr für Autofahrer tun zu wollen - und kritisierte etwa, es dürfe nicht zu viele Zonen geben, in denen man nur mit einer Geschwindigkeit von 20 Meilen pro Stunde (etwa 32 km/h) fahren dürfe.

Bahnprojekt

Das Bahnprojekt hatten die Konservativen über Jahre unterstützt. Die früheren Tory-Premiers Boris Johnson und David Cameron kritisierten eine mögliche Kappung. Auch mehrere Labour-Bürgermeister warnten Sunak, große Teile des Nordens mit veralteter Infrastruktur zurückzulassen.

Sunak hat es zu einem seiner zentralen Ziele gemacht, Flüchtlingsboote aufzuhalten. Die Zahl der Menschen, die auf diesem Weg über den Ärmelkanal kommen, ist bisher aber nur um etwa ein Viertel gesunken. Sunaks Regierung verschärfte die Asylgesetzgebung und plant, Menschen ohne entsprechende Papiere direkt abzuschieben, zum Beispiel nach Ruanda. Großbritannien will dem ostafrikanischen Land dafür Geld zahlen. Ob das wirklich so umgesetzt wird, muss allerdings noch das oberste britische Gericht entscheiden.

In Medien und Politik ist Migration ein großes Thema, dabei sind die Flüchtlingszahlen andernorts höher. Seit Jänner erreichten etwa 24.000 Menschen in kleinen Booten über den Kanal das Land, wie die Nachrichtenagentur PA meldete. Zum Vergleich: In Italien kamen seitdem rund 130.000 Migranten übers Mittelmeer an.

Einer Umfrage von Ipsos UK zufolge sagen 26 Prozent der befragten Briten, Migration sei eines der wichtigsten Themen, wobei vor allem ältere Menschen und Anhänger der Konservativen Partei zustimmen. Etwa 37 Prozent nennen den Zustand der Wirtschaft, die nicht nur mit den Folgen des Brexits, sondern auch den Nachwehen der Wirtschaftspolitik der kurzzeitigen Premierministerin Liz Truss zu kämpfen hat.

Truss hatte vor einem Jahr etwa umfangreiche Steuersenkungen angekündigt, um die Wirtschaft anzukurbeln. Die Vorhaben im Wert von Dutzenden Milliarden Pfund sollten nur mit neuen Schulden finanziert werden. Das Pfund brach ebenso ein wie die Finanzmärkte, die Zinsen von langlaufenden britischen Staatsanleihen stiegen. Höhere Zinsen erschwerten auch das Abbezahlen von Hypotheken. Viele Menschen haben die "cost of living crisis" deutlich zu spüren bekommen.

Sollten die Konservativen bei der nächsten Wahl verlieren, wäre damit auch Sunak seinen Posten los. Schon im Vorfeld bringen sich andere in Stellung, um ihn später womöglich als Parteichef zu ersetzen. Dass Innenministerin Suella Braverman gerade eine Rede bei einem Thinktank in den USA hielt, werteten manche als Auftakt. In der Rede, die auch bei manchen Parteikollegen für scharfe Kritik sorgte, stellte die Hardlinerin die UNO-Flüchtlingskonvention infrage.

Die Tories haben viel zu besprechen auf ihrem Parteitreffen. Egal, auf welchem Weg sie nach Manchester kommen.

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