Schade drum

EU zahlt Millionen und macht Top-Weine zu Industrie-Alkohol

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Rund 105 Mio. Euro flossen seit Anfang 2023 in die Krisendestillation.

Von Riesling über Rioja zu Chardonnay und Pinot Grigio: Wein aus Europa ist weltweit beliebt. Trotzdem gab die EU in den vergangenen Jahren Millionen aus, um ihn zu billigem Industriealkohol zu machen. Seit Anfang 2023 wurden mehr als 105 Mio. Euro an EU-Geldern für die sogenannte Krisendestillation von europäischem Wein gezahlt, wie die EU-Kommission auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.

34 Millionen, um Wein untrinkbar zu machen

Bei der Krisendestillation wird überschüssiger Wein in den Mitgliedstaaten auf EU-Kosten destilliert, um den Alkohol dann etwa für Industriezwecke zu verwenden. Im vergangenen Jahr wurden demnach rund 34 Mio. Euro für die Destillation von Wein ausgegeben. Im laufenden Jahr waren es allein im Jänner fast 71 Millionen. Die höchsten Kosten entfielen dabei auf Frankreich mit insgesamt 68,5 Mio. Euro, gefolgt von Portugal mit mehr als 18 Mio. und Italien mit rund 15 Mio. Euro. In Deutschland wurde in diesem Zeitraum kein Wein mit EU-Geld zu Industriealkohol verarbeitet.

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Um Weinmarkt zu stabilisieren

Vergangenen Juni hatte die EU-Kommission eine Sondermaßnahme beschlossen, die es Mitgliedstaaten möglich machte, mithilfe der Krisendestillation überschüssigen Wein vom Markt zu nehmen. Dadurch sollte der Weinmarkt stabilisiert und Lagerkapazitäten für neuen Wein geschaffen werden. Grund für die angespannte Lage: Laut EU-Kommission hatte die Inflation Lebensmittel und Getränke so teuer gemacht, dass die Menschen weniger Wein kauften. Zudem habe es durch gute Ernten viel Angebot gegeben und Betriebe hätten sich noch nicht vollständig von der Coronapandemie erholt.

Bereits zu Pandemiezeiten hatte die EU hunderte Millionen Euro in die Umwandlung des europäischen Weins investiert. 2020 waren es 250 Mio. Euro, von denen allein 127 Millionen in die Destillation französischen Weins flossen. 2021 wurden rund 43 Mio. Euro für die Krisendestillation ausgegeben - diesmal vor allem für rumänischen Wein (23 Mio. Euro). Deutscher Wein wurde auch in den beiden Pandemiejahren nicht mithilfe von EU-Geldern destilliert. Hier habe es zu diesem Zeitpunkt keine signifikanten Absatzschwierigkeiten gegeben, erklärt der Deutsche Weinbauverband auf Nachfrage.

Immer weniger trinken Wein

"Wein wird durch Lagerung nicht besser", erklärt Simone Loose, Professorin für Weinwirtschaft an der Hochschule Geisenheim. Der Weinkonsum gehe weltweit zurück, die Rebanlagen seien hingegen oft für 30 bis 40 Jahre angelegt. Wenn die Lager voll sind und der alte Wein für neuen Platz machen muss, könne der Wein destilliert und für Industriezwecke genutzt werden. "Damit hat das Produkt noch einen Nutzen - auch wenn man Industriealkohol über Zellulose deutlich günstiger produzieren könnte", so Loose. "Das ist also ein sehr unwirtschaftlicher Prozess."

Sinn mache die Krisendestillation daher nur, wenn es sich um einmalige Schocks handle und sich der Konsum danach wieder erhole, sagt Loose. Danach sehe es aktuell aber nicht aus. Nach Ansicht der Fachfrau wäre es daher besser, das Geld in die Umwidmung von Weinbergsflächen zu stecken. "Im einfachsten Fall sagt man: Wir haben zu viel Rotwein und der Trend geht zu Weißwein, also ändern wir zu Weißwein."
Da die Menschen aber allgemein weniger Wein kauften, sei es sinnvoller, in Europa die Rebflächen zu reduzieren, sagt Loose. Diese könnten dann zum Beispiel für andere Agrarprodukte, Biodiversitätsflächen oder alternative Energieerzeugung genutzt werden.
  

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