Ein nun im Internet aufgetauchtes Dokument vom Attentäter Stephan B. soll das Motiv hinter dem tödlichen Anschlag enthüllen.
Nach dem Terror in Halle/Saale ist nach Angaben einer Expertin ein Dokument im Internet aufgetaucht, bei dem es sich um eine Erklärung des Angreifers, der 27-jährige Deutsche Stephan B., zu handeln scheine. Das schrieb Rita Katz, Leiterin der auf die Beobachtung von Extremisten spezialisierten Site Intelligence Group, am Mittwochabend auf Twitter.
Das PDF-Dokument zeige Bilder von Waffen und enthalte einen Verweis auf das Live-Video, das von der Tat verbreitet worden sein soll. In dem Text werde das Ziel genannt, "so viele Anti-Weiße zu töten wie möglich, vorzugsweise Juden".
Vor gut einer Woche angelegt
Das Dokument sei scheinbar vor gut einer Woche am 1. Oktober angelegt worden und gebe weitere Hinweise darauf, wie viel Planung und Vorbereitung der Täter in die Attacke gesteckt habe. Ob es tatsächlich von dem mutmaßlichen Täter stammt, war am Abend allerdings unklar.
Katz bezog sich auch auf ein Bekennervideo, dass der mutmaßliche Täter der Angriffe in Halle/Saale in den sozialen Netzwerken hochgeladen haben soll.
Nazi-Terror in Halle: Killer filmte Anschlag vor Synagoge
Der Anschlag geschieht ausgerechnet zu Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag (Versöhnungsfest). Gegen Mittag versucht Stephan B. aus Sachsen-Anhalt die Synagoge im Paulusviertel in Halle (Ostdeutschland) zu stürmen. Er trägt eine Sturmhaube, einen Stahlhelm, hat eine Kamera darauf, einen grünen Kampfanzug an, einen Rucksack. Er ist mit einer Maschinenpistole und einer Salut PPSH bewaffnet, einem alten russischen Gewehr aus dem Zweiten Weltkrieg. Im Rucksack sind Rohrbomben. Wie der Christchurch-Attentäter streamt der Neonazi den gesamten Anschlag live im Internet.
Aufnahme startet
Seine Helmkamera schaltet er ein, als er mit einem VW-Leihwagen vor der Synagoge hält. Er filmt sein Munitions- und Waffenarsenal, das am Rücksitz liegt.
Dann will er das Gotteshaus stürmen. Achtzig Gläubige beteten gerade in der Synagoge. Die massive Tür ist verschlossen: „Der Täter schoss mehrfach auf die Tür und platzierte eine Rohrbombe, um einzudringen. Aber die Tür blieb zu, Gott hat uns geschützt. Das Ganze dauerte fünf bis zehn Minuten“, so Max Privorozki, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Halle. Die Gläubigen müssen Stunden ausharren, weil der Angreifer auch Sprengsätze vor die Türe legt.
Frustriert darüber, dass er es nicht schafft, in die Synagoge einzudringen, eröffnet er auf der Straße das Feuer. Er erschießt eine Frau, die zufällig vorbeigeht. Er feuert ihr in den Rücken. Eine zweite Person verletzt er. Danach wirft er Handgranaten in den jüdischen Friedhof, setzt sich in seinen VW Plus, rast wieder weg.
Innenminister: "Ein antisemitischer Angriff"
Döner-Laden. Kurz darauf versucht B. einen zweiten Anschlag. Er hält mit seinem Auto mitten auf der Straße vor einem Döner-Laden. Steigt aus, stellt sich hinter seinen Wagen und feuert mehrmals auf das Imbiss-Geschäft. Dann geht er ins Lokal, ermordet eiskalt einen Mann, schießt in den Coca-Cola-Automaten. Schließlich feuert er mehrfach auf die Leiche. Auf dem Video, das er mitdreht, ist zu hören, wie er mit hoher Fistelstimme seine Taten beschreibt.
Wenig später wird B. von der Polizei gestellt. Er eröffnet das Feuer. Die Polizei schießt zurück. Er wird angeschossen. Am Hals getroffen. Trotzdem kann der Killer weiter flüchten. In Wiedersdorf (15 Kilometer entfernt) lässt er seinen Leihwagen stehen. B. kapert ein Taxi, das zufällig vor einer Werkstatt angehalten hat. Einen Passanten, der ihn aufhalten will, schießt er an.
Danach rauscht der Neo-Nazi mit dem Taxi weg. Minuten später wird der Wagen von einem Lkw gerammt. Stephan B. kann verletzt festgenommen werden. Er ist ein Einzeltäter. Deutschlands Innenminister Seehofer sagt über das schreckliche Attentat: „Es war ein antisemitischer Angriff.“
Vor Döner-Laden hielt er an und schoss weiter
Schüsse. Stahlhelm, Uniform, Schutzweste, Rucksack und auf dem Helm eine GoPro-Kamera. Augenzeugen fotografieren und filmen den Attentäter mit ihren Handys. Lange ist unklar, ob er ein Einzeltäter ist oder Komplizen hat. „Bevor ich sterbe, werde ich noch ein paar Dreckige töten“, sagt er.
Anti-Terror-Einheit WEGA vor jüdischen Einrichtungen in Wien
Anlässlich des jüdischen Feiertags Jom Kippur herrschen ohnehin erhöhte Sicherheitsmaßnahmen vor Synagogen. Diese werden nun noch einmal massiv verstärkt. Die Polizeidirektion Wien ordnete an, dass Beamte der Antiterroreinheit WEGA nicht nur vor Gotteshäusern, sondern generell vor jüdischen Einrichtungen wie Schulen Stellung beziehen. Mit dieser sicherheitstechnischen Prophylaxe begegnet die Exekutive dem im Zuge des Anschlags auf eine Synagoge in der deutschen Stadt Halle an der Saale massiv erhöhten Bedrohungsszenario. Die verstärkten Sicherheitsvorkehrungen sollen bis auf Weiteres beibehalten werden.
K. Wendl, R. Kopt