Deutsche Anti-Euro-Partei

Erst von allen ignoriert, jetzt bekämpft

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Parteien mobilisieren: Schäuble warnt vor Machtverlust durch Quereinsteiger.

Wieder einmal ist es Wolfgang Schäuble, der einen gewissen Alarmismus in eine deutsche Debatte bringt. "Jede Stimme, die wir am Ende bei der Bundestagswahl nicht bekommen, kann die sein, die CDU, CSU und FDP zur Mehrheit fehlt", sagte der deutsche Finanzminister (CDU) dem Magazin "Wirtschaftswoche" auf die Frage, wie gefährlich die neue Anti-Euro-Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) sein kann. Mit der Warnung, dass die Wiederwahl von Bundeskanzlerin Angela Merkel gefährdet sein könnte, eröffnet er die zweite und dritte Phase im Umgang der deutschen Politik mit dem rasanten Aufstieg der AfD. Bisher hatten die traditionellen Parteien die Bedeutung der "Professoren-Partei" vor allem herunterspielt.

Der Grund für den Wandel ist klar erkennbar: Immerhin vermeldet die AfD derzeit fast wöchentlich einen Sprung in ihren Mitgliederzahlen. Neue Umfragen sehen sie bei drei bis vier Prozent der Stimmen, wäre jetzt Bundestagswahl, und damit erstmals in der Nähe eines Einzugs in den Bundestag. Mit dem SPD-Politiker Johannes Kahrs sagt zudem erstmals ein namhafterer Bundespolitiker, dass er der AfD acht bis zehn Prozent zutraut.

NS-Vergangenheit belastet
Damit zieht das bisherige Argument nicht mehr, dass es seit der Einführung des Euro schon immer Anti-Euro-Parteien gegeben hatte, die man vernachlässigen konnte. Allein bei der niedersächsischen Landtagswahl im Jänner plakatierten vier Splitterparteien gegen den Euro - und landeten nur im Promillebereich. Bisher galt in der Bundesrepublik Deutschland, dass offen national argumentierende Parteien wegen der NS-Vergangenheit einen schweren Stand und vor allem keine prominenten Führungsfiguren haben. Auch die AfD hat mit der versuchten Unterwanderung durch die rechtsradikale NPD zu kämpfen und verkündet jetzt, dass sie ein Ausschlussverfahren gegen ein verdächtiges Mitglied beschlossen hat.

Aber nun ist offensichtlich die Schwelle zur nächsten Stufe überschritten. Denn die AfD findet anders als ihre Vorgänger vor allem in dem konservativeren Teil der deutschen Medien einen Resonanzboden. Über den offiziellen Gründungsparteitag in Berlin vor wenigen Tagen gab es insgesamt eine breite Berichterstattung. Und wie ein Magnet zieht die AfD Euro-Kritiker aus den Freien Wählern oder anderen Splitterparteien an. Nun wird in den Bundestagsparteien notgedrungen der Schalter umgelegt für die Phasen zwei und drei - statt ignorieren heißt es nun "warnen" und mit Argumenten "bekämpfen".

Große Koalition wahrscheinlicher
Allerdings ist völlig offen, wem die AfD mehr schaden würde, wenn ihr das Antreten bei der deutschen Bundestagswahl gelingt. Denn sie ist zwar vor allem von enttäuschten CDU - oder FDP-Mitgliedern gegründet worden. Aber zwei Umfrageinstitute (Allensbach und TNS Emnid) haben bei ihren Umfragen festgestellt, dass die potenziellen Wähler eher aus der Linkspartei als bisherigem Hafen für Protestwähler kommen - und der SPD.

"Wenn die Verluste gleichmäßig auf alle Parteien verteilt würden, könnte der Effekt neutral sein", meint deshalb ein Regierungsmitglied. Scheitert die AfD an der Fünf-Prozent-Hürde, könnte sie sogar die Schwelle senken, die für eine Mehrheit an Mandaten im Bundestag nötig ist. Zöge sie in das Parlament ein, würde sie aber die Koalitionsbildungen auf beiden Seiten des politischen Spektrums erschweren - was eher die Wahrscheinlichkeit für eine Große Koalition erhöhen würde.

Reiner Populismus?
Schaden könnte die AfD nach Ansicht von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles und EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) aber Deutschland insgesamt, wo anders als in anderen EU-Staaten bisher keine anti-europäische Partei Fuß fassen konnte. "Das sind Populisten, die ich niemandem gönne. Schon mal gar nicht den Deutschen", hatte Nahles bereits Mitte März gesagt. "Wir brauchen in Brüssel eine starke Kanzlerin. Deshalb ist die Neugründung der Sache überhaupt nicht dienlich", meint Oettinger.

In den Parteizentralen wird nun die dritte Phase in der Auseinandersetzung vorbereitet, nämlich die inhaltliche und politische Auseinandersetzung. Zum einen planen die Strategen für den Wahlkampf eine intensivere Erklärung, was die Vorteile des Euro sind - um den von der AfD geschürten Euro-Ängsten die Sorgen über die Kosten einer Wiedereinführung der D-Mark wie massive Währungsturbulenzen und steigende Arbeitslosenzahlen drastisch gegenüber zu stellen.

Zum anderen appellieren Unions-Politiker wie Schäuble an wahltaktische Überlegungen: Jeder AfD-Wähler erreiche eher das Gegenteil von dem, was er erreichen möchte. "Das muss jeder wissen, und der muss sich selbst fragen: Will ich, dass eine andere Regierung gewählt wird?", betonte der Finanzminister. Eine Abwahl von Merkel würde, so malt die CDU-Spitze das Schreckensszenario für die AfD-Sympathisanten, ja keinen Euro-Austritt bringen, sondern im Gegenteil eher eine Vergemeinschaftung der Schulden im Euro-Raum.

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