100.000 Gäste

Trauerfeier in Winnenden nach Amoklauf

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In Winnenden wird der Opfer des Amoklaufs gedacht. 100.000 Gäste kommen. Auch Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzlerin Merkel sind unter den Trauergästen. Nach dem Gottesdienst findet ein Staatsakt statt.

Eingeläutet mit tausenden Kirchenglocken in ganz Württemberg hat am Samstag in Winnenden die zentrale Trauerfeier zum Gedenken an die 15 Opfer des Amoklaufs begonnen. 900 Trauergäste fanden in der Kirche St. Karl Borromäus Platz, darunter die Angehörigen der Opfer sowie Mitschüler.

Christliche Hoffnung
Der evangelische Landesbischof Frank Otfried July verwies in seiner Predigt auf die christliche Hoffnung für die Opfer und für den Amokläufer: "Wir schweigen auch den Täter dieser furchtbaren Mordtaten, Tim K., nicht tot", sagte July. Abgeschieden von den Opfern werde auch sein Leben vor Gott gestellt. Beim anschließenden Staatsakt wollten Bundespräsident Horst Köhler und Ministerpräsident Günther Oettinger reden. Neben ihnen war auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie weitere Spitzenpolitiker zu der Trauerfeier gekommen.

Zeremonie
In einem bewegenden Moment wurde den 15 Todesopfern gedacht. Jeder Name wurde einzeln vorgelesen, zwei Jugendliche brachten eine Kerze mit dem Vornamen durch den langen Mittelgang der Kirche nach vorn, zündeten sie an und stellten die Kerze zusammen mit einer gelben Rose auf den Altar.

Killerspiel-Verbot
Wenige Stunden vor Beginn der Trauerfeier hatten Angehörige der Amoklauf-Opfer Konsequenzen von der Politik gefordert. Sie meldeten sich in einem offenen Brief an Bundespräsident Köhler, Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident Oettinger zu Wort. Darin verlangen sie, den Zugang für Jugendliche zu Waffen zu erschweren, Gewaltdarstellungen im Fernsehen einzuschränken, Killerspiele zu verbieten, den Jugendschutz im Internet auszubauen und die Berichterstattung der Medien über Amok-Täter zu reglementieren.

"Kein zweites Mal"
Die Angehörigen schrieben in ihrem offenen Brief: "In unserem Schmerz, in unserer Hilflosigkeit und in unserer Wut wollen wir (...) nicht untätig bleiben." Sie wollten "mithelfen, damit es kein zweites Winnenden mehr geben kann".

Zehntausende Menschen hatten sich am Samstagmorgen zur Trauerfeier nach Winnenden bei Stuttgart aufgemacht, die auf Videoleinwänden übertragen wurde. Stille lag am Samstagmorgen über dem Heimatort des Amokläufers Tim K., Leutenbach-Weiler zum Stein, wo sich rund 300 Menschen in der Gemeindehalle einfanden, um die zentrale Trauerfeier gemeinsame zu verfolgen. Begleitet wurden sie von der künftigen Pfarrerin des Ortes, Rosemarie Gimbel-Rueß. Sie wünschte den Besuchern, dass die Trauerfeier ihnen Trost bringe. In dem Saal mit Videoleinwand standen Betreuer von Hilfsorganisationen bereit, um den Trauernden zur Seite zu stehen. Auf dem Friedhof von Weiler zum Stein liegen vier Opfer des Amoklaufs begraben.

Tim K. noch nicht beigesetzt
Der 17 Jahre alte Amokläufer Tim K. hatte am 11. März an seiner ehemaligen Schule in Winnenden und auf der anschließenden Flucht nach Wendlingen 15 Menschen und danach sich selbst getötet. Seine Leiche wurde zwei Tage nach dem Massaker freigegeben, aber bisher nach Polizeiangaben nicht beigesetzt. "Wann und wo dies geschieht, wird nicht bekanntgegeben", sagte eine Polizeisprecherin. Die Opfer des Amokläufers wurden bereits zu Grabe getragen.

Vor dem Elternhaus von Tim K. in Leutenbach-Weiler zum Stein legten Unbekannte rund ein Dutzend Kerzen ab. Auf einem Zettel stand in einem Schreiben an Tim K.: "Egal was geschehen ist, Du wirst immer einen Platz in meinem Herzen haben. Farewell and rest in peace. (Leb wohl und ruh in Frieden)".

Unklarheit über psychische Erkrankung
Über eine mögliche psychische Erkrankung von Tim K. gibt es weiter widersprüchliche Angaben. Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Focus" klagte Tim K. bei einem ersten Gespräch in der Psychiatrischen Klinik Weissenhof in Weinsberg offenbar über massive psychische Probleme. Er habe einen "Hass auf alle", habe er seinem Gesprächspartner offenbart, schreibt das Magazin ohne nähere Angabe zu der Quelle. Tim K. habe den Eindruck vermittelt, dass er gar nicht wisse, wie er damit umgehen solle.

Der Anwalt der Familie K., Achim Bächle, sagte dem Magazin dazu: "Es ging um schulische Probleme und die Frage, auf welche weiterführende Schule Tim nach der Mittleren Reife gehen soll." Die Eltern hätten Begabung und Belastbarkeit ihres Sohns prüfen lassen. Der Vater, ein Unternehmer, habe wohl immer noch gehofft, dass der Sohn es wie die jüngere Tochter aufs Gymnasium schaffen könne.

Bereits vergangenes Wochenende hatte Bächle erklärt, Tim K. sei niemals in psychotherapeutischer Behandlung gewesen. Hintergrund ist das Ermittlungsverfahren, das die Staatsanwaltschaft gegen den Vater wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet hat. Sollte bei Tim K. eine "Amokneigung" ersichtlich gewesen sein, könnte sich der Vater der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht haben. Er hatte eine seiner Waffen nicht im Tresor, sondern im Schlafzimmer aufbewahrt und Tim hatte diese Pistole für das Massaker verwendet.

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