Schon in den tristen Hinterhöfen der Leningrader Siedlungsblocks ging der kleine Wladimir keinem Streit aus dem Weg.
Putin selbst gibt in seiner Autobiografie nicht ohne Stolz zu, als Bub außerordentlich rauflustig gewesen zu sein. Er soll so viel Wut und Hass in sich gehabt haben, dass er seine körperliche Unterlegenheit kompensieren und sich auch gegen größere und stärkere Gegner durchsetzen hätte können.
Viele Putin-Kenner wollen in den Reden, in denen der russische Präsident sein Vorgehen in der Ukraine gerechtfertigt und sowohl seinen internationalen als auch seinen internen Gegnern gedroht hat, diese Wut und diesen Hass des kleinen Buben wiedererkannt haben. Und noch einen Charakterzug: Putins problematisches Verhältnis zur Wahrheit.
Denn Russlands Präsident verbreitet Lügen, bei denen sogar ein Donald Trump rot anlaufen würde: Seine "Spezialoperation" in der Ukraine sei nötig geworden, weil er das Land "denazifizieren", einen "Genozid" im Donbass verhindern und sein Vaterland gegen einen in Kiew von "Nazis und Drogenabhängigen" beschlossenen Atomschlag beschützen müsse.
Die Mutter lässt den kleinen Wladimir heimlich taufen
Wladimir Putin wird in Leningrad in armseligen Verhältnissen geboren. Der Vater, Arbeiter in einer Waggonfabrik, ist überzeugter Kommunist und Weltkriegsveteran, die Mutter Fabrikarbeiterin und gläubige orthodoxe Christin. Sie wird Wladimir heimlich taufen lassen, der stalinistische Vater darf das nicht erfahren.
Wladimir ist ihr einziges Kind, alle seine Brüder sterben schon im Kindesalter, die Mutter wird den Sohn verhätscheln. Doch familiäre Geborgenheit wird er nie erfahren, dazu sind die Wohnverhältnisse zu prekär. Die Putins leben in einer Gemeinschaftssiedlung in einem einzigen 20-Quadratmeter-Zimmer ohne eigene Küche, Bad oder Klo.
Doch der Bub ist intelligent, und der Zugang zur Bildung ist in der Sowjetunion auch für Kinder aus ärmsten Verhältnissen möglich -vor allem, wenn der Vater ein verdienter Parteigenosse ist. Der junge Putin lenkt seine Rauf lust in geordnete Bahnen. Er trainiert Boxen, Judo und Sambo, einen dem Judo ähnlichen Kampfsport. Sein Lieblingslehrer ist ein Kleinkrimineller, der insgesamt wegen verschiedenster Delikte an die zwanzig Jahre hinter Gittern verbracht hat, unter anderem wegen Teilnahme an einer Gruppenvergewaltigung. Dieser Mann wird für Putin zu einem prägenden Vorbild, wie der russische Präsident später in seinen Memoiren schreibt, in denen er sich warmherzig an seinen Lehrer Leonid erinnert, der 1994 bei einem Bandenkrieg umgebracht wird.
Schon im Gymnasium ist Putin fasziniert vom Geheimdienst. Als er sich zum ersten Mal beim KGB bewirbt, ist er erst 17 Jahre alt. Dort rät man ihm aber, erst einmal Jus zu studieren. Nach seinem Abschluss wird er tatsächlich aufgenommen. Erst wird er Offizier bei der Auslandsspionage, absolviert die KGB-Hochschule und wird 1985 in die DDR versetzt. Aus dieser Zeit resultieren seine hervorragenden Deutschkenntnisse.
Wieder zurück in der Heimat, wird Putin nach dem Fall der Sowjetunion zum Vertrauten des Leningrader Bürgermeisters Anatoli Sobtschak, der die Stadt in St. Petersburg rückbenennt. Putin mag den Zerfall seines Vaterlandes als Katastrophe betrachtet haben, für ihn persönlich brechen goldene Zeiten an. Wie viele andere Oligarchen profitiert er von diesen unsicheren Zeiten. In St. Petersburg ist er unter anderem für die Lebensmittelbeschaffung zuständig. Während in den Geschäften die Regale leer bleiben, soll Putin durch Korruption den Grundstein seines beträchtlichen Vermögens gelegt haben.
Er wechselt Stadt und Protegé. Putin braucht Sobtschak jetzt nicht mehr, Sobtschak wird 2000 unter mysteriösen Umständen ums Leben kommen, Moskau und Präsident Boris Jelzin locken. Unter Jelzin wird der Nobody Putin erst Chef des Inlandsgeheimdiensts FSB, 1999 dann auch Ministerpräsident. Nach nur einem Jahr legt Jelzin sein Präsidentenamt zugunsten von Putin zurück.
Wie Putin mit seinen Förderern umgeht, wenn er sie nicht mehr braucht, dokumentiert eine bemerkenswerte TV-Aufnahme. Sie zeigt den bereits angedudelten Jelzin, als er auf das Wahlergebnis seines Günstlings wartet. Als Putins Sieg feststeht, will Jelzin ihn anrufen, um ihm zu gratulieren, aber auch, um vor dem TV-Team damit zu prahlen, dass er seinen Freund jederzeit erreichen kann. Doch Putin wird nie abheben.
»Wir werden die Terroristen auf dem Scheißhaus ersäufen!«
Die Welt schaut neugierig nach Moskau und auf den bis dahin praktisch unbekannten Präsidenten. Und der zeigt zwei Gesichter. 2001 hält Putin eine Rede vor dem Deutschen Bundestag, und die westliche Welt ist hingerissen. Er spricht, wie er selbst sagt, in der Sprache von Goethe, Schiller und Kant und betont die Friedfertigkeit des neuen Russlands.
Im selben Jahr lernt Russland den anderen Putin kennen. Schon als Ministerpräsident hat er alles darangesetzt, die Rebellion in Tschetschenien niederzuschlagen. Als er Präsident wird, erschüttert eine Anschlagswelle angeblich tschetschenischer Terroristen Russland. Wohnhäuser in Moskau werden gesprengt, eine Schule in Dagestan überfallen und Geiseln genommen. Es gibt freilich viele Hinweise darauf, dass hinter diesen Terrorakten der Geheimdienst FSB steckt, um das brutale Vorgehen in Tschetschenien zu rechtfertigen.
Derselbe Putin, der zur gleichen Zeit im Deutschen Bundestag den Westen einlullt, spricht jetzt nicht in der Sprache Dostojewskis, sondern in jener seines Kampfsportlehrers aus der Unterwelt: "Wir werden Terroristen überallhin verfolgen. Wir werden sie auch auf dem Scheißhaus ersäufen."
Als der Widerstand in Tschetschenien nicht nachlässt, macht er die Hauptstadt Grosny dem Erdboden gleich. Dasselbe hat er jetzt offensichtlich auch mit Kiew vor. Putin, der, wie Der Spiegel schreibt, das in der Ukraine macht, was zuletzt nur Hitler gewagt hatte: ein europäisches Land anzugreifen und besetzen zu wollen. Ihm ist jedes Mittel recht, die Ukraine, deren Eigenständigkeit er nie anerkannt hat, zu unterwerfen.
Putins großes Vorbild ist Iwan der Schreckliche, der ja nur im Westen so heißt, bei den Russen aber unter "Iwan der Große" geführt wird.
groß gemacht, wurde aber schließlich von seinen Vertrauten umgebracht. Zar Wladimir ist dazu verdammt, diesen Krieg gegen den Rest der Welt zu gewinnen. Sonst wird es ihm ergehen wie Zar Iwan.