Vor seiner Reise nach Israel und ins Westjordanland hat der deutsche Außenminister Johann Wadephul am Donnerstag vor einer möglichen Annexion palästinensischer Gebiete gewarnt.
"Es gibt immer wieder Politiker in Israel, die sagen, wir annektieren das. Die Knesset hat es gerade beschlossen. Das geht natürlich nicht. Das ist auch nicht durch das internationale Recht gerechtfertigt", sagte er dem Nachrichtenportal "Politico".
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Deutschland habe dazu "eine klare Meinung", die er in Jerusalem deutlich machen werde, so Wadephul. "Wir stehen zur Zwei-Staaten-Lösung, sind an das internationale Recht gebunden und billigen illegale Siedlungen im Westjordanland nicht. Das haben wir immer gesagt", unterstrich er.
Zum Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen sagte der deutsche Chefdiplomat: "Das Hauptziel ist definitiv die Waffenruhe." Zugleich forderte er mehr humanitäre Hilfe: "Die Zahl der Opfer im Gazastreifen ist zu groß. Wir brauchen dort eine Erleichterung für die Menschen." Wichtig sei auch die Freilassung der noch immer vermissten israelischen Geiseln: "Es gibt immer noch 50 Menschen, die fehlen. Etwa 20 davon leben vermutlich noch. Die wollen wir frei bekommen - das steht an erster Stelle."
Israel: Weitere Lastwagen mit Hilfsgütern für Gaza
Israel teilte indes mit, dass weitere Hilfstransporte die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen erreicht habe. 270 weitere Lastwagenladungen seien am Mittwoch in den Gazastreifen eingefahren, teilte die zuständige Cogat-Behörde auf X mit. Sie warteten nun auf Übernahme und Verteilung durch die Vereinten Nationen, ebenso wie Hunderte weitere Lastwagen. Außerdem seien mehr als 200 Lastwagenladungen von UNO- und anderen Organisationen übernommen und verteilt worden. Überdies seien zwei Tankfahrzeuge mit Treibstoff in den Gazastreifen eingefahren. Diese sollten dem Betrieb "essenzieller humanitärer Systeme" dienen. 32 Paletten mit Lebensmitteln seien in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten und Jordanien über dem abgeriegelten Küstenstreifen abgeworfen worden.
Israel hatte am Sonntag erstmals seit Monaten die Einfuhr von Hilfslieferungen in größerem Stil zugelassen. Seitdem gelangen durchschnittlich um die 200 Lastwagenladungen pro Tag zur Verteilung. UNO-Organisationen zufolge deckt das nicht einmal die Hälfte des Bedarfs einer Bevölkerung, die nach Einschätzung internationaler Experten von einer Hungersnot bedroht ist.
Kulturschaffende in Deutschland fordern Stopp von Waffenlieferungen an Israel
In Deutschland haben sich indes mehr als 200 deutsche Schauspieler, Musiker und Medienleute für einen Stopp der Waffenlieferungen an Israel und für weitere Sanktionen ausgesprochen. In einem offenen Brief verweisen die Künstler, darunter die Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, die Musikerin Shirin David, die Schauspielerinnen Jessica Schwarz, Heike Makatsch und Liv Lisa Fries, die Schauspieler Benno Führmann, Daniel Brühl und Jürgen Vogel sowie der Autor Marc-Uwe Kling, auf das Leid von Kindern im Gazastreifen. "Auch wir verurteilen die grauenvollen Verbrechen der Hamas aufs Schärfste. Aber kein Verbrechen legitimiert es, Millionen von unschuldigen Menschen auf brutalste Weise kollektiv zu bestrafen."
Merz schließt Sanktionen gegen Israel nicht aus
Wadephul reist am Donnerstag nach Israel, um auf einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg und eine Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen zu dringen. Diese Position der Berliner Bundesregierung will er bei seinem zweitägigen Besuch in Gesprächen mit seinem israelischen Kollegen Gideon Saar und mit der palästinensischen Autonomiebehörde deutlich machen.
Der Verlauf der Gespräche kann nach Darstellung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auch Einfluss darauf haben, ob sich Deutschland Sanktionen gegen seinen engen Partner Israel anschließt. Solche Schritte behält sich die Regierung laut Merz vor. Die EU-Kommission hatte empfohlen, die Teilnahme Israels am Forschungsförderungsprogramm Horizon Europe unverzüglich teilweise auszusetzen.
Merz hatte nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts Israel aufgefordert, die katastrophale humanitäre Situation in Gaza sofort und nachhaltig zu verbessern. Nötig sei zudem ein umfassender und dauerhafter Waffenstillstand in Gaza. Dazu müsse die Hamas endlich den Weg frei machen. Auch die israelische Regierung müsse dafür alles in ihrer Macht Stehende tun. Die Geiseln, unter denen noch deutsche Staatsangehörige seien, müssten endlich freikommen. Und die Terroristen der Hamas müssten entwaffnet werden.
Ursprünglich hatte die deutsche Regierung eine gemeinsame Reise Wadephuls mit seinen Amtskollegen aus Frankreich und Großbritannien, Jean-Noël Barrot und David Lammy, angestrebt. Diese ist aber nicht zustande gekommen.