''Wenn sie liefern, dann werden wir daraus die entsprechenden Schlüsse ziehen und unsere Mittel der Vernichtung, von denen wir genug haben, einsetzen, um jenen Objekten Schläge zu versetzen, die wir bisher nicht angreifen'', sagte Putin.
Kiew (Kyjiw)/Moskau. Russlands Präsident Wladimir Putin hat für den Fall einer Lieferung westlicher Raketen mit hoher Reichweite an die Ukraine mit schweren Angriffen auf das Land gedroht. "Wenn sie liefern, dann werden wir daraus die entsprechenden Schlüsse ziehen und unsere Mittel der Vernichtung, von denen wir genug haben, einsetzen, um jenen Objekten Schläge zu versetzen, die wir bisher nicht angreifen", sagte Putin am Sonntag im Interview des Staatsfernsehsenders Rossija 1.
Ziel der westlichen Waffenlieferungen sei es, den Konflikt in der Ukraine möglichst in die Länge zu ziehen, meinte er. Gelassen zeigte sich der Kremlchef allerdings mit Blick auf die von den USA angekündigte Lieferung hochmoderner Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars. Für die Ukraine ändere sich damit nichts Grundsätzliches an der Verteilung der Kräfte. "Hier gibt es nichts Neues", sagte Putin. Schon jetzt hätten die ukrainischen Streitkräfte solche Systeme russischer Produktion im Einsatz, die US-Lieferungen würden vielmehr zerstörte Waffen ersetzen.
Reichweite zwischen 45 und 70 Kilometern
Gleichwohl sei hier entscheidend, welche Raketen eingesetzt würden. Nach allem, was zu hören sei, wollten die Amerikaner Raketen mit einer Reichweite zwischen 45 und 70 Kilometern liefern. Das sei in etwa das, was die bisherigen Raketen vom Typ "Uragan", "Smertsch" und "Grad" leisteten, sagte Putin. Die Ukraine habe zu Beginn des Krieges, den Putin nur "Spezialoperation" nennt, 515 solcher Systeme gehabt. Der Kremlchef geht davon aus, dass die Ukraine derzeit noch 360 von ihnen im Einsatz hat.
Das Bild sei ähnlich bei der von der Ukraine im Westen bestellten Artillerie. "Allem Anschein nach geht es hier auch darum, das Verlorene, das bei den Kampfhandlungen Vernichtete auszugleichen", sagte der russische Staatschef. Zudem habe die russische Luftabwehr inzwischen den Großteil der Kampfdrohnen in der Ukraine zerstört. "Unsere Luftabwehrsysteme knacken sie wie Nüsse."
Ukrainische Truppen sind unterdessen nach britischen Erkenntnissen in der umkämpften Stadt Sjewjerodonezk zuletzt zum Gegenangriff übergegangen. Damit hätten sie vermutlich die operative Dynamik geschwächt, die die russischen Streitkräfte zuvor mit einer Konzentration ihrer Einheiten und Feuerkraft gewonnen hatten, teilte das Verteidigungsministerium in London am Sonntag mit.
Truppen seien schlecht ausgerüstet
Bei den eingesetzten russischen Kräften handle es sich auch um Reserven der selbst ernannten "Volksrepublik Luhansk", hieß es. Diese Truppen seien schlecht ausgerüstet und trainiert, ihnen fehle im Vergleich zu regulären Einheiten schwere Ausrüstung.
Der Einsatz von Hilfstruppen, die Städte vom Gegner räumen sollen, sei eine Taktik, die Russland bereits in Syrien angewendet habe, hieß es vom Ministerium weiter. Dieser Ansatz entstehe vermutlich aus dem Wunsch heraus, die Verluste der regulären russischen Streitkräfte zu begrenzen.
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine veröffentlicht die britische Regierung in ungewöhnlich offener Art und Weise regelmäßig Geheimdienstinformationen zum Verlauf des Angriffskriegs. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.
Spanien liefert Flugabwehrraketen und Leopard-Kampfpanzer
Spanien wird der Ukraine einem Zeitungsbericht zufolge Flugabwehrraketen und Leopard-Kampfpanzer liefern. Das berichtet "El Pais" unter Berufung auf Regierungskreise. Spanien werde dem ukrainischen Militär auch Schulungen im Umgang mit den Panzern anbieten, die in Lettland stattfinden könnten. Dort hat Spanien im Rahmen eines NATO-Einsatzes 500 Soldaten stationiert. Eine zweite Phase der Ausbildung könne in Spanien stattfinden. Spanien hat die Ukraine bisher mit Munition, Schutzausrüstung für die Soldaten und leichten Waffen versorgt
Das russische Militär bestätigte am Sonntag in seinem Lagebericht zum Krieg gegen die Ukraine die Raketenangriffe auf die ukrainische Hauptstadt Kiew. Zerstört worden seien am Rande Kiews von osteuropäischen Ländern gelieferte Panzer vom Typ T-72 und andere Militärtechnik. Sie seien in einem Werk für die Reparatur von Eisenbahnwaggons untergebracht gewesen, behauptete der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow.
Kiews Bahnchef Olexander Kamyschin wies das zurück: Es habe keine Panzer dort gegeben. Nach seinen Angaben schlugen dort vier Raketen ein.
Klitschko berichtete von mehreren Raketenschlägen
Zuvor hatten Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko und der ukrainische Generalstab von mehreren Raketenschlägen berichtet. Nach Angaben von Klitschko musste ein Verletzter im Krankenhaus behandelt werden. Nach Darstellung des ukrainischen Generalstabs wurden die Raketen von Bombern über dem Kaspischen Meer abgefeuert.
Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak sprach von einem "Akt des Terrorismus". Er forderte vom Westen weitere Sanktionen gegen Russland sowie die Lieferung schwerer Waffen. "Die heutigen Raketenangriffe auf Kiew haben nur ein Ziel - so viele Ukrainer wie möglich zu töten", schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter. Tote gab es bei den Angriffen am Sonntag nicht.
Mehrere Ziele zerstört
Nach Darstellung des russischen Militärs wurden durch Raketenangriffe auch im Gebiet Donezk etwa in der Stadt Kramatorsk in der Ostukraine mehrere Ziele zerstört, darunter eine Werkstatt für die Wiederherstellung beschädigter Kriegswaffen. Bei weiteren Angriffen der russischen Luftwaffe seien erneut Munitionsdepots, Sammel- und Kommandopunkte zerstört worden. Dabei seien auch mehr als 350 ukrainische Kämpfer "vernichtet" worden, sagte Konaschenkow.
Nahe der Stadt Slowjansk im Gebiet Donezk sei bei einem Luftkampf ein ukrainisches Flugzeug vom Typ MiG-29 abgeschossen worden. Im Gebiet Odessa habe Russlands Luftabwehr eine Antonow An-26 vom Himmel geholt, die Militärtechnik transportiert habe. Ministeriumssprecher Konaschenkow sagte, dass durch russische Artillerie Dutzende weitere militärische Ziele in der Ukraine getroffen worden seien. Von unabhängiger Seite überprüfbar waren die russischen Angaben nicht.