Massen-Proteste

Türkei geht Trängengas aus

Teilen

Hunderte üben als "Stehender Mann" stillen Protest an Erdogan.

In der Türkei schließen sich immer mehr Menschen dem stillen Protest gegen die islamisch-konservative Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan an. Auf dem zentralen Taksim-Platz in Istanbul waren am Dienstagabend mehrere hundert schweigende Menschen versammelt, wie Augenzeugen berichteten. Sie protestierten gegen die aus ihrer Sicht autoritäre Regierung und die Polizeigewalt der vergangenen Tage. Am Nachmittag waren es einige Dutzend Menschen gewesen.

Neue Protestform: Menschen stehen stundenlang still
Der stille Protest gegen die Regierung des islamisch-konservativen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan hat die Spannungen in der Türkei zunächst verringert. Die Polizei ging am frühen Mittwoch in der westanatolischen Stadt Eskisehir aber mit Wasserwerfern und Tränengas gegen weitere Proteste vor, berichteten Aktivisten. Inzwischen nutzen immer mehr Menschen die neue Form des Protests: Sie stehen stundenlang einfach nur still.

Hunderte schweigende Menschen auf Taksim-Platz 
Auf dem zentralen Taksim-Platz in Istanbul waren bis in die Nacht mehrere hundert schweigende Menschen versammelt, wie Augenzeugen sagten. Am Mittwoch standen weiter einige Menschen aus Protest still. Ein türkischer Choreograph hatte in der Nacht zum Dienstag als "Stehender Mann" stundenlang auf dem Taksim-Platz verharrt und damit die neue Protestform initiiert.

Kreativer Protest: Bunte Bänder, laute Töpfe 1/5
WEISSE KOPFTÜCHER

Ende der 1970er Jahre begann eine Handvoll argentinischer Frauen die Suche nach ihren während der Militärdiktatur verschleppten Kindern. Mit weißen Kopftüchern wurden sie als Mütter von der Plaza de Mayo in Buenos Aires weltberühmt. Ihren folgten Großmütter mit weißem Kopftuch, die gegen den Raub von Babys der politischen Gefangenen protestierten - Jahrzehnte lang.

Polizei geht Tränengas aus
Bei den Demonstrationen der vergangenen drei Wochen hat die Polizei 130.000 Patronen mit Reizgas verschossen, wie eine türkische Zeitung berichtet. Es sei nun geplant, kurzfristig 100.000 Patronen Tränengas und Pfefferspray zu beschaffen, um die Bestände aufzufüllen, berichtete die Zeitung "Milliyet". Als Teil einer Ausschreibung sollten zudem 60 Wasserwerfer beschafft werde.

In der Nacht auf Mittwoch kam es in Eskisehir zu stundenlangen Zusammenstößen, berichteten Aktivisten im Internet. Die Polizei habe von Demonstranten errichtete Barrikaden geräumt und ihre Wasserwerfer auch auf Wohnungen gerichtet, in die sich Demonstranten geflüchtet hätten. In der etwa 600.000 Einwohner zählenden Stadt gab es in den vergangenen Wochen mehrfach Demonstrationen gegen die Regierung.

Lesen Sie auch

Straßenschlacht in Istanbul



Lage normalisierte sich am Mittwoch

Insgesamt normalisierte sich die Lage am Taksim-Platz weitgehend. Am Mittwoch befanden sich zahlreiche Touristen und Einheimische auf der öffentlichen Fläche, bewacht von Polizisten.

VIDEO: Straßenschlachten in Istanbul

Internationale Kritik an Polizeigewalt
Der massive Einsatz von Tränengas gegen Demonstranten ist international als unverhältnismäßig kritisiert worden. Zudem wird verurteilt, die Polizei habe gezielt und auf kurze Distanz direkt auf Demonstranten geschossen und Tränengasgewehre damit praktisch wie scharfe Waffen eingesetzt.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) äußerte sich besorgt über die Entwicklungen in der Türkei. "Massenverhaftungen und der Einsatz von Gewalt zu Beendigung von Demonstrationen sind kein Kennzeichen von Demokratien und solche Handlungen stehen nicht im Einklang mit den Verpflichtungen der Türkei als OSZE-Staat", kritisierte der Vorsitzende der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, Wolfgang Großruck (ÖVP), am Mittwoch in einer Aussendung. Die Versammlung halte aber nach Zusicherungen des türkischen Parlaments am Plan fest, ihre Jahrestagung am 29. Juni in Istanbul abzuhalten.

Grüne Bundesrat Efgani Dönmez rudert zurück
Der Grüne Bundesrat Efgani Dönmez, der mit drastischen Aussagen an die Adresse von Pro-Erdogan-Demonstranten in Österreich für Aufregung gesorgt hatte, ruderte indes zurück. Er nahm seine Aussage, die Demonstranten sollen mit einem "One-Way-Ticket" in die Türkei geschickt werden, per Aussendung zurück , bekräftigte aber seine Kritik, wonach "konservative Gesellschaftsentwürfe eines politisierten Islams, welche unseren Grundwerten zuwiderlaufen, in Österreich keinen Platz haben dürfen".
 

Die stärksten Bilder des Tages

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.

Türkei-Demo am Stephansplatz

Straßenschlacht in Istanbul