Weil die Eltern nichts gegen die Fettleibigkeit unternahmen, soll der Junge in ein Kinderheim.
Tagsüber stopfte Moises Unmengen an Kuchen und Süßigkeiten in sich hinein, nachts machte er sich über die Speisen im Kühlschrank her. Mit fünf Jahren wog der Bub aus Ourense im Nordwesten Spaniens 83 Kilogramm. Er war so aufgedunsen, dass man seine Augen kaum sehen konnte. Dies war vor vier Jahren. Damals schlug ein Krankenhaus bei den Jugendbehörden Alarm. Die Behörden hielten die Eltern dazu an, den Kleinen einer ärztlich überwachten Diät zu unterziehen - aber ohne Erfolg.
Einweisung ins Kinderheim
Ein Gericht ordnete nun an, den
mittlerweile Neunjährigen wegen "Verwahrlosung" bis auf weiteres in ein
Kinderheim einzuweisen. "Da die Eltern die empfohlene Behandlung nicht
veranlassten, erreichte die Fettleibigkeit ein solches Ausmaß, dass seine
Gesundheit und sein Leben in Gefahr sind", begründete der Richter seine
Entscheidung. Die Eltern weigerten sich jedoch, der Anordnung Folge zu
leisten. Sie versteckten ihren Sohn bei Bekannten.
Nun sucht die Polizei nach dem Buben. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Strafverfahren gegen die Eltern ein. Das Paar begründete seine Weigerung damit, dass eine Einweisung in ein Heim dem Sohn zusätzlichen Schaden zufügen würde. "Wir waren schlechte Eltern, weil wir dem Buben alles zu essen gaben, was er haben wollte", räumte die 24-jährige Mutter ein. Der 26 Jahre alte Vater ergänzte: "Bisher war uns die Bedeutung einer gesunden Ernährung nicht bewusst. Aber nun hat man uns die Augen geöffnet." Der Sohn habe in den vergangenen Monaten zehn Kilogramm abgenommen. Die Lokalzeitung "La Region" berichtete, er esse keine Süßigkeiten mehr, sondern nur noch Gemüse, weil er zu seinen Eltern zurück wolle.
Angehörige einer Minderheit
Der Fall sorgt in Spanien seit
Wochen für Schlagzeilen. Er ist auch heikel, weil es sich bei den
Betroffenen um eine Roma-Familie handelt. Roma-Verbände äußerten den
Verdacht, die Behörden griffen in diesem Fall nur deshalb besonders
energisch durch, weil sie es mit Angehörigen einer Minderheit zu tun hätten.
Die Eltern betonten in einer Erklärung: "Die Staatsanwaltschaft sollte nicht
der Versuchung erliegen, sich gegenüber den Schwachen stark und gegenüber
den Starken schwach zu zeigen."
Ernsthaftes Problem
Die Flucht des Übergewichtigen vor der
Polizei machte die Spanier darauf aufmerksam, dass ungesunde Ernährung von
Kindern zu einem ernsthaften Problem geworden ist. "Sie spielen nicht mehr
draußen mit dem Ball oder dem Seil, sondern sitzen drinnen vor dem Computer
oder Videospielen", sagt die Psychologin María Isabel Casado. "Hinzu kommt,
dass die Spanier sich von der gesunden mediterranen Küche angewandt haben
und mehr zucker- und fetthaltige Speisen essen."
Nach einer Studie leidet mehr als ein Fünftel der spanischen Kinder zwischen neun und zwölf Jahren unter Übergewicht oder Fettsucht. Der Mediziner und Ernährungsexperte Jesús Manuel Suarez betont, der Bub in Ourense sei von seinen Eltern zwar schlecht behandelt worden, eine Einweisung in ein Heim wäre aber keine Lösung: "Wenn er aus dem Heim herauskommt, wird er in sechs Monaten so übergewichtig sein wie vorher und obendrein einen psychischen Schaden davongetragen haben."