Jerusalem

Israel könnten Neuwahlen drohen

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Die Regierung scheitert bei Einigung über grundlegende Fragen.

Vertraute des israelischen Ministerpräsidenten haben am Donnerstag offen über die Wahrscheinlichkeit vorzeitiger Neuwahlen gesprochen. "Die Regierung kann ihre grundlegenden Aufgaben nicht mehr erfüllen, nämlich zu regieren", sagte Ofir Akunis, Vizeminister im Amt des Ministerpräsidenten, dem Armee-Radio.

Die Tageszeitung "Maariv" zitierte einen engen Mitarbeiter von Regierungschef Benjamin Netanyahu mit den Worten: "Wir stehen mit 70 Prozent Wahrscheinlichkeit vor vorgezogenen Neuwahlen." Die israelische Mitte-rechts-Koalition ist seit 20 Monaten im Amt, reguläre Wahlen stünden erst im November 2017 an.

Das von den Liberalen bis zu den Ultranationalisten reichende Regierungsbündnis hat große Schwierigkeiten, sich auf einen Haushalt für 2015 zu einigen, und streitet seit Monaten über eine Reihe von Sozialgesetzen. Zugespitzt wurde die Koalitionskrise in den vergangenen Tagen durch ein neues Grundgesetz mit Verfassungsrang, das Israel als "" definieren soll und daraus nationale Rechte ausschließlich für die jüdische Bevölkerungsmehrheit ableitet.

In den vorliegenden Entwürfen, über die Mitte kommender Woche abgestimmt werden soll, wird dem jüdischen Charakter des Staates im Konfliktfall Vorrang vor seiner demokratischen Regierungsform zugesprochen. Netanyahu hat allerdings einen geänderten Entwurf angekündigt, in dem Israel gleichwertig als jüdischer und demokratischer Staat beschrieben wird.

Parlamentsauflösung schon in wenigen Tagen?
Er sei "fest entschlossen", seine Version des Nationalstaats-Gesetzes durchzusetzen, sagte Netanyahu am Mittwochabend in einer Parlamentsdebatte. Zur Begründung führte er aus, dass über die Jahre "ein deutliches Ungleichgewicht" zwischen den individuellen Bürgerrechten und den nationalen Rechten des jüdischen Volkes entstanden sei. Vizeminister Akunis sagte dazu im Radio: "Wenn wir uns hier nicht einigen, rechne ich in den nächsten Tagen oder wenigen Wochen mit einer Auflösung des Parlaments und der Ausrufung von Neuwahlen."

Liberal fürchten Aushöhlung der Demokratie

Liberale Politiker und Oppositionsparteien kritisieren das Drängen auf das Nationalstaats-Gesetz, vor allem vor dem Hintergrund der derzeit äußerst gespannten Sicherheitslage. Sie fürchten, dass die demokratischen Staatsgrundlagen ausgehöhlt und Volksgruppenrechte für die Minderheiten in Israel verneint werden könnten. Zu Wort meldete sich jetzt auch Salim Jubran, Richter am Obersten Gerichtshof Israels und dort einziger Vertreter der arabischen Minderheit, die ein Fünftel der Bevölkerung umfasst.

Die in der israelischen Unabhängigkeitserklärung verbriefte Gleichberechtigung aller Volksgruppen sei niemals verwirklicht worden, bemängelte Jubran. Hier bestehe das größte Defizit. Starke Benachteiligungen gebe es vor allem "im Bildungswesen, bei den beruflichen Chancen, bei der Landzuweisung für Neubauviertel arabischer Gemeinden, bei der dortigen Errichtung von Gewerbegebieten und der Beschilderung auch auf Arabisch", das bisher zweite Amtssprache ist.

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